Zeit für Lamm

Lamm von verantwortungs- vollen österreichischen Züchtern ist im Frühsommer das favorisierte Fleisch in den guten Küchen.

Foto von Michael Reidinger
Text von Claudia Schemerl-Streben

Sobald die großzügig angelegte Weidefläche nahe des tiefblauen Traunsees im Salzkammergut kein saftiges Gras mehr hergibt, wird die 30-köpfige Schafherde unrund. In Geduld sind die sonst so friedlichen Tiere, ein bunter Rasse-Mix aus Suffolks, Dorpers, Juras und Merinos, nicht geübt und teilen ihren Unmut zunächst durch kollektives, lautstarkes Blöken mit. Orten sie keine Besserung der Lage, werden einige Schafmitglieder erfinderisch. Gemeinsam durchbrechen die Mutigsten den Zaun und machen sich selbstbestimmt über die nächsten Halme, Blätter und Blüten her. „Lange suchen muss man die Ausreißer nicht, meist sind sie nur ein paar Hundert Meter von der Weide entfernt“, erzählt Sabrina Gnigler, die weiß, dass es ihren Schützlingen manchmal nicht schnell genug gehen kann, bis ihre Weide neu umgesteckt wird. Gemeinsam mit ihrem Mann Florian hat Gnigler seit 2019 schrittweise den 200 Jahre alten Hof ihrer Schwiegereltern im oberösterreichischen Rutzenmoos übernommen. 200 Mutterschafe besitzen die beiden Jungbauern, die 365 Tage im Jahr von, mit und für ihre Tiere leben und die Spitzengastronomie in ganz Österreich mit ihrer Ware beliefern.

Während den Tieren, die in bis zu neun Mutterschaf-Gruppen eingeteilt sind, in den Wintermonaten ein geräumiger, luftiger Stall am Hof zur Verfügung steht, sind sie während der warmen Jahreszeit unter freiem Himmel anzutreffen. Insgesamt stehen den Herden dafür an die zwanzig ausgesuchte Weiden mit malerischer Bergkulisse zwischen Traun- und Attersee zur Verfügung, die zum Teil mittels Elektrozaun umgesteckt werden können, zum Teil mit Holzzäunen befestigt sind und den Tieren mit Baumgruppen, Holzhütten oder alten Ladewägen mit Eigenbau-Dachkonstruktion unterschiedlichen Unterstand als Schutz vor Regen oder starker Sonne bieten. „Bei fix umzäunten Weiden muss man die Schafe regelmäßig umsiedeln, damit sie wieder an frisches Gras kommen“, sagt Sabrina Gnigler. Meist schon alle fünf Tage sind die abgesteckten Flächen feinsäuberlich gemäht und Gnigler mit ihrem Pkw samt Anhänger im Dauereinsatz zwischen den unterschiedlichen Weiden auf Tour, um alle Tiere in mehreren Etappen zum nächsten Selbstbedienungsbuffet zu chauffieren.

Während vor der Hofübernahme ausschließlich weiße Merinoschafe in Rutzenmoos gezüchtet wurden, ist es heute ein Mix aus Rassen, der im Stall und auf den Wiesen lebt: „Wir haben uns bewusst gegen Reinrassigkeit entschieden und kreuzen verschiedene Fleischrassen miteinander, weil das zu einer gesunden, robusten Herde führt. Wichtig ist uns allerdings, dass es vor allem asaisonale Rassen sind, sodass die Schafe in zwei Jahren drei Ablammungen (Geburten) haben.“ Neben weißen, wolligen Merinos sind es vor allem Mischlinge aus mittelgroßen dunkelbraunen Jura-Schafen, Dorpers (mit weißwolligem Körper, schwarzem Hals und Kopf) und Suffolks, die durch ihren schwarzen Kopf mit abstehenden Ohren und ihre tiefschwarzen Beine auffallen. Für eine gesunde Genetik ziehen regelmäßig neue Böcke auf den Hof, für die die beiden Züchter stets im intensiven Austausch mit anderen österreichischen Bauern über eine WhatsApp-Schaf- und -Ziegen-Gruppe stehen. Zur täglichen Arbeit von Sabrina Gnigler zählt auch die Betreuung von Flaschenlämmern. „Die Zwillingsrate ist hoch, und wenn ein Lämmchen schon im Gras liegt, während das zweite erst zur Welt kommt, erkennt die Mutter das erste oft nicht mehr als ihr eigenes.“ Dann ist Gniglers Einsatz als Hebamme gefragt, und sie versorgt die Jungen mit Ziegenmilch – und das alle zwei Stunden. „Das ist zeitintensiv und bedeutet die ersten Tage nach der Geburt wenig Schlaf“, verrät sie.

Langsam wachsen
Zwei bis drei Monate verbringen die Lämmer gemeinsam mit ihrer Schafmutter und übersiedeln ab einem Gewicht von 20 bis 25 Kilogramm von der Weide in den Stall samt Auslauf, wo sie mit Heu, Silage und Getreide gefüttert werden. Eine Intensivmast kommt für die beiden Jungbauern nicht infrage. Während Schafe in konventionellen Betrieben mit Kraftfutter und reiner Stallhaltung schon in drei Monaten ein Schlachtgewicht von 42 Kilogramm erreichen können, sind für die Gniglers extensive Weidehaltung und langsames Wachstum Standard. Auf ihrem Bio-Hof dürfen die Tiere sechs bis sieben Monate verbringen. Auch Transportwege zu einem Schlachthof sind tabu. Deshalb wurde in einen eigenen Schlachtraum investiert, der den Stress für die Tiere auf ein Minimum reduziert.
Wenig überraschend ist die Bestellliste der Gniglers voll mit bekannten Namen: Lammrücken ist stets für das Landhaus Bacher in Mautern und das Bootshaus am Traunsee reserviert (Lukas Nagl kommt ohnehin gerne persönlich vorbei, um Gästen die Idylle am Bio-Hof zu zeigen). Das Linzer Restaurant Rossbarth hat gerade erst 200 Lammzungen bestellt, und Lukas Mraz vom Mraz & Sohn aus Wien ordert stets zwei Lämmer im Ganzen.

Milch aus der Leitung
Von Spitzenköchen abgeholt oder per Kühltransport verschickt wird Lammfleisch von der Familie Nuart im Kärntner Mittertrixen. Hauptstandbein des Vorzeigebetriebs ist die Käseproduktion aus Schaf-Rohmilch. Schon immer gehört auch der Verkauf von Lamm dazu. „Wer die Milch verwertet, muss sich auch überlegen, was mit dem Tier passiert, das dafür auf die Welt kommt.“ Jedes Frühjahr ziehen aus dem 27 Kilometer entfernten Partnerbetrieb am Haberberg in mehreren Etappen 180 Lämmer in den Stall von Daniel und Eva Nuart ein. „Das ist die arbeitsintensivste Zeit, weil mit der Geburt der Lämmer einerseits die Käseproduktion wieder anläuft und andererseits die Tiere von uns aufgezogen werden.“ Die Lämmer, eine Kreuzung aus der weißen Milchschafrasse Lacaune – sie hat ihren Ursprung in der Bergregion von Lacaune in Südfrankreich – und Schweizer Jura-Schafen mit rotbrauner bis schwarzbrauner Wolle, wachsen gemeinsam auf dem Bauernhof auf. Sie sind aber nicht die einzigen Tiere am Hof. Wenige Meter vom Stall entfernt suhlen sich Weideschweine genüsslich im Gatsch. Ihnen wird täglich die Schafsmolke als Proteindrink zum Futter angeboten. Laufenten sind als verlässliche Schneckenpolizei im Einsatz, und Hühner, ein bunter Mix aus Rassen und wilden Kreuzungen, decken den privaten Verbrauch an Eiern der Großfamilie, von der vier Generationen am Hof leben. Während Eva Nuart die „uneingeschränkte Herrscherin“ über die Käseproduktion ist, kümmert sich Ehemann Daniel um die Landwirtschaft und das Wohl der Tiere.

Zu fünfundzwanzigst werden die etwa zehn Tage alten Neuankömmlinge zunächst nebeneinander in mit Holz abgetrennten Boxen großgezogen. „Das sorgt für Chancengleichheit im Stall. Wären die Schwächeren gemeinsam mit stärkeren, größeren Schafen untergebracht, würden sie den Kürzeren ziehen und nicht an die Milchsauger der Ad-libitum-Tränke (aus ihnen können sie selbstbestimmt und wann sie wollen trinken) herankommen.“ Dafür wurde von Daniels Schwiegervater ein ausgeklügeltes System entwickelt, sodass die Flüssigkeit aus einem Hochbehälter-Koloss über einen Schlauch hinunter in den Stall fließt und den Lämmern 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht. Bis zu acht Wochen werden die Tiere mit Milch versorgt, die Nuart von drei Bio-Bauernhöfen bezieht und von denen er in der Hoch-Zeit und bei ausgeprägtem Durst der Lämmer 1.000 Liter Kuhmilch am Tag abholen muss.

Dann beginnt die heikelste Phase: Die Tiere werden langsam auf Getreide umgestellt und die Milch immer mehr mit Wasser verdünnt. „In dieser Zeit muss man jeden Tag in den Stall gehen, sich zwischen die Tiere setzen und sie genau beobachten. Manche fressen dann zu viel. Das belastet ihren Darm, wodurch Krankheiten entstehen können und wir im schlimmsten Fall Tiere verlieren. Für uns war es ein jahrelanger Lernprozess, weil in der Theorie alles klar ist, aber in der Praxis dann plötzlich gar nicht.“ Ist die Umstellungsphase, die ein bis zwei Wochen beansprucht, geglückt, wird die Stall-Inneneinrichtung, die aus Holzelementen besteht, komplett umgestaltet, Trennelemente werden aufgeschraubt und die Milchleitung abgebaut. Hat Nuart die Ein-Mann-Mission abgeschlossen, teilen sich die 180 Schützlinge gemeinsam den großen geräumigen Stall. „Lässt es die Witterung zu, öffnet sich die Stalltür zu unserem Obstgarten und sie sind im Verbund quer über Stall und Weide verteilt, wie und wann sie wollen.“ Amüsant ist dann, unterschiedliche Eigenheiten zu beobachten, die sich manche Jungtiere in ihrer Zeit als Kleingruppe angewöhnt haben: „Einige beharren auf ihren ursprünglichen Futtertrogplatz im Stall und protestieren lautstark, wenn sie ihn nicht kriegen. Wiederum andere, die zwanzig Mutigsten der Herde, sind ständig draußen und fordern die anderen im Stall blökend auf herauszukommen, während die Schafe im Stall nach ihren unerschrockenen Kollegen im Obstgarten rufen. Der unüberhörbare Austausch unter den Schafen sorgt auf unserem Hof somit regelmäßig für amüsante Unterhaltung“, erzählt der Lamm-Auskenner, dessen Zuneigung zu den Tieren man sofort spüren kann, wenn er über sie spricht.

In den Genuss des klangvollen Soundteppichs der Tiere kommt auch Roman Pichler, der im nur 17 Kilometer entfernten Grafenstein im Restaurant Moritz mit ausgewählten Produkten aus der Region hantiert und großen Wert auf den persönlichen Kontakt zu seinen Lieferanten legt. Bei Eva und Daniel Nuart kauft er neben Käse und Joghurt auch im Zweiwochentakt ganze Lämmer und wird damit seinem eigenen Anspruch gerecht, stets alles vom Tier zu verwerten. „Wir wollen dem Gast zeigen, was man aus einem ganzen Lamm machen kann.“ Wenn Pichler sogenannte Edelteile wie Lammrücken serviert, können sie somit nur kurz auf der Speisekarte stehen.

„Bei unserer Art von Bestellung ist jedes Stück limitiert vorhanden. Wir stellen unsere Menüs daher auch nicht auf die Website, damit ich die Freiheit habe, zu verarbeiten, was gerade verfügbar ist.“

Nur ein einziger Fleischgang findet sich auf der gemüselastigen Speisekarte des Spitzenkochs, der sich experimentierfreudig gibt und seinen Gästen auch Lammhals serviert: „Der Hals ist ein Lieblingsteil von mir. Er ist irrsinnig saftig, zergeht im Mund und hat einen buttrigen Geschmack. Natürlich ist ein gebratener Lammrücken mit knuspriger Kruste sehr gut, aber Hals ist eben etwas Besonderes.“ Als Zwischengang wird er vom Spitzenkoch etwa bei niedriger Hitze im Smoker geräuchert und mit Spitzkraut und fermentierten Karotten zum Gast geschickt. Oder zunächst sous-vide gegart, im Anschluss scharf angegrillt und mit einer Sauce von Suave-Chili (eine Habanero-Sorte ohne Schärfe, aber mit ausgeprägtem Fruchtaroma und subtiler Süße) kombiniert, die im groß ­angelegten Garten vor seiner Restauranttür wuchert. Selbst für Innereien, die seine Gäste mehrheitlich bei der Menübestellung für sich ausschließen, findet er Verwendung: „Wir kochen sie stark mit Gewürzen, Portwein, Madeira-Sherry und Rotwein ein, mixen und passieren sie, um sie dann in unseren Apéros als Pasten einzusetzen.“ Wenn Pichler sie dann zu frittierten Erdäpfel-Beignets und eingekochten Spitzpaprika als Happen austeilt, verfliegen die Animositäten gegenüber den inneren Werten augenblicklich.

Spitzenkoch beliefert Spitzenkoch
Bei Manuel Ressi im rund 100 Kilometer entfernten Bärenwirt in Hermagor sind die Gäste deutlich aufgeschlossener. „Wenn wir geröstete Leber vom Lamm als Tagesgericht auf die Tafel schreiben, wissen wir, dass wir in einer halben Stunde voll sind und die Leber ausverkauft ist.“ Ressi, ehemals rechte Hand von Heinz Reitbauer im Wiener Restaurant Steirer­eck und heuer zehn Jahre kochender Wirt in seiner Kärntner Heimat, hat gleich mehrere Quellen für Lammfleisch parat, kauft bei einem Bio-Bauern auf der Saualm im Lavanttal, beim Bio-Hof Echt Kraß und einem Bauern, der sich eine Zeit lang in die Produktion von Schafmilchbutter vertieft hat, „ein Wahnsinns-Produkt“. Beliefert wird der Spitzenkoch auch von Spitzenkoch Hannes Müller am Weissensee, der ihn mit Fleisch vom Krainer Steinschaf versorgt (charakteristisch kleine Schafe mit Zottelwolle), das Ressi besonders schätzt:

„Die sauren Wiesen am Weissensee schmeckt man im Fleisch, aber natürlich ist auch die Rasse ausschlag­gebend für die Feinfasrigkeit und den zarten Geschmack.“

Von Müller nimmt Ressi so viel Lammfleisch, wie er bekommen kann, und zerlegt es in seiner Küche fachmännisch in nur fünfzehn Minuten. In selbstgemachten Ravioliteig füllt er dann etwa Lamm-Faschiertes und serviert die Pasta mit einer luftigen Sauce, bei der er gekonnt mit einem traditionellen Rezept jongliert und die Villacher Kirtagssuppe durchdekliniert: Sie lebt von Safran, Petersilie und Basilikum und bringt gemeinsam mit dem Lammfleisch, das sonst im Original als Einlage in der Suppe schwimmt, den Kärntner Urgeschmack auf den Teller. Geschmort füllt Ressi das Fleisch samt cremiger Polenta und Thymian in ein Strudelblatt, das in seinen Händen eine Kugelform annimmt. „Sticht man mit der Gabel hinein, kommt der ganze Duft an Aromen heraus.“ Gleich mehrere Teilstücke vom Lamm – rosa gebratener Rücken, mit Speck umwickelte Leber und geschmorter Hals – steckt Ressi auf einen Holzspieß, bestreicht die Stücke mit Lammfleischfarce und wälzt alles final in Rosmarinbröseln, bevor er den Spieß auf allen Seiten anbrät und im Anschluss (ohne Spieß) mit Radieschensalat, einem Süße-Säure-Spiel durch Lindenblüten-Oxymel und Lindenknospen kombiniert als Gericht serviert.

Vor fünf Jahren hat sich der Salzburger Spitzenkoch Andreas Döllerer auf die Suche nach dem geschmacklich besten Lamm gemacht. Dazu wurde gemeinsam mit einem wagemutigen Züchter ein Experiment gestartet und elf Jungschafe unterschied­licher Rassen wurden für mehrere Monate auf Almwiesen über 2.000 Metern Höhe ins Tiroler Windachtal gebracht. Im folgenden Frühjahr fand dann eine Blindverkostung statt. Auch wenn das Tiroler Bergschaf in nahezu allen Bereichen Bestnoten kassierte, brachte die Feldstudie unterschiedliche Ergebnisse, denn der Geschmack des Fleisches der jeweiligen Rasse differierte trotz gleicher Bedingungen auf der Weide und demselben Futterangebot.

„Deshalb kann Lammfleisch von irischen Salz­wiesen durchaus sehr gut, aber nicht gezwungenermaßen das beste sein, weil es eben auch auf die Genetik ankommt.“

Für die Küche des ausgewiesenen Alpinkochs aus Golling ist die Wahl auf das Stein- und das Juraschaf gefallen – Rassen, die Döllerer über Tauernlamm bezieht und die seiner Küchen-DNA entsprechen. „Beide Lammrassen waren bei der Verkostung ganz vorne dabei. Da sie in den Hohen Tauern auf der Alm leben und viel unterwegs sind, besitzt das Fleisch zwar eine festere Struktur, aber damit kann man als Koch umgehen.“ Döllerer bestellt die Cuts, die er braucht, in Großmengen – vergangenes Jahr war es insgesamt mehr als eine Tonne – und reift sie selbst nach, bevor er etwa die Brust für zwölf Stunden in einer aromatischen Würzmarinade aus Kräuter-Cola-Sirup, Ketchup, Sojasauce, Honig, Limettensaft, Räucheröl und allerhand Kräutern gart und mit Joghurt-Limetten-Schaum sowie einer Handvoll Eiskraut, Mönchsbart und Brunnenkresse finalisiert. Oder aber er kombiniert kurz gebratenes Lammbries mit Salzzitrone, einer Gremolata aus Fichtenwipfeln und Bärlauchkapern, frittierten Heurigen-Erdäpfeln und intensiv grüner Bohnenjus.

Weltklasse aus den Tiroler Bergen
Alpine Schafrassen haben auch den jungen Ausnahmekoch Benjamin Parth aus dem Tiroler Ischgl überzeugt. Dabei präferiert der 36-Jährige, der Produkte jenseits der Landesgrenzen nicht verschmäht, gerade wenn es um große Mengen geht, das Fleisch der Limousin-Schafe von den französischen Weiden um Corrèze, Creuse und Haute-Vienne. „Was die Kombination von Quantität und Qualität betrifft, sind uns die Franzosen schon etwas voraus – und das durchgehend übers Jahr. Die Ware ist immer perfekt, das Fleisch sehr aromatisch, zart und saftig“, urteilt Parth nüchtern, setzt aber im nächsten Satz nach: „Wir sind aber auf einem guten Weg dahin.“ Hört man dem Spitzenkoch länger zu, der auf knapp 3.000 Höhenmetern kocht und von seinem Fenster aus einen Ausblick auf das von Berggipfeln umringte Paznaun genießt, wo bis heute noch Hirten ihre Wanderherden betreuen, weiß man, dass bei ihm auch Lammfleisch aus der unmittelbaren Region Weltklassestatus genießt: „Es gibt immer mehr junge Bauern, die sich der Schafzucht annehmen und uns mit Top-Lammfleisch versorgen. Unsere Küchentür steht immer offen, und wenn die Qualität stimmt, sage ich nie nein.“

Seit Jahren setzt Parth neben der obligatorischen Gänseleber nur ein Gericht mit Fleisch auf die Yscla Stüva-Speisekarte. Darf Lamm den Platz als Fleischgang belegen, greift der Tiroler gerne zu Teilen wie der Brust: „Rücken und Filet nehme ich selten, das ist mir zu langweilig“, erklärt er geradeheraus. „Außerdem bin ich ein Fan von Fleisch mit Biss und Charakter, und nachdem wir viel mit Fisch hantieren, der ja bekanntlich weicher ist, sollte man dann auch Gabel und Messer benützen.“ Das Bruststück verwandelt Parth in ein Comfort-Food-Gericht. Dazu mariniert er das Fleisch in einer intensiven Mischkulanz aus Worcestershiresauce, Sambal Oelek, Ketchup, Honig, Limettenabrieb und Tabasco, gart das Stück über fünf Stunden bei niedriger Temperatur im Dampfgarer, gratiniert die aufgeschnittenen Teile mit einer Kruste aus Panko-Bröseln, Ras el-Hanout sowie Thai-Basilikum und serviert zu dem orientalisch gewürzten Lamm rauchige BBQ-Sauce und rustikale Speckerbsen.

Bei der Entstehung eines Mini-Zwischengangs hat der Zufall mitgemischt: „Ich habe meinen Jungköchen gezeigt, wie man ein Lamm zerlegt. Mit den Innereien vor uns haben wir überlegt, was wir damit anstellen, anstatt sie einfach wegzuschmeißen.“ Spontan wurde das Beuschelrezept von Parths Oma uminterpretiert, mit Lamm übersetzt und als Löffelhappen mit dem Namen „Nona’s Secret“ (Anm. d. Red.: „Nona“ steht im Tiroler Dialekt für Oma) vorgestellt. „Mehr haben wir nicht verraten, sonst hätte es die Hälfte abbestellt“, verrät Parth mit einem verschmitzten Lächeln. Er wusste allerdings genau, was dann passiert: „Die Gäste waren schlichtweg begeistert.“ —

Die Mutterschafe warten auf ihren Nachwuchs.
Lammzüchterin Sabrina Gnigler mit zwei Suffolk-Mischlingen

„Die Zwillingsrate ist hoch, und wenn ein Lämmchen schon im Gras liegt, während das zweite erst zur Welt kommt, erkennt die Mutter das erste oft nicht mehr als ihr eigenes.“ (Sabrina Gnigler)

Daniel und Eva Nuart mit ihren Schützlingen

„Lässt es die Witterung zu, öffnet sich die Stalltür zu unserem Obstgarten und sie sind im Verbund quer über Stall und Weide verteilt, wie und wann sie wollen.“ (Eva Nuart)

Auch wenn es genug Milchsauger für jeden gibt, streiten sich die Lämmer gerne um einen bestimmten Platz.

Zu den Rezepten:
Lammbries mit alpiner Gremolata & Bohnenjus / Andreas Döllerer
Lammspieß mit Ofenerdäpfeln, Radieschen, Rettich & Linde / Manuel Ressi
Lamm mit Suave-Chili, Paradeisern & Frühlingskräutern / Roman Pichler
Lammbrust mit BBQ-Sauce & Speckerbsen / Benjamin Parth

Adressen:

Döllerer
Markt 56, 5440 Golling
doellerer.at

Restaurant Yscla-Stüva
Benjamin Parth
Dorfstraße 73, 6561 Ischgl
yscla.at

Restaurant Moritz
Oberwuchel 5, 9131 Grafenstein
restaurantmoritz.at

Bärenwirt
Hauptstraße 17, 9620 Hermagor
baerenwirt-hermagor.at

Lammzüchter:
Biohof Gnigler
Unterkriech 4, 4845 Rutzenmoos
biohof-gnigler.at

Familie Nuart
Waisenberg 6, 9102 Mittertrixen
nuart.at