Einmal alles unter einem Dach
Den Sattlerhof vorzustellen ist keine leichte Angelegenheit. Die größte Schwierigkeit besteht darin: Wo fängt man an? Beim ausgezeichneten Weingut, das seit Jahrzehnten eine beispiellose Qualitätsoffensive betreibt? Beim zauberhaften Hotel, oder doch beim Beginn der Familie, bei der Landwirtschaft, die noch immer mit Schafen und Gemüse betrieben wird? Oder beim Fine-Dine-Restaurant, das seit 40 Jahren zur Elite der Restaurants zählt? Oder doch beim Wirtshaus? Ja, beginnen wir genau da, denn das Gasthaus schürft in der kulinarischen Seele der Steiermark und holt Erinnerungen hervor, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte.
Mehr Regionalität, mehr Kreislaufgedanken und mehr Tradition findet man nur in Unterlagen einer Doktorarbeit zum Thema Kulinarische Nachhaltigkeit. Bereits in den Neunzigerjahren interpretierte Hannes Sattler bäuerliche Küche vorbildlich. Seine Krensuppe mit gefüllten Klacheln zählt zu den Höhepunkten verwurzelter Wirtshausküche. Was heute hip erscheint, war früher normal. „Die Jungen kommen aus China ganz euphorisch zurück, weil sie dort Hühnerkrallen gekostet haben, derweil haben wir früher die Haxln in der Suppe ganz normal abgenagt“, sagt Sattler Senior. 2023 übernahm sein Sohn Markus die Verantwortung beider Küchen und setzt den Erfolgsweg fort. Im Restaurant sind nun mehr nordische als französische Akzente zu bemerken, im Wirtshaus bleibt es bodenständig auf hohem Niveau. Lebensmittel kommen aus der eigenen Landwirtschaft oder von befreundeten Handwerkern, verarbeitet wird alles vom Tier, Innereien sind auf der Karte fix gesetzt und während andere Wirtshäuser den „fancy“ Weg probieren, bleibt der Sattlerhof seiner Tradition treu.
Klare Hühnersuppe mit akkurat geschnittenen Frittaten ist von kraftgebender Substanz getragen und füllt jede Körperfaser mit Wohlgefühl aus, dass man nur gemütlich seufzen kann. Als Kontrastprogramm zur manchmal deftigen Wirtshausküche beizt Markus Sattler Lachsforelle behutsam mit dem Gefühl eines Uhrmachers und lässt dem Fisch seinen Eigengeschmack und seine angenehme Konsistenz. Dazu Gurke und Sauerrahm – der Dreiklang von Perfektion. Hendl wird fachgerecht zerteilt und in steirischer Perfektion mit Haut herausgebacken. Das Geflügel bleibt dadurch angenehm saftig. Erfreulicherweise serviert das freundliche Team das Backhendl mit allen Teilen, also auch Magen, Kragerl oder Leber, sodass jeder Bissen eine Freude bereitet, dass es nur so kracht. Wildbutterschnitzel verfeinert mit Schweinefleisch zwecks Saftigkeit ist in Kombination mit buttrigem Erdäpfelpüree und Zwiebelsauce eine Ansage an die Wiener Küche, wie der Sonntagsklassiker umgesetzt werden kann. Bei den Nachspeisen bleibt man verwurzelt mit mürben Spagatkrapfen und Preiselbeerobers oder zerbricht lustvoll mit dem Löffel die karamellisierte Zuckerschicht der Crème brûlée und genießt dazu hausgemachtes Zwetschkensorbet – sehr gut.
Und dann wäre noch die Weinkarte, die mit bis zu 700 Positionen in einer ganz eigenen Liga spielt. Viel Steirisches wird angeboten, freilich aus dem eigenen Haus. Doch auch ausländische Tropfen mit einer bemerkenswerten Jahrgangstiefe lassen Weinliebhaber und Einheimische mit der Zunge schnalzen, die gerne einmal etwas anderes kosten möchten. Für die Auswahl sind Anna Sattler und ihr Mann Thomas Ferrand zuständig, die mit Neuigkeiten aus der Provence, dem Elsass oder dem Rhonetal auftrumpfen und überraschen.
Philipp Braun
Küche●●●◐○
Atmosphäre●●●◐○
Weine●●●●●
Sattlerhof Wirtshaus
Sernau 2+2a, 8462 Gamlitz
T 03453/44 54
sattlerhof.at/wirtshaus