Die Sonne im Glas

Von knapp drei Millionen Hektoliter Fruchtsaft, die Herr und Frau Österreicher im Jahre trinken, entfallen knappe19 Prozent auf Orangensaft. Wir haben 32 Produkte getestet – mit ziemlich ernüchterndem Ergebnis.

Die Sonne im Glas

Text von Michael Prónay Fotos: Luzia Ellert

Der Fruchtsaft-Pro-Kopf-Jahresverbrauch liegt mit etwa 35 Litern zwar über Wein (gute 30 l), aber nicht einmal annähernd in den Größenordnungen von Limonade (82 l), Mineralwasser (88 l) oder gar Bier (109 l). Statistisch gesehen rinnen also respektable sechseinhalb Liter Orangensaft (und -nektar) jährlich durch heimische (und Gäste-)Kehlen. "Saft", "Fruchtsaft" oder "Orangensaft" muss übrigens zu 100% aus der Frucht stammen; Konzentration, Aromaentzug (wird später wieder zugesetzt) und Tiefkühlung sind erlaubt. "Nektar" muss je nach Frucht einen unterschiedlich hohen Mindestsaftanteil enthalten: Im Falle der Orangen sind’s 50%.
Sieht man sich die Verpackungen der Produkte an, so versprechen sie einiges: Natur, Vitamine, Gesundheit und den guten Geschmack sonnengereifter Orangen. Klar, in Sachen Verpackung und Marketing überlassen Profis nichts dem Zufall. Wir begaben uns also auf eine Entdeckungsreise in Supermärkte und Feinkostläden in Wien, um einmal zu sehen, was sich da alles auf dem Markt so tummelt. Preislich gab es erhebliche Schwankungen – von 0,65 bis 3,87 Euro je Liter –, so waren wir gespannt, wie die Säfte im direkten Vergleich zueinander abschneiden würden.
Das Ergebnis war ziemlich ernüchternd, um nicht zu sagen erschreckend. Kein einziger Saft erreichte fünf Sterne ("ausgezeichnet"), und auch deren vier ("sehr gut") gab es nicht sehr häufig. Oftmals schmeckten die Produkte säurig und gerbstoffig. Eine häufige Aromakomponente war jene bittrige, die jeder kennt, der eine Orangenschale zwickt. Dieses ätherische Öl aus der Schale kommt ganz offenkundig durch den automatisierten Pressvorgang im großen Stil in den Saft. Wer Orangensaft selber mit der Hand presst, vermeidet diese Aromen automatisch. Von Orangenaromatik, wie wir sie von der Frucht selber kennen, war bei den Säften manchmal nicht einmal ansatzweise etwas zu erkennen.
Warum man aber nicht Orangen halbiert, auspresst und sich an einem solcherart knackig-frischen Orangensaft erfreut, bleibt uns nach dieser Verkostung ein Rätsel. Vielleicht sind wir heutzutage nicht mehr so heikel, finden sich doch Convenienceprodukte auch in besseren Restaurants; im Haushalt sind sie sowieso nicht mehr wegzudenken. Vielfach wird in der Gastronomie frischgepresster Orangensaft feilgeboten. Der hat zwar seinen Preis; jedoch macht der Vergleich sicher – man gönnt sich ja sonst bekanntlich nichts.
Verkostet wurde aus dem Chianti-Classico-Glas, wie wir es auch bei unseren Weinproben verwenden. Die Säfte sind nach fallender Bewertung und steigenden Literpreisen (die wir angeführt haben) abgedruckt.

Die Verkostung

**** Spar Orangensaft, € 0,65 (1,0 l)
Endlich wieder einmal Orangen, wenn auch auf der ein wenig schlankeren Seite, freundlich, süffig, sehr, sehr ordentlich.

**** Belsina, Saft, Zielpunkt, € 0,99 (1,5 l), 0,66/l Orangenschalen; harmonisch, sauber, sehr ordentlich, solide Balance, mit dem Spar-Orangensaft der Preis-Leistungs-Hit der Probe.

**** granini, Saft, Meinl, € 2,49 (1,0 l) Marillenfleck; sauber, frisch, sehr ordentlich, hübscher und eindeutiger Orangengeschmack.

**** Rauch Fresh, Direktsaft, Merkur,
€ 1,89 (0,75 l), 2,52/l
Riecht ein wenig wie Dispersion mit Karottensaft; am Gaumen deutlich besser, schöner Biss, fest, elegante Süße, sehr sauber.

**** Rauch Fresh Blutorange, Direktsaft, Merkur, € 1,89 (0,75 l), 2,52/l
Gemüsesaft, Zitrus und Karotten; die Blutorangen sind da, aber die Bitterkeit der Schalen schlägt voll durch – authentischer geht’s nicht (freundlicher schon).

*** Sonny/Sunny, Saft, Del Fabro, € 0,98 (1,0 l) (Die Schreibweise ist unklar; gefüllt in Rankweil.)
Kuchenteig und Schale; solid, ordentliche Säure, passende Süße, freundlich.

*** YO Natur Sommerorange, Saft, Merkur, € 1,19 (1,0 l)
Deutliche Schalennoten; schöne Balance, feine Frucht, dezente Schalennoten, sehr ordentlich.

*** hohes C Milde Säfte Orangen und Acerola, Saft, Merkur, € 1,49 (1,0 l)
Schalen und Zitrus, Zitronella; einfach, geradlinig, süß, ohne Ecken und Kanten.

*** Ja! Natürlich, Saft, Merkur, € 1,65 (1,0 l)
Kartonagen, wenig Frucht; zarte Süße, dezente Fruchtnoten, sauber, ordentlich, middle of the road.

*** Cappy Orangennektar, Merkur,
€ 0,89 (0,33 l), 2,70/l
Deutliche Schalennoten; herzhafte Frucht, schöne, saubere Orangennoten, sehr ordentlich.

** Spar Nektar, € 0,65 (1,0 l)
Feuchter Karton; rostig, ein wenig selchig, süß, gute Säure, ordentlich.

** Pago Orangennektar, Merkur,
€ 0,89 (1 l)
Röstaromen und rohes Fleisch, sehr seltsam; bittrig, wenig Frucht, banal.

** Pfanner, Saft, Merkur, € 1,99 (2,0 l), 1,00/l
Zitronenkuchen; schalig, vordergründige Säure, wenig Harmonie, wenig inspirierend.

** hohes C Saft mit Fruchtfleisch, Merkur, € 1,09 (0,75 l), 1,32/l
Bittrig, deutliche Schalennoten, nicht ganz so sauer wie der Kollege ohne Fruchtfleisch.

** Rauch happy day mit Fruchtfleisch, Saft, Merkur, € 1,35 (1,0 l)
Tranig-oxidiert; solid, ordentlich, wenn auch wenig inspirierend.

** Spar Natur pur Bio, Saft, € 1,39 (0,75 l), 1,85/l
Unfein, gerüchig, faulige Nüsse; zart oxidiert, gute Substanz, aber die Harmonie fehlt völlig.

** granini mit Fruchtfleisch, Saft, Meinl, € 2,49 (1,0 l)
Zitrus, feine Schalenelemente, Fruchtfleisch nicht lokalisierbar, gerade noch ansprechend.

** Hawaiki Oro Arancia, Saft, Opocenski, € 2,50 (1,0 l)
Ananas, Orangen, Hauch Kamille; sehr einfach, wenig Frucht, eher banal.

** Pago Orangennektar mit Fruchtfleisch, Del Fabro, € 0,60 (0,2 l), 3,00/l
Blass; süßlich, zart bitter, recht einfach in der Anlage.

** Rauch, Orangennektar, Del Fabro, € 0,56 (0,2 l), 3,36/l
Einfach, geradlinig, süßlich, solid und ordentlich.

* Clever, Saft, Merkur, € 0,65 (1,0 l)
Traubenzucker, Backaroma, kaum Frucht, schalig, bitter.

* Sweet Valley, Spitz, Hofer, € 0,65 (1,0 l)
Kaum Frucht, aufgesetzte Süße, Säure steht daneben, schalig im Abgang.

* Florida Orange, Spar, € 1,09 (1,5 l), 0,73/l
Kaum Frucht, sehr süß, ein Koster meinte "wie Fanta ohne CO2".

* Pfanner Diät, Nektar, Zielpunkt, € 0,99 (1,0 l)
Schalen und Brausepulver, keine Ähnlichkeit mit der Ausgangsfrucht.

* Pfanner Blutorange Selektion, Zielpunkt, € 1,29 (1,0 l)
Brause, Dixi-Traubenzucker; die Linie zieht sich durch, nur entfernte Ähnlichkeit mit Orangen.

* Rauch bravo mit Kalzium und Magnesium, Nektar, Merkur, € 1,29 (1,0 l)
Verhalten, Erdnüsse; zarte Frucht, bittrig, süß-sauer, keine Harmonie.

* hohes C Saft, Merkur, € 0,09 (0,75 l), 1,32/l
Gemüsig mit forscher Zitrone; adstringierend, unreife Grapefruit, bittrig und säurig.

* Pfanner transfair (Fair Trade), Saft, Merkur, € 1,65 (1,0 l)
Gemüse, Kartoffeln, Karton; wenig Frucht, sehr süß, die Säure steht daneben, hintendrein bitter.

* Granini Blutorange, Nektar, Meinl,
€ 2,49 (1,0 l) (Mehrfruchtnektar, Blutorange 25%,
Orange, Boysenbeere Aronia, Zitrone) Riecht und schmeckt wie Colafläschchen-Weichgummi-Zuckerl, von Orangen keine Spur, erinnert an Dauerlutscher, sehr schräg.

* happy day Orangensaft, Merkur,
€ 0,89 (0,33 l), 2,70/l
Gemüsig, Karottensaft, alkoholfreies Bier; völlig banal, bitter, unfein.

* Hitchcock, Direktsaft, Meinl, € 2,90 (0,75 l), 3,87/l
Marillenfleck und Orangenöl; auch am Gaumen schalig, unfein, pelzig, bitter.

* Hitchcock Orange, Grapefruit, Blutorange, Direktsaft, Meinl, € 2,90 (0,75 l), 3,87/l
Nur Schalenöl; mit Fruchtfleisch, grapefruitig wie Jaffa-Dosen in der Kindheit, kein Vergnügen.