Der Fisch, der aus dem Eismeer kam

Mit viel Pedanterie, Perfektion und einem System, das in Übereinkunft mit der Wissenschaft eine enorme Komplexität darstellt, scheint Peter Brauchl die Schöpfung fast zu überbieten.

Text von Viola Cornel Fotos: Luzia Ellert
Begonnen hat alles wie in einem Wirtschaftskrimi. Peter Brauchl betritt den Flughafen in Vancouver, als Handgepäck hat er einen kleinen Koffer. Er durchschreitet die Passkontrolle, den Zoll und sitzt eine Stunde später im Flugzeug nach Wien. Mit an Bord: der schwarze Koffer, gefüllt mit Eis und befruchteten Lachseiern.
Drei Jahrzehnte später hat sich der Schmuggel der heißen Ware aus dem Arctic Circle gelohnt. Peter Brauchl hat ein Fischimperium geschaffen, das seinesgleichen sucht. Seine Besessenheit war es, die das ökologische Experiment gelingen ließ. Heute tummeln sich Zigtausende exotische Lachse, die zu den hochwertigsten Speisefischen Europas zählen, in 17 Aquakultur-Anlagen Österreichs.
Neben heimischen Spitzenköchen wie Lisl Wagner-Bacher, Helmut Österreicher und Reinhard Gerer gehört auch der deutsche Starkoch Joachim Wissler vom Schlosshotel Ensberg zu Brauchls Stammkunden. Er bekommt die Fische nicht vom Meer, sondern wird Woche für Woche mit Alpenlachs aus Österreich beliefert.
Warum die Kochelite von Brauchls Fischen überzeugt ist, erklärt der Züchter so: "Auf der einen Seite, weil wir bei dieser Art von der Genetik her vorbildhaft sind. Auf der anderen Seite haben wir hier ein Wasser, das es woanders gar nicht gibt: sauerstoffreich, eiskalt und rein. Und wir schaffen es auch, das Wasser rein zu halten." Dazu wurde ein Zweistromsystem entwickelt, das international vorbildhaft ist. Natürliche Bedingungen wie in einem Bach, in dem eine Strömung die nötige Reinigungskraft besitzt, herrschen in einer Aquakultur-Anlage normalerweise nicht. Bei Brauchl gibt es keine Teichanlagen, also stehende Gewässer, sondern mehrere Becken, durch die ein Bach zieht. Neben diesem Strom besitzen die Becken eine Art "Badewannensystem". Auf der untersten Stelle des schräg abfallenden Bodens befindet sich ein Korb mit einem Gitter, das die Ausscheidungen der Tiere sammelt. "Wir erreichen das, was sonst in einem Kaffeehäferl passiert, wenn man mit einem Löffel umrührt: Der Zucker sammelt sich in der Mitte." Einmal täglich werden die Fäkalien mit einem ausgeklügelten System abgesaugt, in ein Absatzbecken weitergeleitet und in der Kläranlage gereinigt. Diese tägliche Hygiene ermöglicht es Brauchl, gänzlich auf den Einsatz von Antibiotika zu verzichten, denn je sauberer das Wasser, desto weniger können sich gefährliche Erreger vermehren. Für seine Lachse ist das notwendig, denn die Tiere besitzen keinen Schuppenpanzer wie etwa heimische Süßwasserfische, sondern eine empfindliche Haut.
Das Wasserstromsystem ist auch für den kulinarischen Wert der Tiere von Bedeutung, da die Fische dadurch gezwungen sind, sich ständig zu bewegen. "Nur so verstoffwechseln sie richtig und bekommen einen Waschbrettbauch und breite Schultern", sagt Brauchl. Auch die Fütterungsmethode, eine Wurfmaschine, die alle sechs Minuten kleine Happen in die Becken auswirft, hält die Fische fit. Das Futter, eine patentierte Melange von Saatölen aus kontrolliertem Anbau, wurde eigens mit dem natürlichen Nahrungsmittelangebot der wilden Fische aus dem Eismeer abgestimmt.
Für die Gastronomie züchtet Brauchl zwei Fischarten, den atlantischen Alpenlachs und den arktischen, der bei Gourmets auch den Namen Kavalierlachs trägt. Ein Name, den der Edelfisch aufgrund seines Aussehens erhalten hat: "Das ist der Lachs im Smoking. Er hat oben einen grünen Frack, unten eine rote Weste, weiße Manschetten und einen weißen Kragen", so Brauchl schmunzelnd. Kulinarisch und ernährungsphysiologisch ideal ist der Speiselachs bei einem Körpergewicht zwischen 60 und 80 dag. Für die gehobenere Gastronomie wird aber auch ein Fisch, der bis zu 1,5 kg schwer werden kann, gezüchtet. Der atlantische Lachs hat ein silberfarbenes Kleid mit schwarzen Spots. Er ist schlanker als sein Kollege, weil er die Nahrungsaufnahme im Winter verweigert. Im Gegensatz zum Kavalierlachs besitzt er zwar einen höheren Anteil an gesunden Omega-3-DHA-Fettsäuren – 13,5 Prozent –, doch die Appetitlosigkeit in der kalten Jahreszeit führt bei ihm zu einem rapiden Absinken wertvoller Inhaltsstoffe. "Der atlantische Lachs hat ein besseres Image als ihm zusteht, weil er die konstante Speisefischqualität des arktischen Lachsfisches nicht halten kann", so Brauchl. Gourmetkritiker Christoph Wagner bekam die beiden Arten von Brauchls Frau veredelt auf dem Teller präsentiert. Den atlantischen Lachs beurteilte er mit dem Prädikat "großartig". Beim Kavalierlachs hingegen fiel ihm nur noch eines ein: "Das ist Fischgenuss pur." Seither ist die arktische Fischart die Nummer eins in Brauchls Aquakultur-Anlagen.
Will man kulinarisch verwöhnt werden, muss der Fisch vor der ersten Geschlechtsreife gegessen werden. "Wenn die Lachse einmal in die erste Laichzeit reinkommen, dann verlieren sie. Topköche wissen das. Joachim Wissler würde nie auf die Idee kommen, einen Fisch zu kaufen, der schon einmal abgelaicht hat. Wirklich guter Fisch muss fest im Biss sein und darf kein Bindegewebe haben. Wenn man das erreichen will, dann geht das nur mit jungen Fischen." Damit neben Topqualität auch die Frische seiner Lachse garantiert werden kann, gibt es nach Möglichkeit immer einen Bauern pro Region, der die Fische dort, wo sie gezüchtet werden, auch verkaufen kann.
Lange Transportwege sollen vermieden werden. "Wenn man einen g’scheiten Fisch haben will, dann gehört der aus dem Wasser gefischt und in die Pfanne. Wenn du ihn aber über den Handel vertreibst, dann ist der Lachs nicht in der Pfanne, sondern am Eis und noch einmal am Eis." Da die Fische zwei Jahre lange Zucht beanspruchen, will Brauchl den Direktvertrieb trotz Mehraufwand sicherstellen: "Die Gastronomen wissen das zu schätzen."
Brauchls neuestes Forschungsprojekt: ein Speisefisch, der in Europa bisher noch nicht gezüchtet wurde. Vor einem Monat wurden die Zöglinge mit dem LKW aus Schweden nach Österreich transportiert. "Bei den Fischen rücken wir von der ernährungsphysiologischen Ecke ein Stück ab." Die Salmoniden sind besonders reich an Proteinen, besitzen dafür aber einen geringeren Fettanteil. Die weißfleischigen Lachse werden, da ist sich Brauchl sicher, eine hohe kulinarische Position einnehmen. Hat er Erfolg, sind die Exoten in zwei Jahren zum 1,5 kg schweren Speisefisch herangewachsen.
Der Züchter selbst isst seinen Alpenlachs drei- bis viermal in der Woche. Generell gilt für ihn: "Je weniger thermische Behandlung, desto besser schmeckt der Fisch." An Tagen, an denen in der von ihm betriebenen Anlage in Schwarzau Fische umgesiedelt werden, ist Peter Brauchl nicht allein am Werk. "Zur Mittagszeit kommt es dann nicht selten vor, dass wir uns einen Fisch rausfangen, filetieren und hauchdünn aufschneiden. Der eine beträufelt den Lachs dann mit Olivenöl, der andere gibt Zitrone dazu." Gebraten wird der Fisch von Brauchl und seinen Kollegen nur im Winter, auf Elektroplatten. "Da schneiden wir den Fisch einfach in große Stücke, geben ein Rapsöl drauf und fertig. Außen ist er dann durch und innen zart rosa. Ein Wahnsinn. Das ist Energie, die du spürst, ohne dass du müde wirst."
www.alpenlachs.at