Fischig wie manchmal ein Chambertin

Blauburgunder ist in aller Munde und erstaunt Weinfans mit oft ungewöhnlichen Geschmacksbildern. Wir haben uns im Burgenland umgesehen und manchen Traumpinot gefunden.

Fischig wie manchmal ein Chambertin

Text von Michael Prónay Foto: beigestellt
Der Pinot (Noir) ist mit Abstand die heikelste Rotweinsorte überhaupt, und Fritz Wieninger, der sich in Wien seit Jahren intensiv mit dem Pinot beschäftigt, bringt es elegant auf den Punkt: "Es gibt Weißwein, es gibt Rotwein, und es gibt Pinot." Das bedeutet nicht weniger, als dass es bei allen anderen Rebsorten eine allgemein gültige Lehrmeinung, so quasi ein Handbuch mit den Parametern gibt, auf die es zu achten gilt, wenn man einen ordentlichen Wein machen möchte. Nur beim Pinot, da ist alles anders, da nützt kein Lehrbuch, da ist der Winzer gefordert wie bei keiner anderen Rebsorte. Dementsprechend ist auch die Bandbreite unserer Verkostung ausgefallen.
Insgesamt sind in ganz Österreich etwas über 400 Hektar mit Blauburgunder bestockt, zumindest war das 1999 zum Zeitpunkt der letzten Weingartenerhebung so, was einem Rebflächenanteil von 0,8% entspricht. Rein gefühlsmäßig dürfte der Pinot in den letzten Jahren leicht zugelegt haben, denn so mancher Winzer fühlt sich durch "die Hohe Schule des Weinmachens" (Fritz Wieninger über Pinot) herausgefordert. In Niederösterreich standen 1999 knapp 210 Hektar Pinot, im Burgenland etwas über 180. Damit liegt der Pinot im Burgenland mit 1,2% etwas über dem gesamtösterreichischen Durchschnitt. Interessant ist die Pinot-Noir-Verteilung innerhalb der Weinbaugebiete. In der Region Neusiedlersee-Hügelland liegt er unter den Roten mit 64 ha auf dem dritten Platz nach Blaufränkisch und Zweigelt. Im Seewinkel (Weinbaugebiet Neusiedlersee) ist er mit 89 Hektar auf Platz fünf, da liegen noch St. Laurent und Blauburger davor. Im Mittelburgenland (22 ha) ist’s derselbe Platz, da sind Cabernet und Blauburger davor. Im kleinen Südburgenland (6,5 ha) hat er Platz drei, wenn man die reinsortigen Weingärten zählt (sonst wäre der gemischte Satz vorne).
Wie soll ein Pinot Noir eigentlich schmecken? Selbst der weltweit versierteste Degustator älterer Weine, Michael Broadbent, der Doyen der englischen Weinschreiberzunft, kann es nicht wirklich beschreiben: "Reife Pinot-Trauben von der Côte de Nuits, nach traditioneller Methode vinifiziert, erfreuen das Auge mit einer samtigen Farbtiefe und mit deutlicher Viskosität. Ihr Bouquet ist ‚süßer‘ und voller als das ihres Gegenspielers Cabernet-Sauvignon im Bordelais; ihre Beschaffenheit am Gaumen ist beides – weich und voll zugleich, alkoholreich und samtig.
Das erste Hautperkennungszeichen wird von der Nase entdeckt im Pinot-Traubenaroma, das zu beschreiben ich persönlich für unmöglich halte, trotz der Empfehlung des Leiters einer Weinfachschule, ‚gekochte Rote Rüben‘ als Eselsbrücke zu benützen. Der Pinot-Geruch muss von jedem selbst identifiziert, isoliert und dann im Gedächtnis gespeichert werden." (Aus: "Weine – prüfen, kennen, genießen") Von Michael Broadbent stammt auch die Beschreibung eines Weinbouquets "fishy in a Chambertin sense", also "fischig wie manchmal ein Chambertin" (einer der größten roten Burgunder), und da ist auch schon die Verwandtschaft zu einem anderen englischen Autor, Anthony Hanson, gegeben, der in seinem Burgunderbuch formulierte: "True Burgundy smells of shit", echter Burgunder riecht wie Scheiße. So weit würden wir natürlich nicht gehen, aber gelegentlich auftretende (und meist mit Belüftung verschwindende) Anklänge an Misthaufen oder Pferdeschweiß sind beim Pinot durchaus nicht selten. Die sonst am häufigsten genannten – wesentlich freundlicheren – Deskriptoren sind rote Beeren (vornehmlich Erdbeeren und Himbeeren), gelegentlich auch Marzipan, Karamell und Lebkuchen.
Obwohl Pinot im Ausbau extrem heikel ist – alle Winzer betonen unisono, wie schwierig es ist, die delikaten Fruchtaromen zu erhalten –, ist die Bandbreite der Stile, in denen guter Pinot einherkommen kann, erstaunlich groß. Pinot verträgt auch neues Holz recht gut, wobei die Vanillenoten gut mit der Pinotaromatik harmonieren, solang es nicht des Guten zuviel ist. In unserer Verkostung war der Pinot Noir von Claus Preisinger das wunderschöne Beispiel eines modern ausgebauten, aber dennoch harmonischen Pinots. Wie gerufen kommt dann der ex aequo am ersten Platz gereihte Pinot von Axel Stiegelmar, betont konventionell ausgebaut, das neue Holz (so er überhaupt eines gesehen hat) nicht im geringsten spürbar. Diese beiden Weine an der Spitze unserer Verkostung stecken den Rahmen dessen, was einen erfolgreichen Pinot ausmacht, wunderschön ab.
Zur Erklärung unserer Verkostung: Wir ersuchten alle burgenländischen Winzer, die im Guide "Österreich A la Carte 2006" vertreten sind, um einen Pinot Noir ihrer Wahl. Der Jahrgang war freigestellt. Zu "unseren" Winzern nahmen wir noch den jungen Shooting Star Claus Preisinger dazu, dessen Pinot uns kürzlich ausgesprochen positiv aufgefallen ist.
Nun ist aber die Tatsache, dass ein Produzent im A-la-Carte-Guide vertreten ist, noch längst kein Garant dafür, dass er auch ein Pinotspezialist ist. Dementsprechend durchwachsen sieht denn auch das Ergebnis im letzten Viertel aus, wobei allerdings zwei schon oxidierte Fassproben nicht als repräsentativ gelten sollten. Für zwei völlig totoxidierte Flaschen hingegen gibt’s keine Entschuldigung, außer es war ein seltener Kork-Oxidations-Doppelfehler, der uns aber bisher erst ein einziges Mal (vor 15 Jahren bei einem Riesling von Peter Dolle) untergekommen ist.
Sieht man davon ab, ist das Ergebnis aber in hohem Maße erfreulich: 16 der 26 Weine kamen auf 90 und mehr Punkte – Pinotfreund, was kann dir Besseres passieren?

Die Bewertung

93 Claus Preisinger Gols, 2003 Pinot Noir 13,5%
Sehr modern im Stil, wunderschönes Toasting, dazu feine Frucht, Milchschokolade, ein Pinot zum Eingraben.
93 Juris – Stiegelmar Gols, 2002 Juris Pinot Noir Reserve 13%
Herrliche Maulbeernase, wunderbar sortentypisch; elegante, hochfeine Frucht, extraktsüß, seidiger Glanz, ein Erzpinot, bravo!
92 Beck Gols, 2002 Blauburgunder 13,5%
Feine, tiefe, blitzsaubere Nase, Frucht, Holz und Schoko feinst verwoben; herrliche Dichte, saftig, präzis, Zukunft.
92 Kloster am Spitz Purbach, 2003 Pinot Reserve 13,5%
Erdbeeren und Bienenwachs; wunderschöne, klare, weiche, aber blitzsaubere Pinotfrucht, die Beeren hüpfen aus dem Glas, ausgezeichnet.
92 Josef Lentsch Dankbarkeit, Podersdorf, 2003 Pinot Noir 14%
Pikant, "fishy in a Chambertin sense" (© Michael Broadbent); guter Biss, sehr sortenypisch, weiche Frucht, blitzsauber und klar, toller Stoff.
92 Mariell Großhöflein, 2002 Blauburgunder Reserve 13,5%
Feine, dezente, wunderschöne Himbeerfrucht; feiner Biss, Hauch Schoko, wunderschön verwoben, ausgezeichnet.
92 Schloss Halbturn 2003 Pinot Noir 13,5%
Tiefgang pur, Beeren und Kirschen, ungewöhnlich dicht; herrliche Frucht, dicht, saftig, prachtvoll, ist aber – kurz nach der Füllung – noch nicht ganz auf der Höhe.
91 Birgit Braunstein Purbach, 2004 Pinot Noir 13,5%
Wunderschöne, erztypische Beerennase, fein verwoben; wunderschön feine Frucht, noch ein wenig jung, aber der Pinot glänzt und strahlt.
91 Robert Goldenits Tadten, 2003 Pinot Noir 13,5%
Klassische Pinotnase, dazu Pocket Coffee; feingliedrige, sehr dezente, schokoverwobene Frucht, wunderbarer Biss, ausgezeichnet.
90 Walter Hahnenkamp Eisenstadt-St.-Georgen, 2003 Pinot Noir Reserve Lehmgrube 14%
Dezente Wildkirschfrucht, Bonbons, freundlich und zugänglich, duftig und ätherisch, sehr freundlich und animierend.
90 Johann Heinrich Deutschkreutz, 2003 Weißes Kreuz Pinot Noir 13,5%
Weiche Beerenfrucht mit einem zarten Hauch von Oxidation. 2. Flasche merklich besser, reintönig, sehr pinotfruchtbetont, wenig Holz, Hauch Preisel- und Himbeeren, ausgesprochen klassisch, mit gutem Biss ausklingend.
90 Rudolf Kaiser Eisenstadt-Kleinhöflein, 2003 Pinot Noir 13,5%
Reife Nase, ein wenig wie alter Rum; wunderschöne Frucht, sehr präzis, modern, gutes Holz, sehr fein.
90 Josef & René Pöckl Mönchhof, 2003 Pinot Noir 14%
Etwas ledrig und animalisch; weiche Textur, guter Kern, Hauch Erdnuss, schöner Biss, braucht noch viel Zeit.
90 Birgit & Helmuth Renner Gols, 2003 Blauburgunder Schmalgrund 13%
Zarte, feine Pilz-Beeren-Note; elegante, feine Frucht, ätherisch, ein bissel auf der alkoholischen Seite, aber verwoben und delikat.
90 Josef Umathum Frauenkirchen, 2003 Pinot Noir Unter den Terrassen zu Jois 13,5%
Zedernholz, Möbelwachs; feine dichte, weiche, ruhig fließende, cremige Textur, füllig und dicht, saftig, nicht unbedingt pinot-typisch, könnte sich aber noch mausern.
89 Albert Gesellmann Deutschkreutz, 2003 Pinot Noir Siglos 13%
Feine, zarte Pinotnase mit einem Hauch von Unterholz; feine Frucht, zarte Himbeeren, warme Frucht, nicht holzüberladen, elegant und fein.
88 Gsellmann & Gsellmann 2003 Pinot Noir 13,5%
Verhalten, leicht confitig; weiche Fülle, mürbes Tannin, nur die Frucht lässt ein wenig zu wünschen übrig.
87 Gerhard Pittnauer Gols, 2003 Pinot Noir Reserve 13,5%
Saftige Nase, dicht, ziemlich konzentriert, herzhaft, viel Tannin, ein wenig aus der Balance.
86 Klosterkeller Siegendorf 2003 Blauburgunder Pinot Noir 13%
Sehr zarte Pinotfrucht; mehr Mineralität als Frucht, verhalten, sauber, wenn auch mit wenig Animo versehen.
85 Helmut Preisinger Gols, 2003 Pinot Noir 13%
Animalisch-extrahierte Pinotnase; PEZ-Wildkirsche, Wiener Zuckerl Johannisbeere, sehr eigenwillig und nicht wirklich Pinot-typisch.
84 Terra Galos Achs-Tremmel Gols, 2003 Pinot Noir Barrique 14%
Unfein, Latschenkiefer, sehr eigenwillig; tanninig, flach, kein Vergnügen.

Ohne Wertung
Haus Marienberg Oggau, 2003 Pinot Noir Premium 12,5%
Etwas diffus, auch ein wenig ältlich; keine Frucht, völlig verhalten. Zweite Flasche kaum besser.
PMC Münzenrieder Apetlon, 2003 Pinot Noir vom Dorn 13%
Totoxidiert. Beide Flaschen gleich.
Willi Opitz Illmitz, 2004 Pinot Noir ?% Oxidierte Fassprobe, mit flüchtiger Säure. Unbeurteilbar.
Franz Weninger Horitschon, 2004 Pinot Noir Kalkofenboden ?%
Schon leicht oxidierte Fassprobe, dahinter aber kernige Frucht; herzhafter Biss, sehr jung, derzeit kaum beurteilbar, hat aber sehr, sehr gute Anlagen.