Essbare Landschaften

Text von Alexander Rabl
(c) Mario Stockhausen

Obwohl im Pongau angesiedelt, hat Vitus Winkler sich durchaus eine Auszeichnung als Ehrenbotschafter der steirischen Küche verdient. Unter dem Titel „Bauerngarten“ serviert er geschmorten Hokkaidokürbis, dazu Käsebruch mit Brennnesselsamen, der sich im heiß aufgegossenen Kürbistee mit getrockneten Brennnesselblättern langsam erwärmt und an Deli­katesse zulegt. Auf einem ge­backenen Eidotter hockt ein ­Butternusskürbis-Tascherl. Ein Kürbis-Ingwer-Chutney sorgt für würzige Wärme. Und das steirische Element zu diesem klug aufgebauten Gericht steuern geröstete Kürbiskerne und Kürbiskernöl bei. Eine kleine Nocke Störkaviar kommt in einem Tee zu schwimmen, als durchaus sinnvoller und erwünschter Kontrapunkt.

Winklers Gerichte wirken beeindruckend in ihrer Optik, und bevor man noch einen ersten Bissen genommen hat, ist man von der Fantasie und gestalterischen Kraft des Küchenchefs eingenommen. Hier stecken in jedem Detail, in jeder Komponente vor allem Qualität, unbedingtes Können und folgerichtig geschmackliche Substanz, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar ist. Wenn zum Beispiel ein Gebirgsstein aus schwarz gefärbtem Teig nachgebildet wird und sich darin ein butterzartes mit Preiselbeeren mariniertes Tatar von der Gams befindet. Das symbolisiert den Berggipfel in Winklers kulina­rischer Höhenwanderung, das Hauptthema seiner Menüs. Im Winter sind Wald und Wiesenkräuter naturgemäß nicht in der Überzahl. Winkler behilft sich in seinem Restaurant Kräuterreich mit Vorratshaltung und einem kleinen Indoor-Angebot. So wird die Buttermilch mit Kapuzinerkresseöl zu einem erfrischenden Schluck voller Assoziationen zum Sommer auf der Alm. Der Beurre blanc mit Sauerkrautsaft haben Winkler und sein kleines Team sämtliche erdig-rustikalen Töne abgenommen, sie präsentiert sich wie ein elegantes städtisches Kleid eines französischen Couturiers. Dazu gibt es Saibling im Wirsingblättermantel und ein Horgnaistnidei, ein mit Sauerkraut gefülltes Laibchen, mit Saiblingskaviar. Mit Kirschlack gebackenes Kalbsbries kommt mit Kirschen aus Sankt Veit, die hier besonders gut gedeihen. Sie wurden in Portwein eingelegt und machen sich wunderbar mit Schaum aus Knoblauch-Miso und einer wiederum höchst eleganten Creme aus Karfiol. Mädesüß und sein nussiger Geschmack runden die Kompo­sition ab. Der alpine Zitronen­ersatz, die im Mai im Wald zu erntende Fichtensprosse, bedeckt in Form einer Hollandaise eine Scheibe vom Rindsbackerl. Ein Mundvoll kräuterwürzigen Genusses, delikat das zerfließende Collagen des Fleisches. Die dazu servierte Glühweinjus ist in ihrer Kraft und Süße ein letzter Gruß des auch in höheren Lagen abklingenden Winters.

Immer wieder baut Winkler auch Sorbets in die Speisenfolge ein, und niemals handelt es sich dabei um überflüssige Ergänzungen, ganz im Gegenteil, etwa beim Petersilienblatt-Quitten-Sorbet, welches den Teller aus gebratenen Alpengarnelen und ­Petersilienwurzeln mit Frische und Säure versorgt. Waldmeister schließlich als Dessert. Gefriergetrocknete Vogelbeeren sorgen für die Säure, eine Mandel-Hippe und ein Mandel-Sabayon für elegante Süße, dazu Waldmeistersorbet und geklärter Vogelbeersud. So funktioniert intelligente Patisserie. Intelligent ausgesucht und abseits der Trampelpfade sind auch die Weine, die es zu diesem Essen gibt. Ein Welsch­riesling von Velich aus dem Seewinkel sorgt gleich beim Einstieg für erfreutes Staunen. Der Zierfandler vom ­Alphart am Mühlbach begleitet den eingangs erwähnten Kürbis vortrefflich. Vergangenen Herbst hat Vitus Winkler das Haus einer mehrmonatigen Bauphase unterzogen, die Küche gänzlich umgebaut, das À-la-carte-Restaurant vollkommen neu gestaltet, die alte Stube ergänzt und teilweise in Schwarz herausgeputzt. Die Küche mag durch gesteigerte Funktionalität glänzen, das Restaurant aber ist eine Oase aus Schlichtheit und hochwertigen Materialien plus toller Lichtregie. Man merkt in vielen Details das architektonische Talent des Pa­trons.

Küche ★★★★
atmosphäre ★★★★
Weine ★★★★★

Kräuterreich by Vitus Winkler
Kirchweg 2, 5621 St. Veit im Pongau
T 06415/43 23
sonnhof-vituswinkler.at