Immer der Nase nach

Trüffel, das verführerische Gold mit dem einzigartigen Duft, gereift verborgen in der Erde, gehandelt um Preise, die einen zum Nachdenken anregen.

TEXT von Andrea Karrer
ILLUSTRATION von Kerstin Luttenfeldner

Trüffel gehören zu den Superdelikatessen, von denen es nur eine Handvoll wie Kaviar, Hummer, Gänsestopfleber, Austern oder Kobe Beef gibt. Von allen Superdelikatessen hat jedoch nur die Trüffel eine zu hundert Prozent positive Geschichte. Das fängt schon beim Suchhund an, der sich über seine Belohnung freut, wenn er die Trüffel erschnuppert hat. Der Sucher freut sich über den Fund, und der Händler freut sich über die ausgezeichnete Qualität. Das geht dann weiter zum Koch, der freut sich über die Frische der Trüffel, die Gäste wiederum freuen sich über das Trüffelgericht. Genauso freut sich der Hobbykoch, der seine Freunde zu einem Trüffelessen eingeladen hat. Alle haben ausschließlich positive Erfahrungen und fröhliche Gesichter.

Zum anderen sind Trüffel das einzige Lebensmittel, das die Möglichkeit bietet, Speisen zu verzaubern. Das ist anders als bei Chili oder Knoblauch. Man kann dieselbe Speise mit oder ohne Trüffel zubereiten. Aber die getrüffelte Variante ist in allen Punkten attraktiver: Haptik, Nachhaltigkeit und Geschmack. Wenn man ein bekanntes Gericht nimmt und es trüffelt, hat man diesen Zauber. Man denke nur an ein einfaches Frühstücksei: Ein Ei ist eines der schönsten Lebensmittel, man kann es mit etwas Fleur de Sel genießen. Wenn das Ei dann noch getrüffelt wird, erlebt man einen unvergleichlichen Genuss. Es gibt kein anderes Lebensmittel, das diesen Zauber so bietet wie die Trüffel. Sie verbessert die Speisen, die mit ihr zubereitet oder gegessen werden, so maßgeblich, dass Profiköche sie als den stärksten legitimen Tuner der gehobenen Küche sehen. Das gilt jedoch nur für die kulinarisch wertvollen Trüffeln.

Es gibt ungefähr zweihundert Trüffelsorten, doch lediglich ein Dutzend gilt als genießbar und etwas mehr als eine Handvoll als kulinarisch vertretbares Genussmittel, doch nur zwei Arten gehören in die Königskategorie: Die weiße Albatrüffel (Tuber magnatum pico) und die schwarze Périgord-Trüffel (Tuber melanosporum vitt.). Im Grunde kann man weiße mit schwarzen Trüffeln nicht vergleichen. Saison ist ein erster Indikator für die Trüffelart. Albatrüffeln gibt es von Anfang Oktober bis Ende Dezember. Anfang Jänner beginnt die Saison für Périgord-Trüffeln, deren Höhepunkt im Februar erreicht wird. Trüffel außerhalb dieser Saison, wie etwa Sommer-, Burgunder- oder Herbsttrüffel, sind sehr viel weniger aromatisch. Das muss nicht schlecht sein, jedoch wird oft Täuschung damit betrieben. Die besten weißen Trüffeln kommen aus dem Piemont in der Gegend um Alba und aus der Emilia-Romagna, aus der Nähe von Bologna, sie wachsen auf vielen Höhenzügen in ganz Italien, im benachbarten Istrien und auch in Kroatien. Und der Duft? Es werden immer wieder nur vage Ähnlichkeiten wie etwa mit Knoblauch oder Moschus angeführt, aber die werden dem wahren Duft der weißen Trüffel in keiner Weise gerecht. Zumal der Duft nicht so spitz und beißend ist wie beim Knoblauch. Die weiße Trüffel riecht schlicht und einfach nach weißer Trüffel, das aber in vollster Konsequenz. So wie Vanille eben nur nach Vanille duftet. Beim Geschmack ist sie dagegen eher hintergründig. Man schmeckt sie – aber eher, wie man einen sanften Windhauch oder ein weiches Seidentuch auf der Haut spürt und nicht wie eine Peitsche, wie man bei dem Duft vielleicht denken könnte. Aber man sollte nicht vergessen: Das, was wir als „Schmecken“ bezeichnen, ist doch zu großen Teilen immer auch ein Riechen!

„Man sollte sie keinesfalls zu stark erhitzen. Am besten entwickelt sie ihr Aroma bei fünfzig bis sechzig Grad, und das auch nur für kurze Zeit. Also am besten nach dem Servieren die Trüffel roh über das fertige, heiße Gericht hobeln. Da der Geschmack nicht besonders kräftig ist, empfiehlt es sich, auf komplizierte oder stark gewürzte Speisen zu verzichten. Perfekt passen Gerichte, die nicht zu kräftig gewürzt sind, zum Beispiel Spiegelei mit Spinat, Polenta oder Pasta mit Oberssauce“, weiß Jaeho Jung vom koreanischen Restaurant Addiert in Wien.

In der Küche werkt ­Jaeho Jung und den Service macht seine Frau Jungyun Kim, ein junges koreanisches Ehepaar, das einige Zeit unter dem Titel Asiana Prjkt mit Pop-up-Auftritten durch Österreich tourte und sich nun den Traum vom eigenen Restaurant verwirklicht hat. Der Küchenstil ist authentisch koreanisch, europäisch und in der Welt des Fine Dining angesiedelt. „Für mich als Koch ist die Périgord-Trüffel die absolut interessanteste unter den Edel-Trüffeln. Denn sie verführt mich dazu, etwas mit ihr zu machen. Der Duft ist bei Weiten nicht so stark wie bei der weißen Trüffel.“ Da nur der Duft flüchtig ist, der Geschmack jedoch bleibt beziehungsweise an die begleitenden Speisen weitergegeben wird, eignet sich die schwarze Trüffel ideal zum Mitkochen, Mitdünsten, Mitbraten und für weitere Gartechniken – auch gerne in Scheiben oder Stifte geschnitten. Die schwarze Trüffel im Speziellen harmoniert perfekt mit winterlichen Gemüsen wie Artischocken, Schwarzwurzeln, Topinamburen oder Chicorée. Sie ist ein galanter Begleiter zu Fisch, Geflügel oder Kalbsbries. Ein Klassiker ist das „­Filetsteak Rossini“ mit gebratener Gänseleber und reichlich Périgord-Trüffel. – Und kalt obendrauf geht auch.

„Der Königsweg ist eine Kombination von ­beidem“, schwärmt Jaeho Jung.
Das Wichtigste überhaupt: Trüffeln sollte man erst kurz vor dem Verbrauchen kaufen, denn sie sollten frisch sein, das ist ein wirklich wichtiger Punkt. Man kann sie mit Erdbeeren vergleichen: Die sehen nach mehreren Tagen noch schön aus, haben aber ihr Aroma verloren. Die zweite Faustregel: Pro Portion sollte man mit zehn Gramm Trüffel rechnen, sonst sollte man es besser sein lassen. Zu wenig Trüffel ist verschenktes Geld.

Der Trüffelkauf ist Vertrauenssache. Je größer und professioneller die Händler, desto weniger sind sie selbst vor Täuschungen gefeit und desto eher sind sie gewillt, Anfänger in das Erkennen genau richtig reifer Trüffel einzuweihen.
Eine gute Alternative zur frischen Trüffel ist nur akzeptabel, wenn Tuber melanosporum auf der Dose oder dem Glas steht. Mittlerweile hat jeder bessere Supermarkt Trüffelprodukte, von Salami über Pasteten und Terrinen bis hin zu Trüffelöl, im Sortiment, die fast alle mit einer ­billigen, geschmacklosen Chinatrüffel versetzt werden, die dem Verbraucher einen Edelpilz vorgaukelt und so dem Ansehen der exquisiten Knolle schadet. Auch hier auf die lateinische Trüffelbezeichnung achten. Trüffelaroma wird, wie zigtausend andere Aromen, in der Chemiefabrik hergestellt und dann – etwa für Trüffelöl – mit Öl gemischt. Fertig.

Doch es gibt einige Bio-Produzenten, die mit echtem Trüffelaroma, das aus Trüffeln und nicht im Labor hergestellt wird, arbeiten. Das Verfahren dazu ist der traditionellen Herstellung nachempfunden: Die Trüffeln werden klein gehackt und in einem luftdichten Raum dem Olivenöl ausgesetzt. Das Ergebnis ist ein Olivenöl mit einem delikaten, echten Trüffelgeschmack – ohne den metallischen, bissigen Geruch synthetischer Trüffelöle. Es unterscheidet sich aber stark vom ­synthetischen oder naturidentischen Aroma. Es schmeckt mehr nach Trüffel, ist aber weitaus weniger kräftig, ideal für Pasta, Risotto und Erdäpfelgerichte. So eines findet man jedoch kaum im Supermarkt und schon gar nicht beim Discounter.

„Der größte Fehler beim Trüffelöl ist immer die Überproportionierung. Viel hilft viel, das ist hier völlig falsch. Einige Tropfen jedoch können ein Gericht durchaus verbessern“, empfiehlt Jaeho Jung. Was macht die Magie der Trüffel aus? Wo ist ihr Geheimnis verborgen? Jaeho Jung: „Wer eine kleine frische Trüffel in einer geschlossenen Tupperware mit rohen Eiern zwei Tage im Kühlschrank aufbewahrt, kann sich danach eine Trüffeleierspeis’ in der Pfanne braten, ohne auch nur ein Stückchen des Pilzes verbraucht zu haben. Der Duft hat die Eier durch ihre Schale intensiv durchdrungen.“ Es gibt nichts Vergleichbares. Trüffeln sind die Spoiler für alle Lebensmittel. —

Zweierlei Pilzcremesuppe mit Trüffel
Rezept von Jaeho Jung
Zutaten für 4–5 Portionen

Suppe:
300 g Shiitakepilze, geputzt
600 g Champignons, geputzt
ca. 20 g Périgord-Trüffel (im Ganzen)
200 g Knoblauch
1 l Milch
500 ml Schlagobers
1 Zwiebel
Salz, Pfeffer

Knoblauchschaum:
180 g Knoblauch, geschält, feinwürfelig geschnitten
1 l Milch
Butter und Öl und zum Anbraten

Zubereitung
Für die Suppe Shiitake und Champignons in Scheiben schneiden.
Zwiebel in einem Topf in Butter glasig anschwitzen.
Die frischen Trüffel schälen.
Hinweis: Die Schale zum Anbraten der Pilze verwenden.
In einer Pfanne die beiden Pilzsorten zusammen mit den Trüffelschalen in Butter anbraten.
Die gebratenen Pilze zur Zwiebel geben, kurz zusammen weiterbraten und mit der Milch aufgießen. Einkochen lassen.
Wenn die Flüssigkeit stark reduziert ist, die Masse mit Schlagobers und etwas Trüffelöl im Mixer fein pürieren.

Mit Salz und Pfeffer abschmecken und in einen Sahnesiphon (mit Gaspatrone) füllen.

Für den Knoblauchschaum Butter und Öl in einem Topf erhitzen, Knoblauch darin anschwitzen.
Mit Milch aufgießen und auf etwa die Hälfte einkochen lassen.
Durch ein feines Sieb passieren und als Schaum aufschlagen.

Anrichten:
Die Suppe aus dem Siphon in einen Teller spritzen.
Die verbliebene Trüffel mit einer Microplane-Reibe frisch über die
Suppe hobeln.
Zum Schluss mit dem Knoblauchschaum dekorieren.

Restaurant Addiert, Franz-Josefs-Kai 43, 1010 Wien, addiert.at