45 Jahre Küchenwunder

Großer Nachbar, kleiner Nachbar. Ein österreichischer Akzent schwingt bei vielen Dingen in Deutschland mit. So auch bei der neuen deutschen Küche, die ohne österreichische Beteiligung so vielleicht nie entstanden wäre.

Text von Helga Baumgärtel Foto: ©2015 C.A.Hellhake/www.bilderlesung.de

Es war einmal … once upon a time … So beginnen alle Märchen. Auch die kulinarischen.

Es war einmal in München. Genauer gesagt im Jahre 1971. Als ein prominenter Baulöwe mit Namen Fritz Eichbauer – frankophil wie alle Genussmenschen zu jener Zeit – in München-Schwabing ein Restaurant eröffnete: das Tantris. Gebaut in „kompromisslos moderner Architektur, nicht mit der herkömmlichen Barock-Gastronomie vergleichbar“, wie damals der Feinschmecker-Papst Wolfram Siebeck schrieb.

Als Küchenchef holte sich Eichbauer aus Washington den gerade mal dreißig Jahre jungen Österreicher Eckart Witzigmann, der seine Ausbildung bei Paul Haeberlin und Paul Bocuse genossen hatte, ließ ihn seine Einkäufe in Rungis, dem „Bauch von Paris“, tätigen und verhalf ihm auch damit zum Avantgardisten der „Nouvelle Cuisine“ und des „deutschen Küchenwunders“.

Tja, liebe Leser, Ihr werdet es schon sehen: Das deutsche Küchenwunder wurde eindeutig geprägt von Euren Landsleuten. Tu felix Austria – koche und inspiriere!

1972 habe ich eine der ersten Reportagen über den gebürtigen Gasteiner Witzigmann gemacht, dessen internationale Karriere bis zum heutigen Tag anhält. Nicht nur als Gastro-Kolumnist, sondern auch als Initiator des Ikarus im Hangar-7 am Salzburger Flughafen, wo sich die kreativsten Küchenchefs aus aller Welt abwechseln. Und zu seinem 75. Geburtstag im Juli kredenzte ihm übrigens das Champagnerhaus Ayala eine eigene Cuvée. Chapeau!

Als ich ihn bat, eines seiner Lieblingsrezepte in A la Carte vorzu-stellen, war „Ecki“ sofort bereit. Hier ist es: Kalbsbries Rumohr.

„Mit Kalbsbries Rumohr habe ich vielleicht mein Meisterstück abgeliefert“, sagt er heute. „Gewidmet dem Kunsthistoriker und Gastrosophen Carl Friedrich von Rumohr, der uns bis zum heutigen Tag mit seinen geflügelten Worten inspiriert: ‚Der Mensch ist, was er isst.‘ “

Unser „Jahrhundertkoch“ und „Professor Dr. h. c.“ (in Schweden) Witzigmann, nebenbei Gewinner der Trophée Gourmet 1991 – holte überdies, als er sein eigenes Restaurant, die Aubergine eröffnete, erstmals für Deutschland den dritten Michelin-Stern. Sein Nachfolger im Tantris war Heinz Winkler. Na ja, als Südtiroler ist er offiziell zwar kein Österreicher, er gehört für mich aber eindeutig in die Gruppe „Tu felix Austria“. Und auch Winkler krönte 1981 im Tantris seine Karriere, als er mit nur 31 Jahren zum jüngsten Drei-Sterne-Koch der Welt gekürt wurde.

Heuer feiert er sein 25-Jahre-Jubiläum in seiner bildschönen Residenz Heinz Winkler in Aschau kurz vor der österreichischen Grenze.

Über dessen Restaurant urteilt der Guide Michelin: „… das ist beste Qualität gepaart mit höchster Kontinuität und Engagement par excellence.“ Kompliment, lieber Heinz!

Der Dritte im Bunde heißt Johann Lafer, ein gebürtiger Grazer des Jahrgangs 1957. Gemeinhin ist er in Deutschland aufgrund seine Medienpräsenz aber besser bekannt als „Fernsehkoch der Nation“.

Kennengelernt habe ich Johann Lafer 1981 in Witzigmanns Aubergine. Da trug er aber schon den Titel „Bester Patissier Deutschlands“ und hatte bei einem anderen erfolgreichen Österreicher gearbeitet: bei Joseph Viehauser in dessen Hamburger Le Canard. Lafers unzählige Titel und Auszeichnungen – wie „Koch des Jahres“ im Gault & Millau 1997, Trophée Gourmet A la Carte 2001 oder „Genussbotschafter Österreichs“ 2010 – können auf seiner umfangreichen Website nachgelesen werden.

Sein Leben, seine Arbeit, seine Karriere stehen heute immer noch unter dem schlichten und doch höchst anspruchsvollen Motto „Ein Leben für den guten Geschmack“.

Sein Leben teilt er seit über 25 Jahren mit der Gastronomin und Ex-Weinkönigin Silvia Buchholz, mit der er heute von seinem Hotel Stromburg aus das Gastro-Imperium leitet.

Und natürlich stellt er für uns einen Klassiker und seine Weiterentwicklung vor, „damit sich auch junge Menschen für diese Art zu kochen und zu genießen begeistern können“: die unsterbliche Linzer Torte.

So, jetzt kehren wir zurück in die Urzelle des deutschen Küchenwunders, ins Tantris. Dieses wird heute von einem gebürtigen Tiroler des Jahrgangs 1957 geführt – Hans Haas. Er verfügt ebenfalls über etliche Auszeichnungen wie 1987 „Bocuse d’Or“, 1995 „Koch des Jahres“ bei Gault & Millau, 1999 Gewinner des „Europäischen Kulturpreises“ und der Trophée Gourmet A la Carte. Und heuer kommt noch ein dritter „Preis“ hinzu: 25 Jahre Leitung des Tantris. Sein Herzensanliegen aber ist die Nachwuchsförderung mit seiner inzwischen berühmten Kochschule. Sie hat viele freudige Kocheleven hinterlassen, ihre Homepage wurde – glaube ich – millionenfach angeklickt.

Das Rezept, das ich dem stillen und bescheidenen Maî­t­re abluchsen wollte, hat er delegiert an einen seiner besten Schüler, an Martin Fauster.

Und hier schließt sich der Kreis. Denn unser Finalist Martin Fauster, geboren 1972 im steirischen St. Michael, war fünf Jahre lang bei seinem Mentor Hans Haas im Tantris. „Einfache, gute, klare Küche, witzig und originell gekocht, kein Schnickschnack“, so lautet seine Devise. Den Küchendampf hat er sich auf vielen Stationen um die Nase wehen lassen: im Interconti zu Wien, im Quellenhof von Bad Ragaz, im Tantris, im Maison de Bricourt hoch droben in der Bretagne.

Seinen sicheren Hafen – wenn vielleicht auch nicht den endgültigen? – fand er 2004 bei den Gebrüdern Geisel im renommierten Münchner Königshof. Dazu schreibt der Gault & Millau: „Typisch Fauster sind die ultraleichten, erfrischenden Fischgänge zum Einstieg. Zu seinen Lieblingen zählt dabei der seltene Huchen […].“ Und genau den stellt uns Martin Fauster vor mit seinem Rezept: Roh marinierter Huchen mit Sauerampfer.

Übrigens: Zum zehnten Mal lud Martin Fauster in diesem Jahr siebzehn internationale Meisterköche zu seiner spektakulären Charity-Party mit dem Namen „Fauster & Friends“ ein.

Und natürlich kochte hier für einen guten Zweck auch wieder ein Eckart Witzigmann, auch wieder ein Hans Haas auf zum großen Finale von TU FELIX AUSTRIA …

Rezept von Eckart Witzigmann: Kalbsbries Rumohr

Zutaten Für 4 Personen
Für das Bries

500 g Kalbsbries (1 Nuss)
Zitronensaft
Salz
weißer Pfeffer aus der Mühle
400 g Lauch, nur hellgrüne Teile, geschnitten in feine Streifen
100 g Crème double
1 Eigelb
4 frische schwarze Trüffeln (à ca. 30 g)
100 ml Madeira
4 Scheiben rohe Gänsestopfleber (à ca. 50 g)
50 g geklärte Butter
1 TL Cognac
8 Filoteigblätter
flüssige Butter zum Bestreichen und Einfetten
8 Scheiben Parmaschinken, hauchdünn geschnitten
1 Eigelb zum Bestreichen

Für die Champagnersauce
80 g Lauch, in Streifen geschnitten
Salz
100 ml stark reduzierte Geflügelbrühe
100 ml Noilly Prat
100 ml Champagner Brut
12 grüne Pfefferkörner, zerdrückt
1 Schalotte, fein gewürfelt
200 g Crème double
1 TL Butter zum Sautieren
weißer Pfeffer aus der Mühle
80 g kalte Butter, in kleinen Stücken
Trüffelsud

Zubereitung
Das Kalbsbries in ständig erneuertem Wasser 1 bis 2 Stunden wässern, bis es weiß ist. Mit etwas Zitronensaft in kaltes Salzwasser geben, aufwallen und neben dem Herd 10 Minuten ziehen lassen. Unter kaltem Wasser abschrecken, von sämtlichen knorpeligen und häutigen Teilen befreien.
Am nächsten Tag das Bries in 50 g schwere Stücke teilen und mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft würzen.
Den Lauch in kochendem Salzwasser kurz aufkochen, eiskalt abschrecken und in einem Passiertuch gut abtrocknen. Die Crème double dickflüssig einkochen und die Lauchstreifen darin einmal stark aufkochen lassen. Neben dem Herd mit dem verquirlten ­Eigelb binden, abschmecken und abkühlen lassen.
Die Trüffeln unter fließendem Wasser abbürsten, abtrocknen und in 1 cm dicke Scheiben schneiden. In einer Sauteuse mit dem ­Madeira begießen, 3 Minuten dünsten, abgießen und den Sud für die Sauce beiseitestellen.
Die Gänseleberscheiben in der geklärten Butter schnell auf beiden Seiten anbraten, aus der Pfanne nehmen, mit Cognac beträufeln und leicht würzen.
Je 2 Filoteigblätter mit Butter bestreichen, auf einem Tuch überei­nanderlegen, in 20 cm große Quadrate schneiden und in Randnähe mit je 2 Scheiben Parmaschinken belegen. Bries, Trüffelscheiben und Gänseleber darauf schichten und den Lauch drumherum verteilen. Den Schinken darüberklappen und den Teig mit Hilfe des Tuches zweimal um die Füllung rollen. Briespakete auf gefetteten Blech im 220 °C heißen Backofen 35 Minuten backen.
Für die Sauce den Lauch blanchieren. Die Geflügelbrühe mit Noilly Prat, der Hälfte des Champagners, Pfefferkörnern und Schalotte reduzieren, bis die Mischung dickflüssig geworden ist. Die Crème double zufügen und alles sämig einkochen lassen.
Den Lauch kurz in der Butter sautieren, salzen und pfeffern.
Die Sauce durch ein Haarsieb passieren, wieder aufkochen, den übrigen Champagner zufügen und die Sauce mit den Butterstückchen montieren. Mit Trüffelsud, Salz und Pfeffer pikant abschmecken.
Den Lauch und die Sauce auf vorgewärmte Teller geben, die Briespakete halbieren und darauf anrichten.

Eckart Witzigmann, Kalbsbries Rumohr | Eckahrt Witzigmann, Sweetbread „Rumohr“

Rezept von Johann Lafer: Linzer Torte

Für 1 Tarteform (24 cm Ø)

150 g kalte Butter
100 g gemahlene Mandeln
150 g Mehl
150 g Staubzucker
1 Msp. Zimtpulver
1 Msp. Nelkenpulver
1 Eidotter (Größe M)
1 Bio-Zitrone
250 g rote Johannisbeerkonfitüre
1 Eidotter (Größe M) zum Bestreichen
Außerdem
Butter für die Form, Mehl zum Arbeiten, 1 gezacktes Teigrad, Frischhaltefolie

Zubereitung
Alle Zutaten abwiegen und bereitstellen. Die Butter in kleine Würfel schneiden.
Die Mandeln in einer Pfanne unter Wenden goldbraun rösten. Dann aus der Pfanne nehmen und abkühlen lassen.
Mehl, geröstete Mandeln und Butter in eine große Schüssel (oder in die Schüssel der Küchenmaschine) geben. Staubzucker, Zimtpulver, Nelkenpulver und Eidotter ebenfalls in die Schüssel geben.
Die Zitrone heiß waschen, trocknen und die Schale fein abreiben. Den Saft von ½ Zitrone auspressen und ebenfalls in die Schüssel geben. Alles mit den Knethaken des Mixers (oder der Küchenmaschine) zu einem glatten und geschmeidigen Teig verkneten.
Den Teig in Frischhaltefolie wickeln und etwa 1 Stunde in den Kühlschrank legen.
Den Backofen auf 180 °C vorheizen. Eine Tarteform mithilfe eines Backpinsels mit Butter einfetten.
Zwei Drittel des Teiges auf einer bemehlten Arbeitsfläche etwa 1 cm dick und etwas größer als die Form ausrollen.
Den Teig in die Tarteform legen, dabei einen Rand hoch ziehen und andrücken. Den Teigboden mehrmals mit einer Gabel einstechen. Die Johannisbeerkonfitüre in einer Schüssel verrühren und mit einem Esslöffel gleichmäßig auf den Teigboden streichen.
Den restlichen Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche etwa 3 mm dick ausrollen. Den Eidotter verquirlen und den Teig damit bestreichen.
Den Teig mithilfe eines gezackten Teigrades in etwa 1 cm breite Streifen schneiden.
TIPP: Der Teig ist sehr mürbe und reißt schnell, deshalb am besten auf Backpapier ausrollen, in Streifen schneiden und etwa 30 Minuten kalt stellen.
Die Teigstreifen gitterartig auf die Konfitüre legen.
Die Torte im heißen Backofen auf der mittleren Schiene (160 °C Umluft) etwa 40 Minuten backen. Die Torte herausnehmen und vollständig auskühlen lassen.

Rezept von Martin Fauster: Roh marinierter Huchen mit Sauerampfer

ZUTATEN für 6 Personen

Huchen
400 g Huchenfilet
Limettenvinaigrette
200 ml Tomatenessenz
30 ml Limettensaft
4 EL Holunderöl
80 ml Olivenöl
Salz, Cayennepfeffer
1 TL brauner Zucker

Sauerampfercreme
1 Bund Sauerampfer
200 g Sauerrahm
Sauerampfer-Ju­li­enne
gehackte Pistazien
weiße Quinoa
schwarze Quinoa
Meersalz

Geräucherte Crème fraîche
4 EL Crème fraîche
1 geräuchertes Eiweiß
4 EL Räuchermehl
2 Wacholderbeeren
1 Thymianzweig
etwas Zitronensaft

ZUBEREITUNG
Weiße und schwarze Quinoa getrennt voneinander in gesalzenem Wasser weich kochen, abschütten, auf einem Blech verteilen und an einem warmen Ort 24 Stunden trocknen. Dann in 180 °C heißem Fett ausbacken und auf ­einem Küchenpapier abtropfen lassen.
Für die Limettenvinaigrette den braunen Zucker in der heißen Tomatenessenz auflösen, die restlichen Zutaten ­zugeben und abschmecken.
Den Sauerrahm mit geschnittenem Sauerampfer fein ­pürieren und mit Salz und Cayennepfeffer abschmecken.
Für das geräucherte Eiweiß ein Ei 8 Minuten hart ­kochen. Das Ei schälen und vom Eidotter trennen. Nun in einem Topf etwas Räuchermehl und Wacholderbeeren sowie Thymianzweig erhitzen, das Eiweiß auf ein Gitter darauf setzen, mit Alufolie abdecken. Den Topf zur Seite ziehen und auskühlen lassen.
Danach das Eiweiß mit einer Reibe fein raspeln und mit der Crème fraîche vermengen. Mit Salz, etwas ­Cayennepfeffer und Zitronensaft abschmecken.
Den Huchen in dünne Scheiben schneiden. Diese würzen und mit der Limettenvinaigrette ca. 2 Minuten marinieren.
ANRICHTEN
Von der Crème fraîche dünne Punkte auf dem Teller verteilen, die Huchenscheiben aufgedreht daraufsetzen.
Auf die Huchenscheiben nun schwarze und weiße Quinoa, die Pistazien und die Sauerampfer-Ju­li­enne legen.
Etwas Meersalz daraufgeben und mit der Sauerampfercreme fertigstellen.

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