Der Scharfmacher

Zwischen fruchtig-würzig und ­megascharf gibt Paprika vielen ­Gerichten der österreichischen ­Küche ihren unverwechselbaren ­Geschmack.

Text von Andrea Karrer
Illustration von Kerstin Luttenfeldner

Was mit Fug und Recht als eine der beliebtesten Zutaten der Wiener Küche gelten kann, war früher als Indi(ani)scher, später auch als Spanischer, Neger- oder Türkischer Pfeffer bekannt, stammt aber in Wahrheit aus dem tropischen Amerika, von wo er 1494 nach Europa kam. Nach Wien gelangte das früher auch „Beißbeere“ genannte Nachtschattengewächs über Ungarn. Sein Genuss war mehrere Jahrhunderte lang offensichtlich nur den niedersten Ständen vorbehalten, weshalb es sich wohl als Zutat erst sehr spät in den Kochbüchern findet. 1775 wird dann in einem Gartenbuch erwähnt, dass man in Ungarn die roten langen Früchte zu Pulver mahlt und es über die Speisen streut. Die Ungarn haben den Paprika sofort ins Herz geschlossen. Während in ungarischen Kesseln längst feuriges Paprikasch köchelte und die Hirten Speck mit einer dicken Schicht Paprikapulver umhüllten, war Österreichs Köchen noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Gemüse wie das Gewürz Paprika so gut wie unbekannt. Doch das Naheverhältnis von Österreich und Ungarn brachte es mit sich, dass die Wiener Küche den Paprika in vielen Facetten bald schätzte und zahlreiche Rezepte aus den südöstlichen Kronländern übernahm, darunter auch das – etwas modifizierte – Saftgulyás, die gefüllten Paprika, das Paprikahendl und vieles mehr.

Erst in den vergangenen 100 Jahren haben sich durch intensive Züchtungsversuche die relativ milden, mehr oder weniger capsaicinfreien großfrüchtigen Sorten entwickelt, wie sie uns heute bekannt sind und die man als Gemüse verzehren kann. Bis zu diesem Zeitpunkt handelte es sich beim Spanischen Pfeffer ausschließlich um brennend scharfe, pfefferartige Früchte, wie sie für die Gewürzgewinnung verwendet werden. Heute wird die an Licht und Wärme hohe Ansprüche stellende Paprikapflanze im Freiland als Sommerkultur in zahlreichen Ländern mit heißem und sonnigem Klima angebaut. Zu den wichtigsten Anbauländern zählen Italien, Spanien, Südfrankreich, Griechenland, Israel, ­Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Ex-Jugoslawien sowie etliche afrikanische, asiatische, mittel- und südamerikanische Länder.

In den 1930er- bis 1940er-Jahren beschäftigte sich der österreichische Gemüsezüchter Ladislaus Kopetz intensiv mit Paprikaanbau sowie Paprikaselektion in Neusiedl. Die Nachfrage nach Gemüsepaprika stieg und das Burgenland bot gute Voraussetzungen für die Kultur dieses „Südgemüses“. Ein Hauptkriterium bei der Züchtung war die Auslese frühreifer, freilandtauglicher Sorten, eine wichtige Züchtung dieser Jahre ist der „Neusiedler Ideal“, der bis heute noch auf manchen Märkten erhältlich ist. Vielen Konsumenten ist nicht bekannt, dass rote und grüne Pap­rikafrüchte nicht unterschiedliche ­Sorten, sondern nur verschiedene Rei­fegrade des Paprikas sind. Die „Marktreife“ hatte der „Neusiedler Ideal“, wenn er voll entwickelte, aber grüne Früchte trug. Der Vorteil lag darin, dass die Gärtner früh den Markt damit beliefern konnten. Vollreife, rote Paprika kamen damals seltener auf den Markt. Neben dem grünen Paprika gab es vereinzelt auch spitze, weißfrüchtige Sorten, sogenannte Wachspaprika (zum Beispiel der „Wiener Wachs“). Diese Sorten befanden sich aber nur kurz auf den Sortenlisten. Ob es die mangelnde Kundennachfrage oder ungünstige Anbaueigenschaften waren, ist nicht genau zu sagen. Erst neuerdings werden Wachspaprika als Frischgemüse wieder stärker angeboten, doch stammen sie vorwiegend aus Ungarn oder der Türkei.

Obgleich auch oft und gern „Paprikaschoten“ genannt, sind die Früchte der einjährigen, krautigen Pflanze, die 30 bis 100 cm hoch wird, botanisch gesehen Beeren, die in Form, Farbe und Größe sehr unterschiedlich sein können. Paprikafrüchte erreichen Faustgröße und bis zu 250 g Gewicht, sind flachrund, kugelig, walzen- bis kegelförmig, herz- oder trapezförmig, stumpf oder spitz auslaufend. „Vor der Zubereitung halbiert man die Früchte, entfernt Kerne, Scheidewände und die bitteren Rippen, wäscht das Gemüse und schneidet es – je nach Rezept – eventuell in Würfel oder feine Streifen“, weiß Andreas Wojta, der bekannte Fernsehkoch und Inhaber des Minoritenstüberls im Unterrichtsministerium. „Empfindlichen empfiehlt sich das Abziehen der etwas schwer verdaulichen Haut“, fährt Wojta fort. Sehr aromatisch schmecken Paprika, wenn man sie vor dem Schälen grillt. Dafür den Backrohrgrill etwa 20 Minuten vorheizen (250 °C), damit die Paprika gegrillt und nicht „gekocht“ werden. Rohe Paprika waschen, halbieren oder vierteln, entkernen und mit der Schnittfläche nach unten (die Paprikastücke sollten möglichst flach aufliegen) auf ein mit Alufolie ausgelegtes Backblech legen. Auf der höchstmöglichen Schiene einschieben und sieben bis zehn Minuten grillen, bis sich die Haut dunkel bis schwarz verfärbt und Blasen wirft. Das Blech aus dem Rohr nehmen und die Paprika sofort gut mit Alufolie zudecken oder in einen Plastiksack geben, damit die Paprika nachdampfen. Nach etwa 30 Minuten lässt sich die Haut mit einem kleinen Messer gut abziehen. Eine weitere Methode: Die Paprikaviertel in einem Topf mit kochendem Wasser übergießen und im heißen Wasser kurz ziehen lassen. Anschließend abseihen und in Eiswasser abschrecken. Nun lässt sich die Haut mit einem Küchenmesser abziehen. „Wenn Sie Paprika schälen, aber dennoch roh genießen möchten, sollten Sie die Schale mit einem Sparschäler oder einem scharfen Schälmesser entfernen. Am besten funktioniert das bei Paprika, die sehr frisch, fest und knackig sind. Je weicher die Schale der Paprika ist, desto schwerer geht das Häuten mit dem Sparschäler von der Hand. Lange Spitzpaprika haben außerdem eine meist zu dünne Schale, um sie mit einem Sparschäler zu schälen“, weiß Andi Wojta.

Heute ist Paprika weltweit eines der meistangebauten Gewürze. Ob frisch oder getrocknet, ganz oder pulverisiert, auch getrocknet und geräuchert wie die aus dem Jalapeño-Paprika gewonnene Chipotle-Paprika, die zum Bestandteil scharfer Saucen wird, die allgemein als Würze verwendet werden. Auch gibt es spezielle Verzehrbräuche: In Vietnam ist es üblich, während des Essens einen ganzen Paprika zu knabbern, während man auf Martinique ein oder zwei Habaneros – eine extrem scharfe Paprikaart – aufschneidet, um sie über Speisen zu streuen. Spaghetti aglio, olio e peperoncino in Italien, Gulyás in Ungarn und Huhn Gong bao in China sind Spezialitäten, die von der immensen Verbreitung des Paprika zeugen – nicht zu vergessen die heute für die indische und thailändische Küche typische, endlose Vielfalt von Currys.

Der Geschmack, das Aroma und der Schärfegrad von Paprikapulver hängen von der Sorte, dem Reifegrad beziehungsweise Erntezeitpunkt, der Verarbeitungstechnik, der verarbeiteten Teile und dem Ursprungsland ab. Es wird in den Sorten Spezial (süß-aromatisch, fein gemahlen), Mild (hellrot, nicht scharf, etwas gröber gemahlen), Delikatess (dezent-scharf, mittelgrob gemahlen), Edelsüß (dunkel, leicht scharf, mittelgrob gemahlen), Halbsüß (hellrot, leicht scharf, mittelgrob gemahlen), Rosenpaprika (grellrot, ziemlich scharf, mittelgrob gemahlen) und Scharf (ziegelrot-bräunlich, sehr scharf, eher fein gemahlen) angeboten. Paprikaflocken sind geschrotete getrocknete ­Paprika. Durch die gröbere Vermahlung hält sich das Aroma wesentlich länger als in herkömmlichem Paprikapulver. Geräuchertes Paprikapulver ist viel intensiver und aromatischer in Geschmack und Geruch. Sein unverwechselbares Raucharoma entsteht durch das lange Räuchern der Frucht über Eichenholz; gibt es in Edelsüß und Scharf. Paprika wurde zu einem Welterfolg. Er ist leicht zu produzieren, zu konservieren und zu transportieren (getrocknet auch über weite Strecken). Außerdem wird Paprika nur in sehr kleinen Mengen zum Würzen von Speisen benötigt. Ein Vorzug, der vor allem in Europa zum Tragen kam, wo scharfe Gewürze früher selten und importierter schwarzer Pfeffer sehr teuer war. Dank dieser Eigenschaften wurde die Gattung Paprika (Capsicum), zu der auch Chilis und Peperoni zählen, schon früh in weiten Teilen der Welt vertrieben und zu einem der ersten Beispiele für globalisierten Handel. —

Gefüllte Paprika
mit Paradeisersauce

Rezept von Andreas Wojta

Zutaten für 4 Personen
2 Semmeln
2 Zwiebeln
3 Knoblauchzehen
1 dickere Scheibe Bauchspeck, in
kleine Würfel geschnitten
Schmalz oder Öl
1 kg gemischtes Faschiertes (Schwein und Rind)
2 EL scharfer Senf
Salz
Pfeffer
1 EL getrockneter Majoran
4 Eier
4 EL Semmelbrösel
8 mittelgroße grüne Paprika

Für die Paradeisersauce:
1 l Wasser
6 EL Paradeisermark
Salz
Zucker

Zubereitung
Semmeln in lauwarmem Wasser einweichen und gut ausdrücken. Zwiebeln und Knoblauch schälen, beides kleinwürfelig schneiden. Zwiebeln, Knoblauch und Speck in erhitztem Schmalz glasig anrösten, die Semmeln beifügen, kurz durchrühren; von der Hitze nehmen und faschieren. Die Masse mit dem Faschierten vermengen, mit Senf, Majoran, Salz und ­Pfeffer abschmecken. Eier und Brösel beifügen und alles gut vermengen.

Paradeisersauce: Wasser aufkochen, Paradeisermark zufügen und mit Salz und Zucker abschmecken; Sauce
bis zur gewünschten Konsistenz einkochen lassen.
Inzwischen: Paprikaschoten waschen, rund um den Stiel einschneiden, Stiel herausziehen, weiße Samenkörner entfernen. Hinweis: Stiel bis zur ­Weiterverarbeitung zur Seite geben. Paprika mit der Fleischmasse füllen und Stiel verkehrt als Verschluss in die Öffnung drücken.
Gefüllte Paprika in eine feuerfeste Form setzen und im vorgeheizten Rohr bei 170 °C ca. 30 Minuten braten. Fertige Paradeisersauce über die ­Paprika gießen und am besten mit Erdäpfelpüree oder Reis servieren.

Minoritenstüberl
Minoritenplatz 5, 1010 Wien
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