Am Laibach

So nah und kaum entdeckt. Die slowenische Hauptstadt Ljubljana punktet mit aufregender Architektur und einer zunehmend spannenden Lokalszene.

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Text von Georges Desrues

Der beste Ort, um sich einen Überblick über Ljubljana und die einzigartige Lage der Stadt zu verschaffen, ist der sogenannte „Wolkenkratzer“ im Stil des Art déco aus den 1930er-Jahren. Von der Terrasse des Dach-Cafés blickt man in Richtung Norden auf die Karawanken und die Steiner Alpen und im Süden auf das beginnende Dinarische Gebirge, das sich bis nach Albanien zieht. Hier also endet Mitteleuropa und beginnt der Balkan. In Richtung Südwesten öffnet sich aber auch eine helle Schneise, die aus dem Laibacher Becken hinausführt, die alte Handelsroute entlang bis nach Triest und ans viel gerühmte Licht des Mittelmeers. Ljubljana liegt folglich am Schneidepunkt dreier geo­grafischer und kultureller Räume, was sich in Lebensgefühl, Architektur und natürlich in der Küche der slowenischen Hauptstadt gleichermaßen widerspiegelt.

Der prächtige Wolkenkratzer selbst wurde nach Plänen des Architekten Vladimir Šubic errichtet und gilt damit als Ausnahme im Stadtbild. Denn in der Zwischenkriegszeit baute hier vorwiegend einer. Nämlich der große Jože Plecnik, ein Schüler Otto Wagners, dessen Arbeiten in Ljubljana im Vorjahr ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen worden sind und dessen 150. Geburtstag die Stadt heuer feiert.

Vom „Wolkenkratzer“ sind es nur wenige Gehminuten bis ans pittoreske Ufer der Ljubljanica (des einstigen Laibachs), die das Stadtzentrum durchfließt. Die spektakuläre, bizarre Dreifachbrücke namens „Tromos­tovje“ ist gleichfalls ein Werk Plecniks und eines der Wahrzeichen der Stadt. An den Ufern des beschaulichen Flusses reiht sich ein Gastgarten an den anderen, im Winter liegen Wolldecken bereit, im Sommer spenden Weiden und Kastanienbäume Schatten. Direkt am Wasser liegen auch die Gebäude der Markthalle, gleichfalls ein Werk von Plecnik, gestaltet im Stil eines römischen ­Forums mit Elementen der italienischen ­Renaissance. Im Untergeschoß ist der Fischmarkt untergebracht, und es wird vor allem Meerestier aus der nahen Adria angeboten. Am Vorplatz findet an Wochentagen ein bunter Bauernmarkt statt. Und an Freitagen, bei Schönwetter, ein sehr belebtes Food-Festival namens Open Kitchen, bei dem Restaurants aus der Hauptstadt und Umgebung aufkochen.

Einige Schritte weiter, gleich hinter der barocken Kathedrale, hat sich mit dem Klobasarna ein winziges Lokal auf jene Wurst spezialisiert, die offenbar nicht nur hier als nationales Erbe betrachtet wird. Man erinnere sich an den bizarren Auftritt eines österreichischen Landwirtschaftsministers, der vor einigen Jahren resolut vor die Presse trat und entschlossen verkündete, dass man sich die Käsekrainer mit „Sicherheit nicht verbieten lassen werde“. Geschuldet war die kämpferische Ansage einem Antrag Sloweniens bei der EU, den Namen Krainer Wurst als offizielle Herkunftsbezeichnung schützen zu lassen. Glücklicherweise konnte der in Folge als „Wurstkrieg“ bezeichnete gastro-diplomatische Konflikt dank einer Ausnahmeregelung für die österreichische Variante freundschaftlich beigelegt werden.

Verwandt in vielen Details
Neben der ikonischen Rauchwurst bietet das Klobasarna auch eine Suppe ­namens Ricet an, bei der es sich um die lokale Version des Kärntner Ritschert handelt, einer Art Eintopfsuppe also, mit Rollgerste und Hülsenfrüchten ­sowie grünen Bohnen. Letztgenannte werden im Slowenischen übrigens „fižol“ genannt, von dem sich der Austriazismus „Fisolen“ unübersehbar ableitet. Ein weiteres Gericht, das sich dies- und jenseits der Grenze findet, ist das Omelette aus Käse und Speck, das in Kärnten Frigga und in Slowenien Frika geschrieben wird.

Die Liste an Gemeinsamkeiten ließe sich beliebig fortsetzen. Was in erster Linie freilich der Tatsache geschuldet ist, dass beide Länder über viele Jahrhunderte Teil desselben Kaiserreichs waren. Das wiederum erklärt, wieso sich in Slowenien, das erst nach dem Ersten Weltkrieg zu einer relativen Autonomie innerhalb des „Staates der Slowenen, Kroaten und Serben“ gefunden hat, nie eine richtige Hoch­küche entwickeln können hat, wie sie an den Königshöfen in den Hauptstädten unabhängiger Staaten entstanden ist.

Stattdessen entspringt die lokale Küche viel mehr der bäuerlichen Tradi­tion. Wie etwa im Fall eines der emblematischsten Gerichte Sloweniens, nämlich „štruklji“, eine Art gekochter Strudel aus Mehl- oder Germteig, der salzig oder süß daherkommen kann und einst auch in Kärnten verbreitet war, bevor er dort in Vergessenheit geriet. Zweifellos ist es den Jahrzehnten der sozialistischen Planwirtschaft geschuldet, dass man alteingesessene Lokale in ganz Slowenien nur schwer findet; und auch in Ljubljanas Zentrum eher vergeblich sucht. Dazu fährt man besser in die grünen Hügel der nahen und dennoch schon landwirtschaftlich geprägten Peripherie. Etwa ins Gasthaus Mihovec, wo die Familie Trnovec Klassiker der lokalen Küche hochhält – wie eben „štruklji“, aber auch „bleki“, eine lokale Pasta aus Vollkornmehl – und die Zutaten dafür zum Großteil vom eigenen Bauernhof bezieht.

Fine Dining im Zentrum
Aber man will ja auch im hübschen und überschaubaren Zentrum herum­spazieren, sich mit Plecniks Arbeiten beschäftigen und mit den städtebaulichen Visionen des in Wien ausgebildeten Architekten, dessen Ziel und Auftrag waren, aus der Provinzstadt eine würdige Hauptstadt der Slowenen zu machen. Dazu eignet sich das Restaurant JB des in seiner Heimat hochrespektierten Janez Bratovž. Der Küchenchef gilt als Pionier der lokalen Hochküchenszene und serviert seine unprätentiösen Speisen, wie etwa die ikonischen JB-Ravioli, gefüllt mit Frischkäse, Pistazien und Gänseleber, in einem von Plecnik designten Speisesaal im eleganten Stil des Art déco mit dunkelgrünem Marmorboden.

Die zwei anderen Fine-Dining-Adressen sind das Restaurant Strelec, das hoch oben im Turm der alten Burg untergebracht ist und für Durchtrainierte zu Fuß und für alle anderen per Standseilbahn zu erreichen ist. Der Ausblick ist mächtig, die Küche von Igor Jagodic gepflegt, wenngleich, wie etwa im Fall des Rehfilets mit Roten Rüben, Lardo und Schwarzen Ribiseln, vielleicht doch etwas zu brav. Genau das Gegenteil trifft auf das zweite Lokal dieser Kategorie zu. Im Atelje experimentiert der viel gereiste Küchenchef Jorg Zupan sowohl mit Trendigem wie Fermentationen und ehemals Trendigem wie flüssigem Stickstoff und erzielt damit bisweilen durchwachsene, fallweise auch überzeugende Resultate. Letztgenanntes etwa im Fall von Oktopus mit Kokos, Tamarinde und hausgemachter ­XO-Sauce.

Und dann ist da noch das TaBar, das nicht wirklich Fine Dining, aber eine doch ziemlich anspruchsvolle und ambitionierte Küche in Form von kleinen Gerichten beziehungsweise Tapas bietet. Küchenchef ist Jakob Pintar, der drei Jahre im Wiener Steirereck gearbeitet hat und seiner Kreativität hier mitunter freien Lauf lässt. Wie etwa im Fall von hausgemachter Brioche mit Miesmuscheln und Kren. Es gibt aber auch die sensationellen Wildfleischsalamis von David Lesar, darunter auch jene aus Bärenfleisch. Allesamt wunderbare Begleiter zu einer eindrucksvollen Auswahl an naturnahe erzeugten Weinen, von denen es etliche auch glasweise gibt.

Gleichfalls kein Spitzenrestaurant im herkömmlichen Sinn und dennoch das vielleicht beste Lokal der Stadt nennt sich Monstera bistro und liegt in einer schmalen Gasse an dem vom TaBar gegenüberliegenden Ufer. Das Dekor ist geradezu skandinavisch schlicht gehalten, die Küche geradlinig und an exzellenten Zutaten orientiert. Mittags gibt’s eine kleine, äußerst befriedigende Auswahl an Tagestellern wie etwa Rindsbackerl mit Püree und gerösteten Gemüsen sowie Vorspeisen wie Schweinehals mit Radicchio und Aioli mit Kernöl (öha!) oder Spinatsuppe mit Birne. Und abends ein etwas höhergestecktes Verkostungsmenü aus fünf oder sieben Gängen.

Ana Roš bäckt
Nun ist es freilich nicht einfach, von Essen in Slowenien zu sprechen, ohne jene Köchin zu erwähnen, die das Land – gastronomisch gesprochen – weltweit bekannt gemacht hat. Doch bislang betreibt Ana Roš, die neben einer ehemaligen amerikanischen Präsidentengattin und einigen Sportlern international wohl bekannteste Bürgerin des Landes, noch kein Lokal in der Hauptstadt. Vor wenigen Wochen allerdings eröffnete die Wirtin des für viele besten Restaurants Sloweniens, des zwei Autostunden von Ljubljana entfernt gelegenen Hiša Franko, eine kleine Bäckerei im Stadtzentrum, die in der Regel noch am Vormittag aus­verkauft ist. Gegen Jahresende soll dann ein Restaurant folgen, allerdings nicht der gehobenen Art, sondern vielmehr ein qualitätsorientiertes Bistro, wie Roš betont. Und das ist zweifellos etwas, das Ljubljana noch gut gebrauchen kann. —

Adressen

Restaurants

JB
Klassiker unter den gehobenen Restaurants der Stadt, untergebracht in einem Gebäude des Architekten Jože Plecnik.
jb-slo.com/en/home

Strelec
Spektakulär in der alten Burg gelegenes Lokal mit klassisch gehobener Küche.
restavracija-strelec.si

Atelje
Experimentierfreudiges Restaurant im Stadtzentrum.
restavracijaatelje.com

Monstera bistro
Sympathisch-modernes Bistro mit exzellenter, unprätentiöser Küche, das im kommenden Jahr an einen anderen Ort übersiedeln wird.
monsterabistro.si

Gostilna As
Weitläufiges Lokal in einem Innenhof mit guten Fleisch- und weniger ­gelungenen Fischgerichten.
gostilnaas.si

Restavracija Penklub
Ambitionierte Küche im ersten Stock einer prächtigen Art-déco-Villa im Museumsviertel. facebook.com/penklubrestavracija

Mesarija in Kuhinja Krušic
Spezialisiert auf das in Slowenien nach wie vor sehr beliebte Pferdefleisch.
mesarstvo-krusic.si

Ausflugsgasthäuser

Gostilna Mihovec
Gediegenes Ausflugsgasthaus mit traditioneller, bodenständiger Küche und angeschlossener Landwirtschaft;
ca. 30 Minuten vom Stadtzentrum.
gostilnamihovec.si

Gostilna Skarucna
Deftige slowenische Hausmannskost in rustikal-üppigem Rahmen mit flamboyantem Gastgeber; ca. 25 Minuten vom Stadtzentrum.
skarucna.si/en

Gric
Vom talentierten Küchenchef Luka Košir betriebenes, sympathisches und zugleich anspruchsvolles Landgasthaus mit eigener Entenzucht und Michelin-Stern; ca. 45 Minuten vom Stadtzentrum.
gric.si/en

Snacks

Klobasarna
Winziges Lokal, spezialisiert auf die nationalsymbolische Krainer Wurst.
klobasarna.si

Fetiche
Patisserie im französischen Stil und mit japanischem Patissier, die all­gemein als die beste der Stadt gilt. Auch Salziges und im Sommer Eiscreme.
fetichepatisserie.com

Pekarna Ana
Neu eröffnete Bäckerei der Starköchin Ana Roš mit exzellenten Brot­waren sowie Kaffee und Snacks.
Slovenska cesta 30, T +386/40 568 300

Burek Olimpija
Die besten Bureks der Stadt – wie viele meinen. Slovenska cesta 58, T +386/31 386 687

Nobel Burek
Die besten Bureks der Stadt – wie viele andere meinen. Miklošiceva cesta 30, T +386/1 232 33 92

Odprta Kuhna (Open Kitchen)
Sehr gut besuchtes Food Festival, das freitags im Stadtzentrum rund um den Marktplatz abgehalten wird.
odprtakuhna.si/en

Hotels

Grand Hotel Union
Traditionshotel in einem Jugendstilgebäude in sehr zentraler Lage.
grandhotelunioneurostars.com

Hotel Slon
Traditionshotel in einem Art-déco-Gebäude in sehr zentraler Lage.
hotelslon.com

Wein

TaBar
Sehr zentral gelegene, sehr gut sortierte moderne Weinbar mit ambitionierten und ansprechenden Gerichten in Form von Tapas sowie Gastgarten mit Baum.
tabar.si

Vinoteka Štorija
Kleine Weinhandlung mit ausgesuchten, nicht nur slowenischen, naturnahe erzeugten Weinen, auf freundliche Anfrage auch zum Verkosten. Facebook: Wine Store Storija

Bier

Tektonik
Lokale Kleinbrauerei mit angeschlossenem Taproom und Snacks.
tektonik.beer/domov.html

Lajbah
Hippes Bierlokal am Flussufer mit großer Auswahl an lokalen Sorten.
lajbah.si

Kaffee

Caffe Nebotiˇcnik
Štefanova ulica 1, Café mit toller Dachterrasse in einem ikonischen „Wolkenkratzer“ im Stil des Art déco. Štefanova ulica 1, T +386 41 395 003

Kavarna Moderna
Kaffeespezialitäten im Museum für Moderne Kunst.
kavarnamoderna.si

Stow
Hippe Kaffeebar im Stadtmuseum.
stow.si

© Suzan Gabrijan
Janez Bratovž, Pionier der gehobenen Küche, mit unterstützendem Sohn Tomaž und Tochter Nina, die sich im prachtvollen Art-déco-Ambiente um den Wein kümmert
© Suzan Gabrijan
Fine Dining mit toller Aussicht: Igor Jagodic vom Restaurant Strelec.
© Dean Dubokovic
© Dean Dubokovic
Jorg Zupan vom Atelje – ­zweifellos einer der kreativsten und experimentierfreudigsten unter den slowenischen Köchen
© Suzan Gabrijan
© Suzan Gabrijan
Gregor Jelnikar bietet im Monstera bistro unprätentiöse ­Küche mit skandinavischer Ästhetik.
© Monstera bistro
© Monstera bistro
Wegen starker Nachfrage unter Dauerdruck: Anže Kranjec und Nataša Đuri´c vor Ana Roš kürzlich ­eröffneter Bäckerei
© Pekarna Ana