Gasthaus Stern

Zinters inneres Selbst

Leber à la Gasthaus Stern: Der neue Küchenchef ist nur ein weiterer Grund, Simmering anzusteuern.

Das Gasthaus Stern von Christian Werner hat sich seit gut zehn Jahren einen hervorragenden Namen gemacht, als einzige Adresse, derentwegen es sich auszahlt, nach Simmering zu fahren. In den letzten Jahren hat der Hausherr weinmäßig kräftig zugelegt, die Weinauswahl darf sich jetzt, wenngleich auf der jüngeren Seite, mit den besten Restaurants Wiens durchaus vergleichen lassen. Weil die Weinpreise, etwa im Burgund, dieser Tage allerdings nicht gerade niedrig sind, muss der Gast dafür ein bisserl Geld ins Börserl tun. Überhaupt darf man sich hier wegen der Entfernung zum Stadtzentrum keine Preisabschläge erwarten, das Stern spielt diesbezüglich schon eher in der oberen Liga. Aber das kann es sich auch leisten. Neu im Stern ist nämlich, und das ist die eigentliche Sensation, Peter Zinter, der seit Ende Oktober am Herd steht. Werner und Zinter haben sich beim Jagen kennengelernt und fanden heraus, dass sie beide eine ausgesprochene Leidenschaft für die Zubereitung von Innereien besitzen. Werner gibt jetzt seit ein paar Wochen den Maître-Sommelier, in der Vorstadt könnte man es Oberkellner oder schlicht Patron nennen, kocht im Hintergrund aber immer noch mit. Zinter hat den Platz am Herd eingenommen und schöpft bereits aus dem Vollen. Restaurants einige Wochen nach der Eröffnung zu besuchen, überlasse ich eigentlich lieber anderen. Aber weil es ja keine Eröffnung ist, sondern bloß ein neuer Koch, ist es diesmal die Ausnahme. Vorweg sei gesagt, dass die Speisekarte für ein derart ambiti­oniertes Programm einfach sehr riesig geraten ist. Da wird Zinter noch justieren müssen, wenn er nicht ständig ins Schwitzen geraten will. Denn was er zubereitet, kann nicht im Nebenbei entstehen. Im Winter ist das Programm geprägt von den Ergebnissen der Jagdsaison. Zinter sagt, er jage ja wegen des Fleisches, nicht wegen der Trophäe. Zur Saison gibt es jetzt sauren Hasen mit Erdäpfelknödel. Reh und Hirsch stehen fast unentwegt auf der Karte. Aus Steinbock bereitet er ein Butterschnitzel zu, fest, wie das Fleisch des Tieres halt ist, sehr gut, allerdings ziemlich im Widerstreit zu einer für ihren Zweck zu sehr konzentriert reduzierten Wildsauce auf Basis einer Demi-Glace, die dem Steinbock wenig Chance lässt. Das ist einer von ganz wenigen Kritikpunkten, die es hier gibt, vieles andere schmeckt nämlich ausgezeichnet. Die Kalbsleber mit Kumquats und Backerbsen ist der erste Hit, sie wird rosa und als zimmerkühle Scheibe serviert, das ganze nennt Zinter Roastbeef. Noch ärger gut ist die Kombination aus lauwarmem Kalbsfuß mit concassierten Tomaten, die dem galertigen Fuß die angemessene Dosis an fruchtiger Säure beisteuern. Ein Klassegericht, das weitaus beste des Abends (leider wird im Stern neuerdings nur noch abends gekocht, verständlich, aber schade). Seine Aussage, er würde am liebsten mit so wenig Komponenten wie möglich auskommen, widerlegt er gleich mit dem folgenden Teller: gebratene Gänseleber mit gegrilltem Aal auf einer gebratenen Scheibe Blutwurst vom Entenblut, dazu Weichseln und gebratene Entenherzen, unvergleichlich in ihrem kräftigen Biss. Das Ganze wird durch eine kräftige Sauce zusammengehalten, da kann und will Zinter seine klassische Schule nicht leugnen.
Das Beuschel, das eigentlich aus der Hand von Christian Werner kommt, hat mit der Wiener Schule nichts ­gemein. Es fehlen ihm vollkommen Cremigkeit und Eleganz der Kalbsbeuschel von Reitbauer oder Gerer. Dafür hat es Würze und Biss, Zunge, Lunge und Leber sind erkennbar und grob geschnitten. Man könnte es entweder als Vorstadt-Kalbsbeuschel bezeichnen oder gleich in Florenz oder Turin verorten. Jedenfalls schmeckt das sehr gut. Im Burgenland haben sie vor Kurzem Rebhühner geschossen – eine Rarität übrigens in Österreich, wo die Hühner immer mehr ihres Habitats beraubt und weniger werden. Zinter brät das Rebhuhn, sodass es seinen unvergleichlichen Geschmack behält, und serviert dazu Schupfnudeln aus Erdäpfelteig mit Knochenmark und Weißer Trüffel. Volltreffer. Ist das jetzt Jägersprache? Waidmannsheil zu sagen ist übrigens nur erlaubt, wenn der Sender der Botschaft ebenso jagt wie der Empfänger. Wieder etwas gelernt.
Alexander Rabl

Küche ●●●●○
Atmosphäre ●●●○○
Weine ●●●●○

Gasthaus Stern
Braunhubergasse 6, 1110 Wien
T 01/749 33 70
gasthausstern.at