Esslokal

Kein Künstlerlokal, aber kunstaffin

Spoerri an den Wänden, Huber auf den Tellern – im Esslokal ist Kunst allgegenwärtig.

Foto: Herbert Lehmann

Das Kulturland Österreich, als welches es sich immer verkauft, wer sollte etwas dagegen haben? Tatsächlich findet man darin nur wenige wirklich gute Restaurants, die mit Kunst, in welcher Form auch immer, in Zusammenhang gebracht werden können. Man braucht nur eine Hand, um sie abzuzählen. Kein Nerua wie in Bilbao, auch kein Colombe d’Or sind da zu finden. Im Gegenteil: Wo Künstler verkehren und Kunst vorkommt, isst man fast ausnahmslos mittelmäßig und trinkt noch schlechter. Besserung ist keine in Sicht. Kommt aber vielleicht irgendwann. Einstweilen fährt man zum Trost nach Hadersdorf, ins ­Esslokal, das einst von Daniel ­Spoerri gegründet wurde und jetzt der gleichnamigen Stiftung gehört. Kunst oder auch die Kunst Spoerris drängt sich hier nicht auf, ist aber präsent, im Interieur und im wunderschönen Garten.

Die Arbeit Spoerris spürt man auch in manchen architektonischen Details. Viel einprägsamer aber die Arbeit von Roland Huber, der sich ausgerechnet in Pandemiezeiten hier mit seiner Frau Barbara selbstständig machte. Keine guten Zeiten für die Gastronomie, da hat die heimische Regierung gute Arbeit geleistet, und wer Pech hatte, kriegte auch kein Geld. Herr und Frau Huber haben durchgetaucht, verfolgten anfangs ein Konzept der Niederschwelligkeit und Preiswürdigkeit. Es gab Frühstück und Tapas, Letztere wurden vom lokalen Publikum nicht ganz verstanden. Man stelle sich das so vor: Der Gast bestellt ein Minigericht, also Tapa, und sitzt dann ratlos davor, weil er sich’s größer vorgestellt hat. Huber hat das Konzept der Niederschwelligkeit wieder über Bord geworfen und kocht jetzt Huber, ganz so wie früher. Auch verweigert er seinen Gästen das Ausflugsschnitzi und den Familien-Sonntagsbraten. Doch siehe da: It works.

Huber, der selbst nie Asien bereist hat, hat sich einige Details der dortigen Küche(n) angeeignet, mischt sie mit einem Hauch Südamerika und lässt Österreich und Frankreich genauso aus wie die nordische Küche. Sehr speziell, sehr gut, manches vielleicht mit einer ­höheren Dosierung von Säure noch besser. Das Top-Gericht: Black Cod, aus der Verwandtschaft des Kabeljaus, mild gewürzt, aber nicht mit Salz, sondern einer Mischung aus Sojasauce und Mirin, danach über Holzkohle sanft gegrillt, schließlich mit einer Reduktion aus Dashi, Reisessig, Sake und Trüffeljus angerichtet sowie mit einem knusprigen, bitteren Salat, der auf den Namen Frisline hört. Die Marinade des Black Cod karamellisiert leicht auf dem Feuer, es schmeckt großartig. Ein Kaisergranat von mächtiger Größe wird wie Tempura frittiert, dazu gibt es crunchigen Reis, Limettenabrieb und Erdnüsse. Chawanmushi mit Räucheraal, kombiniert mit einer Scheibe knackig-idealer Entenleber, das ist große Küche 2024, die ohne Dé­jà-vus auskommt, dafür tolles Handwerk liefert. Sommerkürbis kombiniert Huber bei den Vorspeisen mit Charantais-Melone und Bellota-Schinken und Chiliöl. Sehr schön und gut die Zitrone, die nicht wie bei Berasategui mit weißer Schokolade gefüllt ist, sondern mit einem erfrischenden Salat aus Kalamansi. Die Alternative zum Marillenknödel sieht dann in der Saison so aus: Safran, Chicorée, Marille und Topfen. Nicht ganz so klassisch, schmeckt aber. Beim Wein ist das Esslokal nicht nur am Wagram vorne, jetzt hat man sich personelle Verstärkung geholt. Friederike Duhme leitet seit Ende Juni die Weinabteilung.

Alexander Rabl

Küche ●●●●◐
Atmosphäre ●●●●◐
Weine ●●●●◐

Esslokal
Hauptplatz 16, 3493 Hadersdorf am Kamp
T 0664/88 74 70 20
esslokal.com