Ciao Roma!
Von Trattorien, Pizzerien – und ein paar Sternelokalen.
Die Pandemie hat uns alle heftig getroffen – aber angeblich hat sie auch ihre gute Seite. Die hat Starkoch Heinz Beck vom La Pergola, seines Zeichens der höchst dekorierte Chef in der römischen Hauptstadt, entdeckt: „In der Krise ist viel weniger gefischt worden, die Bestände haben sich verbessert, daher gibt es heute mehr und noch bessere Ware, die von den Fischern angeliefert wird.“
Ja, Hans Beck serviert tatsächlich nur das Beste vom Besten aus der italienischen Küche auf der Terrasse des Cavalieri Hotels. Ausgerechnet ein Deutscher als Nummer eins der italienischen Küche? „Ich bin so lange da, eigentlich bin ich jetzt schon Italiener …“, lacht er und präsentiert sein Gourmetmenü: vom marinierten Adlerfisch mit Knollensellerie über Tintenfischsalat und Jakobsmuscheln mit Wildem Blumenkohl bis hin zum Seebarschfilet mit Pistaziencreme. Ein wahrer Geschmackstraum, immer ergänzt um seine berühmten Fagottelli (handgemachte Nudeln mit flüssigem Pecorino-Obers). Das Ganze hat allerdings einen, sagen wir pekuniären, Haken: Fürs Zehn-Gänge-Menü werden 290 Euro berechnet, zu zweit und mit ein paar Gläsern Wein sind wir dann schon bei über 700 Euro für einen – zugegebenermaßen – schönen Abend.
Für all jene, die gerne Gourmetküche genießen, aber das zu christlichen Preisen tun wollen, ein paar zweckdienliche Hinweise: Im Per Me, eine Straße vom Tiber entfernt, lässt Giulio Terrinoni die üblichen Italianità weg und serviert eine schnörkellose, aber hochklassige Küche. „Bei mir gibt es Typisches aus ganz Italien, möglichst von regionalen Produzenten, die wir persönlich ausgesucht haben“, erzählt er bei der Begrüßung. Dann kommen Scampi-Carpaccio mit Foie gras, gerösteter Tintenfisch mit Seeigel, Carbonara di mare (Spaghetti aus Fisch), eine Fischsuppe und ein Kabeljau mit Artischocken auf den Tisch. Übrigens erst nach sechs kleinen Vorspeisen, alles zusammen um 95 Euro. Da kann man nicht meckern.
Im Marzapane in der Via Flaminia versucht man, alte Rezepte wieder zum Leben zu erwecken und konzentriert sich mehr auf Fleisch als auf Fisch. Schweinefleisch mit scharfem Kohl, Safranrisotto mit Leber und Spaghetti mit Lamm und grünem Pfeffer kommen aus der offenen Küche. Oder man reserviert im Retrobottega in der Nähe des Pantheon, wo man an langen Tischen sitzt und acht Gänge um 110 Euro genießt. Lebhaft geht es da zu, aber die Qualität lässt nicht zu wünschen übrig. Forelle, Lamm, Tintenfisch, Kalbsbries, Tagliatelle, Tortelli, Ente, Schokolade heißt es stakkatomäßig auf der Karte – und für Vegetarier gibt’s acht Mal Gemüse von Lauch bis Sellerie als Menü.
Wer nach Rom fliegt, ob auf Kurzurlaub oder weil die Arbeit ruft, der freut sich vor allem auf einen kulinarischen Zufluchtsort: die ordentliche Trattoria mit vorzüglicher Pasta und danach etwas Handfestes. Der Gründer der Slow-Food-Bewegung, Carlo Petrini, hat seiner Gefolgschaft das Flavio al Velavevodetto empfohlen, und zwar zu Recht. Im Süden der Stadt bei den Testaccio-Hügeln sitzt man in einem von Wein umrankten Gastgarten oder, wenn es zu kalt ist, in einem der drei Gewölbekeller. Die Artischocken à la Romana und der Prosciutto kommen beim Eintreffen fast automatisch an den Tisch und dann – wie erhofft – Pasta zum Niederknien. Spaghetti, Fettuccine, Rigatoni, Tonnarelli und so weiter und so fort. Am besten, man bestellt für die ganze Familie, lässt alle Köstlichkeiten in der Mitte des Tisches servieren und kostet sich durch. Aber bitte nicht zu viel Pasta auf den Teller häufen, denn als Hauptspeise warten noch Kalbskutteln, Ochsenschwanz und Kalbsragout.
Je nachdem, welche Sehenswürdigkeiten man in Rom besucht, gute Trattorien sind immer in der Nähe. Cesare al Casaletto liegt gleich neben dem Vatikan, dort servieren Leonardo und Maria römische Klassiker in einer modernen Variation. Die gebratenen Gnocchi kommen mit einer Käse-Pfeffer-Sauce in der berühmten Kombination „Cacio e Pepe“, und die Lammrippchen werden mit Bröseln paniert und in Öl ausgebacken. Wer das Kolosseum besucht, kann entweder vorher brunchen oder nachher zu Abend essen – und zwar im Santo Palato, fünf Minuten Fußmarsch von der antiken Arena entfernt. Dort werkt Sarah Chicollini, eine der wenigen weiblichen Chefs in Rom (da gibt’s noch Nachholbedarf!), sie hat bei Massimo Bottura in Modena gelernt – eine bessere Ausbildung gibt es wohl nicht.
Und natürlich kann man auch die In-Trattoria Pierluigi im Zentrum besuchen. Dort haben schon Mark Zuckerberg und Barack Obama diniert – Pasta und Pesce sind trotz des prominenten Andrangs erstklassig.
Der Höhepunkt der Trattoria-Kultur zeigt sich aber gezählte sechzig Schritte vom antiken Pantheon-Tempel entfernt. Dort liegt das Armando, seit mehr als sechzig Jahren einer der Hotspots der italienischen Metropole, Armando Gargioli hat 1961 ein eher heruntergekommenes Lokal in Schuss gebracht, bis heute hat sich nicht viel verändert. Dunkle Holztäfelung, gemütlich und nicht so laut wie andere Etablissements und mit einer römischen Küche wie aus dem Bilderbuch – so präsentiert es sich bis heute.
Armando ist schon lange in Pensionn, aber Claudio und Fabricio, seine Söhne, stehen heute in der Küche, und Enkelin Fabiana sorgt als Sommelière für die Weinbegleitung. Nach der tagesaktuellen Pasta gibt’s ein Bollito di manzo, dünn geschnittener Tafelspitz mit Zwiebeln und Tomaten, Saltimbocca alla Romana, Kalbsragout mit Speck oder die hausgemachte Salsiccia, die dicke Schweinswurst mit dicken Bohnen. Ehrlich, man hat noch nie jemanden schlecht gelaunt aus dem Armando al Pantheon heimgehen sehen.
Was natürlich auch am Wein liegt, den man nicht nur dort, sondern in allen Trattorien zu wirklich ordentlichen Preisen trinken kann. Um 25 bis 40 Euro stehen vor allem Weine aus der näheren Umgebung und aus Kampanien auf der Karte, die man – wenn man schon einmal vor Ort ist – sinnhafterweise statt der teuren Sassicaias, Ornellaias und Tignanellos auch verkosten sollte.
Aus 3.000 Flaschen auf der Weinkarte kann man bei einer der gefragtesten Gourmetadressen in Rom wählen, der Salumeria Roscioli auf der Via dei Giubbonari, mitten in der Fußgängerzone. Das war einstens eine Delikatessenhandlung und hat sich über die Jahre auf drei Etagen ausgedehnt, wo man auch wunderbar essen kann – vor allem ideal zum Lunch. Am Eingang sitzt die gestrenge Chefin und lässt niemanden rein, der nicht reserviert hat; und reservieren muss man unbedingt, und zwar rechtzeitig (und am besten sitzt man im Erdgeschoß), denn der Laden ist jeden Tag bummvoll.
Und dafür gibts gute Gründe: Alles was eine Salumeria anzubieten hat – herrliche Salami, Prosciutto, Mortadella, dazu Käse aus ganz Italien –, wird auch im Restaurant angeboten. Dazu Burrata mit Trüffel, Sardinenbrot, gebackene Anchovis, Tuna in Öl und Zwiebeln, hausgemachte Foie gras – allein beim Schreiben dieser Zeilen läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Dann ein Dutzend moderne Pasta zu Auswahl (von geräucherten Spaghetti mit rohen Shrimps und schwarzem Knoblauch bis Ravioli, gefüllt mit Ochsenschwanz, in einer Entenlebersauce!) und jede Menge Fisch und Fleisch – das ist italienische Küche, von der man schwärmen kann.
An einem möglicherweise nicht so sonnigen Rom-Tag bietet sich auch die Gelegenheit, einen der sehens- und essenswerten Märkte zu besuchen, um in den Genuss der originalen „Italianità“ zu kommen. Zwei davon sind besonders empfehlenswert: natürlich der Mercato Centrale im Bahnhof Termini, wo unter einem 30 Meter hohen Gewölbe 13 Markstände Pizza, Tramezzini, Pasta und vieles mehr anbieten. Wer einkaufen will, um das Rom-Gefühl auch im trauten Heim nachzuvollziehen, sollte zum Mercato Testaccio pilgern. Hier gibt’s Obst und Gemüse, Wurst und Käse, jede Menge „dolci“, also süße Backwaren – und natürlich auch 30 Mini-Trattorien für den kleinen Hunger. Achtung, spätestens zu Mittag hier aufschlagen, denn um 14 Uhr wird zugesperrt!
Apropos Pizza, natürlich stammt das belegte Fladenbrot aus dem schönen Napoli, aber auch in Rom hat es Tradition. Man sollte aber die Eck-Pizzerien vermeiden, die sich vor allem rund um die Touristen-Highlights Vatikan, Kolosseum und Pantheon ausgebreitet haben. Schließlich ist eine ordentliche Pizza nicht nur etwas für Kinder, sondern durchaus auch für genussfreudige Erwachsene. Es lohnt sich, mit der Tramway Nummer 8 von der Piazza Venezia bis zur Endstation im Vorort Monteverde Nuovo zu fahren, dort residiert La Gatta Mangiona, die verfressene Katze. Katzen gibt’s dort keine, aber die besten Pizzen von Rom, nicht nur die simple Margherita, sondern auch moderne Variationen. Zum Beispiel die „Dolceforte“ mit Ricotta, Zucchiniblüten, Anchovis und altem Pecorino. Der Chef und selbsternannte „Pizza-Ingenieur“ Giancarlo Casa verwendet ein Spezialmehl und lässt den Teig länger ziehen – das Ergebnis: außen schön knusprig, innen luftig.
Als Alternative in der Innenstadt bietet sich das Sbanco an, dort gibt’s nicht nur exzellente Pizzen (sogar eine Lasagne aus sieben Pizza-Teilen übereinander wird angeboten), sondern jede Menge Fritti misti. Oder man besucht die 180g Pizzeria Romana bei der Villa Gordiani (so viel Teig braucht man) oder holt sich beim Pizzarium, unweit vom Eingang zum Vatikanmuseum, ein Stück von einer der sechs verschiedenen Riesenpizzen – die trotz der Touristenströme von ausnehmend guter Qualität sind.
Aber natürlich stellt sich beim Schlendern durch die römische Antike oder entlang der Modegeschäfte an der Via Veneto auch Appetit auf etwas Süßes ein – auf das Mandelgebäck Cantuccini und Amarettini, auf den Panettone-Kuchen, die in Schmalz herausgebackenen Chiacchiere oder auf – vor allem zu Ostern – die Colomba. Als beste Konditorei in Zentrum gilt die Pasticceria Cinque Lune bei der Piazza Navona, in Testaccio die seit 90 Jahren betriebene Pasticceria Andreotti und in Prati Dolce Maniera, das die ganze Nacht geöffnet hat – für römische und touristische Nachtschwärmer ein Hochgenuss.
Natürlich darf’s zum Abschluss noch ein Glas Wein sein, um den Wochenend-Trip nach Rom standesgemäß auslaufen zu lassen. Am besten im Il Goccetto beim Tiber, wo 30 Weine glasweise ausgeschenkt werden, oder in der Enoteca Al Vino al Vino am halben Weg zwischen Kolosseum und Trevi-Brunnen. Dort kann man auf „Bella Roma“ anstoßen und beschwingt „Ciao“ sagen. Bis zum nächsten Mal …