Weltkoch im Niemandsland

Natur & Konser- vierungsküche: in Großraming wird auf Weltklasse-Niveau gekocht.

Klemens Schraml grillt eine in zwei Hälften geteilte Zitrone, presst danach den Saft aus der leicht gebräunten und karamellisierten Frucht, daraus bereitet er einen Jus zum Huhn vor, welches mit einer Paste, die er aus Räucheraal gewinnt, bestrichen wird. Das Gericht schmeckt so erfrischend wie überraschend. Dazu braucht es Können und etwas Mut. Und mutig ist der Küchenchef auch gewesen, als er vor Jahren entschied, den elterlichen Gasthof am Land zum Mittelpunkt seines Schaffens zu machen. Schraml hat im Team von Thorsten Probost in Oberlech gearbeitet, er holte sich mit jungen Jahren einen Stern in Zermatt, heißt: Die Welt wäre dem jungen Küchenchef offen gestanden, er aber entschied sich für die Heimat. Er wird das Erbe erwerben, indem er es zu seiner Welt macht. Schon gleicht das Restaurant mit den nach den Vorstellungen des Chefs getischlerten runden Tischen den Vorbildern in Kalifornien oder Japan. Die Küche wurde modulartig angerichtet, Schraml arbeitet einstweilen noch fast alleine. Noch.

„Wenn ich die Mannschaft vergrößern kann, kann ich auch anders kochen,“ sagt er. Schon jetzt sitzt wirklich jedes Detail. Das Brot hat er mit einem Bäcker aus der Nachbarschaft entwickelt, es ist wirklich einmalig gut. Zum Einstieg gibt es, wenn der Gast nicht auf Champagner besteht, den im Haus produzierten Combuchont, den Schraml aus Tee gewinnt und den er sanft, aber konsequent in der Gastronomie zu vermarkten begonnen hat. Apropos Tee: Schraml arbeitet an der ersten Teeplantage der Alpen. Im kommenden Jahr soll es so weit sein. Einstweilen spielt die Umgebung und das was hier wächst und lebt, in nahezu jeder Idee eine Hauptrolle. Rehrücken verarbeitet Schraml zu einem mit viel Einfühlungsvermögen plattierten Carpaccio. Von der Idee, Fleisch zu frieren und dann hauchdünn aufzuschneiden, hält er nichts, das hat er mit den Köchen von Harrys Bar in Venedig gemeinsam. Das Carpaccio wird mit gestoßenem, geröstetem Wacholder gewürzt und einer Sauce auf Basis von Mayonnaise, die entfernt ans Original aus Venedig erinnert, serviert, köstlich, mit Frische und Säure veredelt, welche die selbst gesammelten Preiselbeeren beisteuern. Schraml ist fasziniert von der Idee der Mikrosaisonen. Eine Forelle aus dem Nachbarort verarbeitet er zu Ceviche, dazu gibt es jungen Zwiebel, Kräuter, Feigenbaumblatt und Topinambur. Jakobsmuschel hat naturgemäß einen weiteren Anfahrtsweg nach Großraming und weil Schraml das vollkommen bewusst ist, werden diese nicht „frisch“ serviert, sondern erst in dünne Scheiben geschnitten und dann getrocknet wie man einen Apfel trocknet, und gemeinsam mit in Rosé gekochten Erbsen und Molke serviert. Süße, Milchigkeit und Jod, köstlich.

Schraml sagt: „Eigentlich sind wir eine Konservierungsküche. Ich mache das auch mit kleinen Äpfeln, die ich in den Schnee lege und die dann im Februar eine spannende Konsistenz haben, wir sagen hier Lederapferl.“ Von dem, was man auf den Tellern vieler kochenden Kollegen findet, taucht kaum etwas auf der Karte Schramls auf. Aus Karotten und einer Bisque von Flusskrebsen bereitet er ein Püree zu. Das kombiniert er mit einer Scheibe einer Kalbshaxe und mit selbst produziertem schwarzem Knoblauch. Noch etwas zum Wein: Tolle Auswahl, so ideenreich wie vielfältig. Weil Schraml so gut kocht, haben sich auch schon spannende Kooperationen mit Winzern ergeben. Klar ist: Aus Großraming wird man noch viel lesen und hören.
Alexander Rabl

Küche ●●●●○
Atmosphäre ●●●●○
Weine ●●●●○

Rau
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