Austro- Raritäten

Heimische Winzer keltern aus autochthonen Rebsorten neue Geschmackswelten in Weiß.

Text & Verkostung: Willi Balanjuk

Neben den etablierten und auch international wahrgenommenen weißen Rebsorten wie Grüner Veltliner, Riesling, Chardonnay und Sauvignon blanc gehören die Raritäten ebenfalls zu Österreichs Geschichte und Weinkultur. Roter Veltliner, Rotgipfler, Zierfandler, Neuburger und historisch wichtige Rebsorten wie Sylvaner, Furmint und Müller-Thurgau ergänzen die zuvor genannten in ausgezeichneter Weise.

Unter dem Motto „Altösterreich“ hat A la Carte eine Grand-Cru-Verkostung ausgeschrieben und rund 150 Weine in sieben Kategorien verkostet.
In der Kategorie 2023 Roter Veltliner wurden ca. 30 Weine verkostet. Die Mehrheit der ca. 200 ha Roter Veltliner stehen im Weinbaugebiet Wagram, gefolgt von Kremstal, Kamptal, Weinviertel und vereinzelt Wien (dort meist im Gemischten Satz). Der Wagram hat hier also die Nase vorn. Einer der Benchmark-Betriebe für die Rebsorte ist Josef Fritz. Er matcht sich mit dem Mantlerhof (Kremstal), der mit seinem 1986er ein Highlight für die Rebsorte gesetzt hat, um Platz eins. Dazu kommen weitere Betriebe des Wagrams wie Leth, Schuster, Ecker Eckhof und Harald Ernst. Die Rebsorte bietet kandierte Frucht, reife gelbe Aromen von Melone bis Steinobst und verfügt über balancierten Gerbstoff im Abgang.
Um das Qualitätspotenzial der Rebsorte abzubilden, wurde in der zweiten Kategorie Roter Veltliner 2022–2020 verkostet. Wie schon beim 2023er sind auch hier die oben genannten Betriebe im vorderen Feld zu finden. Die 2022er haben sich großartig entwickelt, und die 2021er überzeugen durch straffe, engmaschige Struktur.
Die Kategorie Rotgipfler 2023–2020 wird von den Spezialisten dieser Spezialität aus der Thermenregion dominiert. Die ca. 110 Hektar stehen an den Hängen des Wienerwalds. Kalk- und Ton-Lehm-Kombinationen in der Bodenformation prägen den Charakter der Weine. Gelbfruchtigkeit, der feine Gerbstoff und dass er gut mit Barrique gekeltert werden kann machen den Wein eigenständig und zum wunderbaren Speisenbegleiter. Die Familien Alphart und Reinisch stehen für unterschiedliche Rotgipfler-Interpretationen auf höchstem Niveau. Ein Vergleich ist zu empfehlen.
In der vierten Kategorie wurde Zierfandler 2023–2020 verkostet. Nur mehr rund 70 ha sind in der Thermenregion mit Zierfandler (Synonym Spätrot) bestockt. Die ausgeprägte Frucht erinnert an Steinobst und Physalis. Durch das präsente Säurespiel sind Riesling-Assoziationen möglich. Die Familie Stadlmann hat mit der Riede Mandl Höh seit den 1990ern immer einen der Referenzweine für diese Rebsorte im Sortiment. Die besten Weine stammen aus den Jahrgängen 2022 und 2021. Beide erlaubten, Sortencharakter und Herkunft auszudrücken.
Die Kategorie Neuburger 2023–2020 ist mit rund 25 Weinen vertreten. Historisch war diese weit verbreitete Rebsorte immer in der Wachau, in der Thermenregion und am Leithaberg präsent. Die knapp 250 ha werden heute von Spezialisten und Traditionsbetrieben gekeltert. Erwin Tinhof forciert seit einem Jahrzehnt die Renaissance dieser Rebsorte. Riedenreine Weine von alten Rebanlagen und traditioneller Ausbau machen den Neuburger zu einem eleganten, balancierten Speisenbegleiter, der auch wunderbar reifen kann. Tinhof hat hier mit seinem 2021er den besten Wein eingereicht, und 2023 bringt Johann Donabaum (Wachau) eine ausgezeichnete Smaragd-Version der Rebsorte auf den Markt.
Die Kategorie Furmin 2023–2020 widmet sich einer Trendsorte der letzten fünf Jahre. Die Rebsorte der österreichisch-ungarischen Monarchie steht in Tokay für Süßwein und seit 15 Jahren auch für trockenen Weißwein. Am Leitha­berg und vor allem in Rust wird diese Rebsorte seit Jahren von einigen Weinbauern gehegt und gepflegt. Auf den Kalk- und Schieferböden des Leithabergs vermittelt die Rebsorte Quitten- und Grapefruit-Aromen, straffe Textur und Mineralität im Abgang. Vom Eisenberg über einzelne Betriebe der Steiermark bis Rust sehen viele Winzer ein enormes Potenzial für die Rebsorte. Günter und Regina Triebaumer aus Rust keltern seit Jahren einen Rieden-Furmint auf höchstem Niveau. Auch die Ruster Kollegen Tremmel, Heidi Schröck, Wenzel und Giefing arbeiten mit Furmint; sowie Esterhazy und Hannes Schuster aus St. Margarethen. Im Vulkanland Südoststeiermark pflegt der Herrenhof Lamprecht Furmint mit großem Erfolg.
Die offene Kategorie 2023–2020 für alle restlichen Raritäten aus den Jahrgängen umfasst alles von Sylvaner über Müller-Thurgau und Muskat-Ottonel bis hin zu Österreichisch Weiß. Am besten konnte das Weingut ­Tement mit seinem Sylvaner überzeugen.

Zusammenfassend überzeugen die heimischen Spezialitäten mit sehr hohem Niveau. Raritäten-Winzer haben eine Stilistik für die jeweiligen Rebsorten entwickelt. Die Vielfalt lädt jedenfalls dazu ein, eine Weinreise durch die österreichischen / altösterreichischen Geschmackswelten anzutreten. Das Gute liegt so nah! —

Zu den Bewertungen
1. Kategorie 2023 Roter Veltliner
2. Kategorie Roter Veltliner 2022–2020
3. Kategorie Rotgipfler 2023–2020
4. Kategorie Zierfandler 2023–2020
5. Kategorie Neuburger 2023–2020
6. Kategorie Furmin 2023–2020
7. offene Kategorie 2023–2020

Verkostet und bewertet wurden die eingereichten Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die besten Weine jeder Kategorie in einer Blindverkostung von einer Fachjury bewertet.
Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Benjamin Mayr (Del Fabro/Kolarik), Dragos Pavelescu (Önologe), Johannes Tremel (Weinhandel), Philipp Schäffer (Weinhandel) und der Autor