Aroma-Start up

Unter dem Label NUSSYY hat Carina Pirngruber mit gefriergetrockneten Superfruits und aromatisch umhüllten Nüssen in knapp einem Jahr eines der erfolgreichsten Start-ups am heimischen Food-Markt gegründet.

Text Christian Grünwald · Fotos Michael Reidinger

Gibt es etwas Verlockenderes als vollreifes Früchtearoma von Erdbeeren? Die Krux dabei ist die Flüchtigkeit des optimalen Aromas. Es besteht je nach Sorte nur für recht kurze Zeit und dazu lässt sich auch die Saisonalität der Frucht nicht überlisten. Das musste schon jeder einmal einsehen, der im mitteleuropäischen Winter sehnsüchtig perfekt aussehende Beeren gekauft hat und ob ihres faden Geschmacks enttäuscht wurde.

Die Früchte im möglichst optimalen Zustand zu gefrieren, ist für einige Verwendungszwecke die Lösung. Wer allerdings jemals die wiederaufgetaute Ware besichtigt hat, kennt auch die gatschartigen Nachteile.

Aber da ist auch noch die Technologie der Gefriertrocknung. Dabei wird die jeweilige Rohware erntefrisch gefrostet und in Vakuumkammern gefriergetrocknet. Das als Eis gebundene Wasser wird aus den Pflanzenzellen herausgelöst. Geschmack, Form, Farbe und Größe bleiben erhalten. Ein Aromaspeicher für viele Jahre, abseits aller Saisonen und Ernten, jederzeit aktivierbar.

Carina Pirngruber hat das Naheliegende getan und Erdbeeren sowie Himbeeren gefriergetrocknet und dafür eine ungemein schmucke Verpackung kreiert, die sämtliche Anforderungen erfüllt: Sie fühlt sich materialmäßig enorm gut an, ist wiederverschließbar, bewahrt das Produktaroma und gewährt auch noch genug Platz für die grafischen Ideen der Initiatorin. Da ist dann von „eat care love“ zu lesen, aber auch von einer Unterstützung des Jane-Goodall-Instituts und vor allem, dass die Früchte ausschließlich aus Bio­anbau stammen. „Anfangs ging es mir vor allem um die tadellose Herkunft aus Österreich und die für unser Projekt geeigneten Früchte.“ Letztlich wurde ein niederösterreichischer Erdbeerbauer gefunden, der sogar biozertifiziert ist. Die Größe der Erdbeeren beträgt gerade einmal 2 cm; ideal, wenn man weiß, dass die großbeerigen Früchte nur mäßig Aroma in sich tragen – also nur kleine Erdbeeren wirklich taugen. Weniger ideal, wenn man sich nicht nur das vergleichsweise mühsame Handling bei der Ernte vor Augen hält, sondern auch um das Prozedere vor der Gefriertrocknung weiß: Da muss aus jeder Erdbeere manuell das Kelchblatt samt Strunk entfernt werden. Noch extremer und heikler ist die Fitzlerei bei den empfindlichen Himbeeren, die ebenfalls mit einem verführerischen idealtypischen Geruch, süß-säuerlichem Aroma und der sehr speziellen crunchigen Gefriertrocknungs-Konsistenz ausgestattet sind. Letztere ist auch bei ergänzenden Produktlinien aus Chia­samen und Gojibeeren
sowie den Cacaonibs, in Stücke gebrochenen ­Kakaobohnen, deutlich schmeckbar. Die Verwendungszwecke dafür sind vielfältig: im Müsli, im Smoothie, aber auch in Drinks.

Wie viel das Wasser bei einer Frucht ausmacht, verdeutlichen zwei Zahlen: Aus 150 Gramm frischen Erdbeeren werden 15 Gramm gefriergetrocknete Früchte.

Gefriergetrocknet wird bei einem darauf spezialisierten Betrieb in Oberösterreich, wo auch Heinz Reitbauer in Österreich geerntete ­Physalis behandeln lässt, ehe sie im Steirereck als fruchtig-säuerlicher Kontrapunkt auf einigen Tellern auftauchen. Verglichen mit angewandten Experimentalküchen wie jener von Elena Arzak in San Sebastian, wo sogar Bonito und allerlei Gemüse als Aromaspeicher in Granulatform gefriergetrocknet und dann bei Bedarf aktiviert werden, erfolgt die Anwendung dieser Technologie hierzulande aber noch recht zögerlich.

Bei der Gefriertrocknung der ganzen NUSSYY-Früchte entstand auch regelmäßig reichlich Pulver, das die gleiche Aromenintensität besitzt und nun, in handlicher Menge abgefüllt, für noch mehr Verwendungszwecke in diversen Mischungen eingesetzt werden kann.

Gefriergetrocknetes Pulver von allen erdenklichen Ausgangsprodukten wie Mango, Fenchel, Grüntee oder Blüten­pollen war der eigentli­che Ausgangspunkt des NUSSYY-Start-ups. ­Vor zwei Jahren musste Carina Pirngruber ihre Ernährung wegen Nahrungsmittelintoleranzen komplett umstellen. „Wahrscheinlich wegen Stress und negativer Lebensumstände habe ich in erster Linie Säfte vertragen – kein Dauerzustand also.“ Die konsultierten Ärzte waren recht ratlos, rieten davon ab, als Pirngruber Appetit auf Nüsse entwickelte. Letztlich päppelte sie sich mit den darin enthaltenen Fettsäuren schrittweise wieder auf, gleichwohl Macadamia, Cashew und Mandeln auf Dauer eine recht eintönige Kost darstellten. Weil sich auch frische Früchte auf der Unverträglichkeitsliste befanden, kam der Tipp mit gefriergetrockneten Früchten. Es folgten die Versuche in der eigenen Küche mit dem Trocknen und Pulverisieren verschiedenster Produkte. „Die Wohnung war voll mit Himbeerstaub …“ Haushaltsgeräte wie ein Kenwood-Chef wurden mit selbstgebasteltem Zubehör ergänzt, um die Nüsse zart zu rösten und sie dann hauchdünn mit dem jeweiligen Geschmack zu umhüllen. Bis die aromatische Ummantelung dauerhaft und hauchdünn an den Nüssen haften blieb, waren unendlich viele Learning-by-Doing-Übungen nötig. Wie es genau funktioniert, bleibt ein streng gehütetes Geheimnis, nur so viel sei verraten: Es hat mit der richtigen Temperatur, dosierter Bewegung und einem Hauch Gummiarabicum zu tun.

Die gelernte Mediendesignerin entwarf hochwertige Ver­packungen in Form von handgemachten Kartons und Apothekengläsern und kreierte die typografische ­NUSSYY-Welt. Carina Pirngrubers Lebensgefährte Ali Rahimi, ein ungemein vielseitiger Networker, der seinen Titel als UN-Sonderbotschafter für viele karitative und gesellschafts­politische Projekte nützt und dafür sogar Persönlichkeiten wie Bill ­Clinton in seinem Wiener Innenstadtpalais begrüßen durfte, machte die ­styli­schen Luxusnüsse bei Charitys mit Vivienne Westwood, Ban Ki-moon, Jane Goodall oder Hermann Nitsch bekannt. Der daraus resultierende Effekt war erwünscht und ergab zugleich eine Beschränkung: Die Herstellung der Nüsschen ist nur in zeitaufwendiger Handarbeit möglich, eine maschinelle Produktion könnte nie die jetzige handwerkliche Qualität erbringen. Jetzt harren die Nüsse auf eine neuerliche Produk­tionswiederaufnahme im größeren Stil, bis dahin wird es immer wieder exklusive Kleinserien geben.

Die NUSSYY-Produkte werden derzeit in allen Filialen der Spar-Gruppe angeboten. Der karitative Aspekt ist Carina Pirngruber nach wie vor ein Anliegen: Ein Teil der Einnahmen geht direkt an das Jane-Goodall-Institut.

Bei dem derzeit vorgelegten Tempo ist anzunehmen, dass man wohl schon bald von weiteren Produkten aus Carina Pirngrubers Manufaktur hören wird. Schließlich benötigen große Lebensmittelkonzerne für die Entwicklung und Markteinführung einer derartigen Produktlinie im Normalfall zwei Jahre. Die NUSSYY-Gründerin schaffte es in sechs Monaten. – Ein Start-up also, das noch lange nicht am Ziel ist.

www.nussyy.at