Heimspiel in der Schatzkammer 5
Der Oma kann nicht genug gedankt werden. Egal, welchen Spitzenkoch man befragt, die meisten geben die Großmutter oder die Frau Mama als ihre Inspiration und Lehrmeisterin an. Sicherlich, die Erinnerungen an die gute Küche von damals verblassen von Generation zu Generation immer mehr, die kulinarischen Wurzeln ähneln mehr einer Pflanze auf Substratlösung als einer Karotte im Erdreich. Anders im Innviertel. Hier ist der Boden fruchtbar. Speziell in Kammer5 in Ort im Innkreis ist man tief mit der Heimat verwurzelt und versucht, Traditionen zu leben und weiterzuentwickeln. Einerseits musikalisch: Seit dem Jahr 2011 rocken Bands aus der ganzen Welt beim „Woodstock der Blasmusik“ die Gegend. Das Festival gilt als größtes seines Genres. Andererseits kulinarisch: 2021 wurde das Fine-Dining-Restaurant Kammer5 eröffnet und spielte sich von Beginn an in die Herzen der Gäste.
Vor vier Jahren parkte noch ein Traktor im Kuhstadl. Der Stall wurde zu einem schicken Restaurant umgebaut, das schöne Gewölbe mit freigelegten Ziegeln blieb erhalten, hinzu kamen Holztische, in Fischgrät verlegte Parkettböden und Designelemente, die an skandinavische Spitzenrestaurants erinnern. All das vermittelt ein angenehmes Gefühl. Man fühlt sich willkommen, man fühlt sich daheim. Der Blick in die offene Küche mit dem Schriftzug „Vive la Hoamat“ lässt erahnen, was die Küchenmannschaft um Adrian Schlager vorhat. Der Koch ist ein Hiesiger, performte lange Zeit in der Schweiz, unter anderem bei Andreas Caminada, und veredelt nun österreichische Lebensmittel mit feiner französischer Klinge. Vier Mal im Jahr wechselt das Menü. Aktuell lautet das Motto „Mémoires, Omas Geheimrezepte“.
Nach wunderbaren Miniaturen wie zart schmelzendem und aromatisch explosivem Kaspressknödel tuscht Schlager mit einer Rauna-Speise richtig rein. Die Rote-Rüben-Gnocchi mit Cassis und Hühnerleberparfait vereinen Frucht, erdige Aromen, Kühle, Crunch und Säure. Quasi ein Mal alles bitte, aber harmonisch und wohltuend umgesetzt. Der Hauptgang erinnert optisch an Eckart Witzigmanns episches Gericht „Kalbsbries Rumohr“. Einzig statt Trüffeln, Gänseleber und Bries verwendet Schlager Blunzen, confierte Spareribs, Mangold und Duxelles, alles optisch schön geschlichtet, in Pastetenteig verpackt, auf Schweinsjus mit Calvados angerichtet und von geschmacklicher Dichte getragen. Das Gericht steht stellvertretend für die Küchenphilosophie, alles zu verarbeiten und selbst herzustellen. Nach diesem opulenten Teller ist der Käsegang dran. Skeptikern, die damit überfordert sein sollten, sei ins Stammbuch geschrieben: Es kann funktionieren. Speziell, wenn Mimolette mit eingelegter Wachauer Marille und Yakon keinesfalls wuchtig, sondern luftig leicht in Szene gesetzt wird. Schlager nimmt mit Yacon-Espuma und Mimolette-Schaum dem Gang die Schwere und behält trotzdem das geballte Aroma bei. Köstlich. Bei den Desserts packt das Küchenteam nochmals Omas Handschriften aus und lässt den Gast mit Buchteln, Vanillesauce und Mohneis zu den Wurzeln des Kindheitsgeschmacks reisen.
Wer auf die Reise zu Omas Erinnerungen von Wein begleitet werden möchte – eine gute Idee. Restaurantleiter Michael Enkner hat neben viel Österreichischem auch französische und italienische Top-Ware im Gepäck. Fünfzehn Weine sind immer offen, wer keinen möchte, ist bei der alkoholfreien Begleitung gut aufgehoben.
Küche ★★★★
atmosphäre ★★★★
Weine ★★★★
Kammer5
4974 Ort im Innkreis
T 07751/806 50
kammer5.at