Der Frucht-Charmeur

Zweigelt konnte seinen Ruf als reiner Cuveé-Partner ablegen und glänzt heute sowohl reinsortig als auch Rieden-rein mit hohem Entwicklungs- potenzial.

(c) ÖWM

Text & Verkostung: Willi Balanjuk

Zweigelt ist die meistausgepflanzte Rotweinsorte in Österreich. Auf den rund 6.500 Hektar Rebflächen werden Weine auf allen Qualitätsstufen gekeltert. Die Rebsorte steht für einladende Beerenfrucht wie auch für Kirsche und ist jung gut antrinkbar. Sie wird deshalb im Vergleich zu Blaufränkisch, St. Laurent und Pinot noir qualitativ oft geringer eingeschätzt. Die neuere Geschichte des österreichischen Rotweins basiert auf vielen Cuvées – meist ein Blend aus Zweigelt und internationalen Rebsorten. Mit zunehmender Akzeptanz des heimischen Rotweins und dem Alter der Reben wird seit knapp fünfzehn bis zwanzig Jahren vermehrt auch reinsortiger, ­Rieden-reiner Zweigelt ausgebaut. Neusiedlersee und Carnuntum gelten als die Hauptanbaugebiete der Rebsorte. Göttlesbrunn, Gols und seit Jahren auch Andau matchen sich, wo die besten Zweigelt gekeltert werden. Die hohe physiologische Reife, die verfeinerte Extraktion und der dezentere Umgang mit neuen Barrique-Fässern ergeben eine vielschichtige Fruchtausprägung und dichte Struktur. Das samtige Tannin macht darüber hinaus den Charme der Rebsorte aus. Sowohl national als auch interna­tional werden die Fruchtpräzision und die Balance ­geschätzt.
 
A la Carte hat eine Zweigelt-Grand-Cru-Verkostung initiiert. Die rund 150 eingereichten Weine wurden in fünf Kategorien unterteilt.
In der Kategorie Zweigelt 2024 klassisch & Reserve präsentierten sich die Weine sehr charmant. Der Jahrgang mit seinen regional unterschiedlichen Heraus­forderungen (Spätfrost, Hagel, massive Niederschläge) profitierte von schönem Erntewetter am Jahresende. Die Lese konnte also mehrheitlich unter guten Bedingungen eingebracht werden. Da die Erntemengen gering waren und sehr selektiv gelesen wurde, verfügen die Weine über eine tiefe Farbe und sehr gute Konzentration. Die beiden Siegerweine präsentieren sich leicht kontroversiell. Die saftige Rubin-Carnuntum-Stilistik von Lukas Markowitsch steht der straffen, engmaschigeren Zweigelt-Alte-Reben-Variante von Paul Achs gegenüber. Beide sind wunderbare Vertreter der Rebsorte. Viele weitere 2024er kommen erst auf den Markt und werden enormen Trinkspaß vermitteln. 

Die Kategorie Zweigelt fruchtbetont 2023 überzeugte mit einladender, vielschichtiger Frucht. Alle Stärken der Rebsorte finden sich in diesem zugänglichen und balancierten Jahrgang. Die rund 40 Weine in dieser Kategorie präsentierten sich sehr ausgewogen. An der Spitze ­findet man die Zweigelt-Spezialisten wie die Familie Schwarz aus Andau, Markowitsch aus Göttlesbrunn und Reinisch aus Tattendorf. Auch ein New­comer setzte sich in Szene: das Weingut Bayer in Weiden mit dem 2023er-Zweigelt der Riede Bühl.

Die Weine der Kategorie Zweigelt und Zweigelt-dominierte-Cuvées 2023 & 2024 zeigten in dieser jugendlichen Phase etwas mehr Komplexität und gut verwobene Holzaromen. Der Admiral von René Pöckl ist seit Jahren ein Topwein auf höchstem Niveau. Genauso die Cuvée Xur von Werner Achs und die Cuvée Gols von Paul Achs. 

Die Kategorie Zweigelt und Zweigelt-dominierte Cuvées 2022 war fest in der Hand des Carnuntums. Philipp Grassl mit Ried Bärnreiser 1 ÖTW und seine Kollegen Netzl, Artner und Lukas Markowitsch unterstreichen die hohe Dichte der Spitzen-Zweigelt der Region. Die Mehrheit der Winzer verfügt in den Spitzenrieden über 35- bis 45-jährige Reben und interpretiert diesen trockenen und etwas kühleren Jahrgang hervorragend. Fruchttiefe und Balance am Gaumen vermitteln Rebsorten- und Jahrgangscharakter.

In der Kategorie Zweigelt und Cuvées 2021–2019 wurden immerhin noch 20 Weine eingereicht. Damit bestätigt sich das Alterungspotenzial der Rebsorte. Robert Goldenits 65 Zweigelt Neusiedlersee DAC Reserve Jahrgang 2021 präsentierte sich animierend fruchtig und harmonisch. Etwas  konzentrierter und mächtiger die Weine der Herausforderer Migsich, Winkler-Hermaden und Kirnbauer.

Zusammenfassend zeigt die Verkostung die Vielfalt der Interpretationen und das enorme Qualitätspotenzial dieser Weine der letzten fünf Jahrgänge. Zweigelt hat sich nicht nur im Cuvée-Bereich etabliert, auch die Rieden-reinen Weine zeigen Herkunft und Charakter. Das Entwicklungspotenzial der Rebsorte ist heute besser denn je. Viele 2024er kommen erst auf den Markt und verfügen über enormes Potenzial. 2023 präsentiert sich sehr einladend und kann bzw. sollte jung getrunken werden. Viele 2022er beginnen sich zu öffnen und stehen zu Unrecht im Schatten des 2021er. All jenen, die charmante und komplexe Frucht mit samtigem Tannin mögen, sei die Rebsorte in ihrer gesamten Bandbreite ans Herz gelegt. —

Verkostet und bewertet wurden die eingereichten Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die besten Weine jeder Kategorie in einer Blindverkostung von einer Fachjury bewertet.
Jurymitglieder sind: Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Benjamin Mayr (Del Fabro/Kolarik), Dragos Pavelescu (Önologe), Simon Schubert (Restaurant Reznicek), Johannes Tremel (Weinhandel), Philipp Schäffer (Weinhandel) und der Autor

Zu den Verkostungsergebnissen:
Zweigelt 2024 klassisch & Reserve
Zweigelt fruchtbetont 2023
Zweigelt und Zweigelt-dominierte-Cuvées 2023 & 2024
Zweigelt und Zweigelt-dominierte Cuvées 2022
Zweigelt und Cuvées 2021–2019