Global Darlings – Die Superliste

Weltweite Restaurant-Rankings sind der liebste Appetizer für Köche und Foodies. Wir haben die wichtigsten Wertungslisten rechnerisch zusammengeführt und uns so der Frage nach dem weltbesten Restaurant angenähert.

Text von Christian Grünwald

Geschmack ist nicht messbar. Und trotzdem schaut jeder gerne auf die globalen Restaurant-Rankings. Sei es nur, um insgeheim die eigene To-do-Liste – war ich schon, war ich auch, da will ich unbedingt hin – zu erstellen. Oder auch, weil man wissen will, wohin das internationale Trendbarometer so zeigt.

Wenn man von globalem Restaurant-Ranking spricht, dann denkt man wohl in erster Linie an die The World’s 50 Best Restaurants-Liste. Das Projekt entstand 2002 mit der eher spielerisch ausgelegten Umfrage des britischen Restaurant Magazine, einem Fachblatt für die Gastroindustrie. Die so entstandene allererste The World’s 50 Best Restaurants-Liste wurde 2002 veröffentlicht und präsentierte Ferran Adriàs El Bulli an der spanischen Costa Brava als Nummer eins der Welt. Aus der kleinen Umfrage ist nach wenigen Jahren ein eigenes Unternehmen mit Millionenumsatz geworden.

Der Unterschied zu den vergleichsweise biederen und mit der Anmut eines Telefonbuchs versehenen Gourmetbibeln à la Michelin und Gault & Millau liegt im zeitgemäßen Auftritt. 50 Best ist die ideale Ergänzung zum globalen Medien-Phänomen, dass einige Küchenchefs den Bekanntheitsgrad von Popstars haben – und das bei einem Publikum, das gar nicht in den Restaurants gegessen hat oder dort jemals zu Gast sein wird. Die Netflix-Serie Chef’s Table macht derartiges möglich.

Es geht aber natürlich auch um den „echten“ Gast. Das 50 Best-Ranking macht volle Häuser. Das bestätigt jeder, der in der Liste angeführt ist, ganz gleich auf welcher Platzierung (trotz des Namens sind es mittlerweile 100 Lokale). Das ist das alles schlagende Argument für die hohe Akzeptanz bei den Protagonisten. Jede Telefonanlange, jeder Mailserver kollabiert beim Gewinn der 50 Best. Das berichten alle Gewinner unisono.

Die 50 Best-Liste hat eine neue Art des weltweiten Gastro-Tourismus begründet. Nicht wenige kulinarische Reisende orientieren sich an diesem Ranking, von dem es längst nicht mehr nur noch ­eines gibt. Sublisten für Lateinamerika, Asien, bald auch für den Mittleren Osten und Nordafrika, befeuern den Markt mit regionalen Gewinnern. Verzeichnisse für Bars und Reisen (Discovery-Liste) vervollständigen das Projekt. Bei der Bewertung ist der Unterschied zu den klassischen Gourmetführern leicht erklärt. Statt Testbesuchen setzt man auf Umfragen. Das Ergebnis wird bestimmt durch rund 1.000 Votings aus aller Welt, diese kommen zu gleichen Teilen aus den Sparten Köche/Gastronomen, Journalisten und weitgereiste Foodies. Gender-Balance ist ein ehernes Prinzip wie auch die internationale Orientierung: Mindestens drei von zehn möglichen Restaurant-Favoriten dürfen sich aktuell nicht in der Heimatregion des jeweiligen Wählers befinden. Wegen Covid und den damit verbundenen Reisebeschränkungen wurden beim aktuellen Wahldurchgang (die Ergebnisse gibt es Mittel Juli) ausnahmsweise auch ausschließlich regionale Votings zugelassen.

Beim noch relativ neuen OAD-Ranking stimmt ebenfalls ein Mix aus kolportierten 6.000 vielreisenden Gourmets und Spitzenkräften aus der Gastronomie über die weltbesten Restaurants ab. Das System agiert vergleichsweise offen. Jeder, der daran teilnehmen möchte, kann sich anmelden und mitmachen. Initiator Steve Plotnicki setzt sehr stark auf Regionalisierung sowie auf Extrasparten wie „Casual“ oder „Classic“. Im Vergleich zur The World’s 50 Best Restaurants-Liste gefällt vor allem das OAD-Europa-Ranking, das wesentlich mehr Nuancen und Adressen zulässt.

Etwas anders funktioniert die Ermittlung der weltbesten Restaurants beim französischen La Liste-Projekt. Dort kombiniert man die Kritiken aus hunderten Gastro-Medien (Printmagazine, Gourmetführer, Social Medias) und verarbeitet diese mit den Ergebnissen einer Küchenchef-Umfrage und Gästekritiken zu einem Punktedurchschnitt.

Und wie liegt Österreich so? Das Steirereck ist der einzige langjährige österreichische Vertreter in The World’s 50 Best Restaurants. 2013 und 2016 gingen sich für Heinz und Birgit Reitbauer mit Platz 9 sogar die Top Ten aus. Aktuell belegt das österreichische Paraderestaurant Platz 12 (letztes Mal war es Rang 17), zusätzlich ging dieses Mal auch der Hospitality Award nach Wien.

Bei OAD mischen auch andere österreichische Betriebe mit. Konstantin Filippou ist dort auf Platz 30 bestplatziert, auch Steirereck, Taubenkobel, Amador, Mraz, Chef’s Table Lech und Ikarus/Hangar-7 sind in der aktuellen Wertung zu finden.

Bei La Liste 2022 heißen die österreichischen Top 5 Obauer, Steirereck, Landhaus Bacher, Rote Wand Chef’s Table, Taubenkobel, gefolgt von Silvio Nickol, Döllerer und Ikarus.

Egal, welche Liste man bevorzugt, für Geheimtipps ist in diesen von rechnerischen Mehrheiten getriebenen Systemen kein Platz. Im Idealfall sammelt ein Restaurant möglichst viele positive Votings von regionalen und auch internationalen Gästen. Da sind Restaurants in vielbereisten Tourismuszonen eindeutig im Vorteil. Adressen auf einsamen Inseln oder mit einer Entfernung von einige Autostunden zum nächsten großen Internationalen Flughafen sind eher die Ausnahme.In der von uns durchgeführten Gesamtaddition fehlen einige große Namen, weil sie nicht in allen drei Listen punkten. Etwa Guy Savoy in Paris, in der La Liste das beste Restaurant der Welt, ist in der 50 Best ebenso wenig vertreten wie das Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier oder das ebenfalls auf moderne französische Klassik setzende Cheval Blanc by Peter Knogl in Basel.

Überall, in jedem Ranking, fehlen Restaurants, die es eigentlich verdient hätten bzw. scheint eine Küche krass unterbewertet. Man sollte ­daher die Ergebnisse jeder Liste nicht als das ultimative Nonplusultra ansehen. Aber um generelle Trends zu entdecken und neue Lokale zu entdecken, sind alle Rankings in ­jedem Fall Gold wert. Und apropos Gold: Keine der Listen kostet den Leser auch nur einen Cent. —

Wir haben die Ergebnisse der aktuellen The World’s 50 Best Restaurants-Liste mit dem OAD-Ranking 2021 und der La Liste 2022 abgeglichen. Unterschiedliche Wertungssysteme wurden in Platzier-ungen konvertiert. Bei OAD kamen auch die Sublisten, wie etwa Nordamerika, Asien oder Casual, zur Anwendung.

So geht die Rechenübung
Bei der 50 Best-Wertungskonvertierung wurden die namhaften Vertreter der sogenannten Best of the Best, also alle die einmal Nummer 1 waren, mit einer 1er-Platzierung in die Zusammenrechnung geschickt. Und klarerweise sind in der „A la Carte-Superliste“ nur jene Restaurants angeführt, die in allen drei Rankings an nennenswerter Position zu finden sind – was übrigens gar nicht so viele sind. Gewisse regionale Präferenzen sind eben auch in den globalen Wertungen deutlich bemerkbar.


Top 10 – Internationale Restaurants

Frantzén
Stockholm, Schweden
restaurantfrantzen.com
Björn Frantzén verbindet nordische und klassisch französische Küche mit asiatischen Akzenten und moderner Technik. Neben dem Essen ist die Inszenierung ganz entscheidend. Die Gäste machen in Stockholm im Laufe eines Menüs einen Rundgang über drei Etagen. Frantzén gibt es mittlerweile auch in Hongkong und in Singapur (unter dem Namen Zén). Dieses Jahr sind weitere Eröffnungen in Bangkok und London geplant.

L´Arpège
Paris, Frankreich
alain-passard.com
Vor mehr als 20 Jahren strich Alain Passard Fleisch von seiner Speisekarte, verlangte für das Gemüse-Menü mehr Geld als zuvor. So wird man eine grüne Legende. Das meiste in seinem Restaurant verwendete Gemüse baut er mittlerweile selbst an. Und wer mag, bestellt nach Gemüsesushi und Veggie- Ravioli im Sud statt Gemüse ein Carré d’agneau de Sisteron mit Austern und Lauch um € 190,–.

© Maurice Rougemont/Opale

Osteria Francescana
Modena, Italien
osteriafrancescana.it
Massimo Bottura ist nicht nur ein grandioser Kommunikator, er ist auch ein genialer Koch. Der zweimalige 50 Best-Sieger serviert in seinem Edelrestaurant moderne, zum Teil auch dekonstruierte italienische Küche, die tatsächlich atem-beraubend gut ist – etwa „Oops! I Dropped the Lemon Tart“ oder seine Version der Tort ellini in Brodo.

The French Laundry
Yountville, USA
thomaskeller.com/tfl
Die High Cuisine-Institution im kalifornischen Napa Valley. Thomas Kellers neungängige Menüs sind State of the Art wenn es um amerikanische Küche mit französischen Einflüssen geht; sozusagen ein „Opus One“, um einen Vergleich mit der Weinwelt zu verwenden. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ein zuverlässiger, sehr vitaler Klassiker.

© Michael Grimm

Le Calandre
Sarmeola di Rubano, Italien
alajmo.it
Massimiliano (Max) Alajmo zelebriert eine dermaßen detailverliebte Küche, dass enthusiastische italienische Kritiker ihn bereits „Mozart der Herdplatten“ nannten. Im Flagship-Restaurant des Gastro-Familien-Imperiums genießt man eine hochmoderne italienische Küche. Jeder Gang ist getrieben von Saison und Technik, etwa Mandel-Mozzarella oder Tiramisu in der Murano-Glas-Pfeife.

© Sergio Coimbra

Piazza Duomo
Alba, Italien
piazzaduomoalba.it
Enrico Crippas puristische italienische Küche ergibt stilistisch eine fast schon japanische Anmut. Sein vielleicht berühmtestes Gericht ist der Salat mit einer je nach Saison wechselnden Anzahl von Blättern, Kräutern und Gemüsen, die dann zugleich namensgebend ist: 21…, 31… usw. Das Restaurant in Besitz der Winzerfamilie Ceretto gilt auch als echtes Kompetenzentrum für Weine aus dem Piemont und dem Burgund.

© Luciano Barsetti

Mirazur
Menton, Frankreich
mirazur.fr
Innovative mediterrane französische Küche an einem atemberaubend schönen Küsten-Hotspot. Mauro Colagrecos Garten mit jeder Menge Gemüse, Kräutern und Zitrusfrüchten ist die Speisekammer für seine Kreationen. Einer der Signatures heißt Austern mit Tapioka, Schalottencreme und Birne, ein anderer besteht aus filigranen Rote Rüben-Röllchen mit Kaviar und hausgemachtem Obers.

Reale
Castel di Sangro, Italien
nikoromito.com/reale/
Das umfunktionierte Bergkloster Casadonna in den Abruzzen dient Niko Romito, den wohl innovativsten Küchenchef Italiens, als Bühne für seine Kreationen, die gemäß seiner Beschreibung „komplex aber nicht kompliziert“ sind. Etwa kalte Pasta mit Tintenfisch oder Rinderbollito mit Fenchel. Große Küche, die es mittlerweile auch in Mailand, Rom, Peking, Shanghai und Dubai gibt.

© Andrea Straccini

El Celler de Can Roca
Girona, Spanien
cellercanroca.com
Joan Roca ist einer der ganz großen Küchenchefs dieser Welt. Sämtliche Gerichte sind elegant, feinfühlig, auf intensive Aromen und harmonische Zusammenstellungen bedacht. Gemeinsam mit seinen Brüdern Josep (Sommelerie) und Jordi (Patisserie) ist das Restaurant ein Fixstern in der Gourmetwelt, stets den zeitgemäßen Themen zugewandt und dabei ungemein gastfreundlich.

Geranium
Kopenhagen, Dänemark
geranium.dk/en/
Nordisch-Französische Stilistik mit ebensolchen Zutaten, genial kombiniert und zubereitet und dann auch noch exemplarisch schön angerichtet. Rasmus Kofoed ist ein Genie in allen Disziplinen, nebenbei auch noch der einzige Koch, der jemals Gold, Silber und Bronze beim Bocuse d’Or gewonnen hat. Demnächst präsentiert sich das Geranium bezüglich Ambiente und Küche rundumerneuert. Auch deshalb ist man auf die nächste Saison sehr gespannt.

© Claes Bech-Poulsen