Nicht immer blaumachen
Man kann sie in Essigwasser blau garen oder nach Art der Müllerin braten. Man kann die Forelle aber auch für elaboriertere Zubereitungen verwenden.
Text von Andrea Karrer
Illustration von Kerstin Luttenfeldner
Es gibt nicht nur glückliche Schweine und glückliche Hühner. Es gibt auch glückliche Forellen. Diese hier sind es offensichtlich. „Über einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren kümmern wir uns rund um die Uhr um die Forellen – sie sind Teil unserer Familie“, erklärt Andrea Jobst von der Fischerei Jobst in Greifenburg im Kärntner Drautal. Die Fische wachsen dank der hauseigenen größten kalten Mineralwasserquelle Österreichs, der Mühlnerquelle, zu 100 Prozent im Familienbetrieb auf. „Damit die Fische vital und gesund sind, passen wir regelmäßig die Strömung an die Körpergröße der Forellen an: Je kleiner der Fisch, desto geringer muss auch die Strömung sein. So geben wir den Fischen immer die Möglichkeit, das zu tun, was sie am besten können – schwimmen; und letztlich auch richtig gut schmecken.“
Die Fische werden mit der japanischen Ikejime-Methode geschlachtet, die zu einem besonders zarten Filet führt und für die Fische äußerst stressfrei und tierschonend ist. „Der Fisch wird durch einen gezielten Stich ins Gehirn getötet“, erklärt Lukas Nagl, bekannt aus dem Restaurant Bootshaus im Hotel Das Traunsee in Traunstein. „Das mag sich brutal anhören, ist aber tatsächlich für den Fisch viel schonender als konventionelle Schlachtungsmethoden.“ Immer mehr Köche entscheiden deswegen, nach der Ikejime-Technik zu schlachten. In Japan werden die Fische dafür bis zu 24 Stunden in ein kleines Becken gesetzt, der Fisch soll sich entspannen. Ein Schnitt an den Kiemen und einer am Schwanz in die Arterie sorgen für das schnelle Ausbluten im kalten Wasser. Der Vorteil dieser in ganz Japan praktizierten Methode: Die Totenstarre und die damit verbundene Milchsäureausschüttung ins Gewebe, die später für einen „fischigen“ Geschmack sorgen können, werden hinausgezögert. Das Ausbluten verändert die Konsistenz und den Geschmack des Fisches, er bleibt auch länger haltbar. „Der Geschmack ist viel klarer, purer und eleganter“, meint Lukas Nagl. Die Perfektion der japanischen Küche hat es dem Koch angetan, ebenso wie die Philosophie, die dahintersteckt: alles im Sinne des Genusses durchzudenken. Seit ein paar Jahren produziert er außerdem mit seiner Firma Luvi Fermente Sojasaucen, Traunseefischsaucen und Misos, die er großzügig in seiner Küche einsetzt. Sie sind nämlich oft genau das, was mitunter etwas widerspenstige Süßwasserfische wie Forellen brauchen.
„Ich lege Fisch gerne in Salzlake ein. Auf einen Liter Wasser kommen drei Prozent Salz und ein Prozent Zucker, so lautet das Verhältnis. Dann ist der Fisch keimfrei und leicht gebeizt. Er gart dadurch auch nicht so schnell und wird wunderbar saftig. Danach kann man ihn auf der leicht mehlierten Hautseite anbraten. Zuerst mit Öl beginnen und erst zum Schluss eine Flocke Butter dazugeben. Wenn der Fisch sich nach oben biegt, kurz umdrehen, die gebräunte Butter darübergeben, und fertig ist der perfekte Genuss“, so Nagl. Überhaupt kommen seine Teller nie kompliziert oder mit zu viel Chichi daher, er konzentriert sich lieber auf den guten Geschmack. So wird etwa Seeforelle heiß geräuchert und mit Blatt sowie Wurzel von der Petersilie angerichtet. Die auffallend frische, fein säuerliche Vinaigrette verdankt ihre Aromatik Rotem Holunder, der erst in einer Höhe ab 1.600 Meter wächst.
Das Thema Nachhaltigkeit ist Nagl wichtig, vom Kopf bis zur Gräte: „Letztens habe ich eine fünfeinhalb Kilo schwere, etwa zehn Jahre alte Seeforelle bekommen. Die Seeforelleninnereien, also Leber und Herz, habe ich kurz gebraten auf Zwetschkensauce serviert, das Rückenfilet wurde zu Sashimi, ein Teil mit Fischsauce zu Tatar gehackt. Den Fischkopf habe ich in hausgemachtem Reiswein gedämpft, das etwas fettere Bauchfleisch klassisch im Rohr gebraten. Die Haut wurde gekocht, getrocknet und dann zu knusprigen Chips frittiert. Auch der Milchner wurde frittiert und als Snack mit Mayonnaise gereicht. Zum Abschluss kam die Suppe aus der Gräte.“
Forellen werden nach ihrem Lebensraum in Meerforelle, Seeforelle und Bachforelle unterteilt. Meerforellen leben meist im Salzwasser und wandern zum Laichen die Flüsse hinauf. See- und Bachforellen sind reine Süßwasserfische. Die bekannten Regenbogenforellen waren ursprünglich Salzwasserfische, stammen heute aber in der Regel aus Süßwasserzucht. Zum Geschmack dieser Fließbandforellen sollen hier nicht viele Worte verschwendet werden, doch sei so viel verraten, dass er sich zum Aroma echter, frisch gefangener Forellen verhält wie jener von Sägemehl zu dem frischer Bambussprossen. Rein zoologisch gesehen zählen alle Forellen zu den Lachsfischen, den sogenannten Salmoniden. Zu den Regenbogenforellen gehört auch die Lachsforelle. Sie bekommt spezielles Futter mit Farbstoffen, damit sich ihr Fleisch zart rosa färbt. Exemplare mit bis zu 80 Zentimetern Länge und einem Gewicht von zehn Kilogramm sind keine Seltenheit.
Lukas Nagl vertritt die Meinung, dass man Fisch nicht immer so frisch wie möglich servieren muss, sondern experimentiert auch mit Reifung, eben so, wie man es vom Rindfleisch kennt. „Kurz gefasst geht es darum, Aromen und Konsistenz zu komprimieren, indem man den Wassergehalt reduziert, ohne dass das Fleisch dabei zu trocken wird.“ Dry-aging wird immer mit Rindfleisch in Verbindung gebracht. Zu Unrecht, denn Pioniere wie Andreas Jobst zeigen, dass auch Fisch erst durch Trockenreifung sein volles Potenzial entfaltet. „Mindestens vier Jahre lang wachsen die Forellen, die wir zu Dry-aged-Forellen veredeln, in unseren Teichen, bis sie ein Gewicht von fünf bis sechs Kilo erreichen. Sie werden mit der japanischen Ikejime-Methode geschlachtet, ohne Wasser ausgenommen, gereinigt und abgetrocknet. Anschließend kommen sie für mindestens 21 Tage zum Abhängen in unseren Reifeschrank, bis sie den perfekten Reifegrad erreicht haben.“ Durch diese spezielle Trockenreifung erhält die Forelle eine einzigartige Aromenvielfalt und eine zarte Textur. „In der Zeit verlieren sie rund zwei Kilo, dafür schmecken sie umso intensiver. Durch das Reifen werden jene Aromen des rohen Fischs hervorgehoben, die man in den ersten drei Tagen nach dem Fang kaum schmeckt“, schwärmt Nagl. Verwendet werden können die Forellenfilets dann wie jene von frischen Fischen: „Als Sushi und Sashimi, gebraten oder gegrillt. Beim Grillen gibt es auch den Vorteil, dass die Haut am Grill nicht kleben bleibt.“ —
Forellen-Matjes
Rezept von Lukas Nagl
Zutaten
1 kg Forelle (im Ganzen, ohne Kopf, zimmertemperiert)
5 l Wasser
280 g Salz
180 g Zucker
4 Zwiebeln, geschält und in Ringe geschnitten
4 Lorbeerblätter
10 g Senfkörner
6 Wacholderbeeren
2 Knoblauchzehen, geschält
8 Pfefferkörner
je 1 TL Fenchel, Koriander und Anis
50 g Papayakerne
Für die Öllake:
1 l Sonnenblumenöl
6 Lorbeerblätter
Fenchel-, Pfeffer- und Senfkörner
5 Wacholderbeeren
Zubereitung
Für die Salzlake Salz und Zucker im Wasser auflösen. Die Gewürze leicht rösten und dazugeben. Zwiebelringe beifügen und alles ein Mal aufkochen. Auf ca. 30 °C abkühlen lassen. Die Papayakerne auf 70 °C erwärmen und anschließend in die warme Flüssigkeit geben.
Forellen einlegen und bei Zimmertemperatur für 6 Stunden komplett zugedeckt ziehen lassen. Hinweis: Die Zimmertemperatur hilft beim Start der Arbeit des Papain der Papayakerne. Anschließend in den Kühlschrank bei 7 °C drei Tage reifen lassen.
Wichtig: Die Lake täglich immer wieder umrühren und sicherstellen, dass der Fisch mit Flüssigkeit bedeckt ist.
Am dritten Tag sollte man die Mittelgräte der Forelle von der Bauchseite her einfach herausziehen können, inklusive aller anderen Gräten. Als Doppelfilet wieder in die Lake legen und für weitere zwei Tage darin reifen lassen. Danach herausnehmen und mit einem sauberen Tuch trocken tupfen. In ein Gefäß mit neutralem Sonnenblumenöl und den Gewürzen legen; im Kühlschrank zugedeckt lagern. Ordentlich und sorgfältig produziert, sind die Forellen-Matjes für mindestens zwei Wochen im Kühlschrank haltbar. Auch Einfrieren im Öl ist möglich.
Adressen
Bootshaus
Klosterplatz 4
4801 Traunkirchen
dastraunsee.at
Forellen Jobst
Bruggen 25
9761 Greifenburg
forellen-jobst.at