Fang den Hut

pilzmanufactur

In Asien wird sie seit Jahrhunderten betrieben; und in den USA liegt die Schwammerlzucht bereits seit einigen Jahren stark im Trend. Lediglich Europa hinkt etwas hinterher. Doch seit kurzem machen auch immer mehr junge Österreicher ihre Leidenschaft zum Beruf.

Text & Fotos von Georges Desrues

An einem warmen Sonnentag im Oktober schlendert Florian Kogseder durch seinen Garten und schüttelt den Kopf. „So ein hundsmiserables Schwammerljahr wie heuer habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt“, sagt der Oberösterreicher und betrachtet etwas ratlos dutzende zersägte Baumstämme, die er in einem beschatteten Teil des Gartens aufgestellt und mit Moos bedeckt hat. Hier sollte eigentlich alles voller Pilze sein, doch zuerst die Hitze und Trockenheit im Sommer, dann endlich ein paar nasse Herbsttage und schließlich doch wieder der warme Föhn im September und Anfang Oktober sorgten dafür, dass es mit der Ernte bis dato eher schlecht aussieht. Bis auf ein paar vereinzelte matte Schwammerln ist kaum etwas zu sehen. „Allerdings beginnt die Saison ja erst, vielleicht geht es ja nur ein wenig später los und mit anderen Sorten“, spricht sich Kogseder selbst Mut zu.

Dass ausgerechnet in diesem Jahr das Wetter so ungeeignet sein würde, hatte er freilich nicht bedacht, als er sich im Frühjahr selbständig und die Pilzzucht zum Hauptberuf machte. Begeistert von Myzeten sei er schon immer gewesen, schon als kleines Kind, als sein Vater ihn mitnahm zum Schwammerlsuchen in den Wäldern des nahen Nationalparks Kalkalpen, erzählt der heute 26-Jährige. Von Beruf war damals noch keine Rede, später inskribierte er Biochemie, brach das Studium jedoch ab, um eine Lehre als Koch abzuschließen. Als solcher arbeitete er dann, bis ihm die Idee kam, aus seinem Hobby einen Broterwerb zu machen. „Es gibt da einfach eine ganze Welt an Geschmäckern und unterschiedlichen Formen von Konsistenz, die noch völlig unbekannt sind und nur darauf warten, entdeckt zu werden“, so Kogseder. Um seine Aussage zu belegen, pflückt er einen kleinen Mandel-Egerling, der nicht nur so heißt, sondern tatsächlich intensiv nach Mandeln schmeckt. „Wenn man ihn in Butter röstet, entfaltet er sein Aroma noch stärker“, sagt er und geht gleich ins Haus um in der Küche ein wenig Butter in der Pfanne zu erhitzen, und darin den Pilz zu rösten.

Genaugenommen könne man jede Pilzart züchten, sagt Kogseder, während der Mandel-Egerling vor sich hin brutzelt und sein nun buttriges Mandelaroma entfaltet, auch Steinpilze und Eierschwammerln, jedoch zählten diese zu einer Kategorie, die die Nähe bestimmter lebendiger Baumarten brauche, was ihre Aufzucht aufwendig mache und wirtschaftlich kaum rentabel. „Dazu gehören auch Trüffel, doch bei ihnen zahlt sich das wegen des hohen Preises allerdings aus, bei allen anderen eher nicht“, erklärt Kogseder. Deswegen baue man in der Regel jene Pilze an, die sich von toter Materie ernähren, wie eben den Mandel-Egerling, aber auch den Igelstachelbart, den Lungen­seitling, das Judas-Ohr oder diverse Stock­schwämm­chen. „In früheren Zeiten hat man das überall auf der Welt vorwiegend im Freien getan, dann kam die
Industrialisierung, und mit ihr die großen Hallen, in denen Luftfeuchtigkeit und Temperatur kontrollierbar sind“, sagt er. Dadurch geriet die Outdoor-Zucht zunehmend in Vergessenheit. Dabei liege der Unterschied zwischen Halle und Freiluft nicht nur im Geschmack, sondern auch in der Umweltverträglichkeit und der Finanzierbarkeit des Unterfangens. Wobei die beiden letztgenannten Aspekte in enger Verbindung stehen. „Ich hätte ja gar nicht das Startkapital gehabt, um eine Halle zu bauen oder zu kaufen und sie zu klimatisieren“, sagt Kogseder, „und natürlich braucht so eine Anlage eine Menge Energie und haufenweise Einweg-Plastiksäcke, in denen die Pilze wachsen, was sie naturgemäß zur ökologisch gesehen weniger vorteilhaften Option macht.“ Im Unterschied dazu ist die Freiluftzucht so ziemlich das Naturnahste und Energiesparendste, das man tun kann, was sich wiederum auch im Geschmack der Pilze widerspiegelt. Können diese im Freien doch auf viel komplexere und nährstoffreichere Nahrung zurückgreifen. „Das sind Bedingungen wie für Wildpilze, deswegen gibt es zu denen auch kaum einen Unterschied in Geschmack und Konsistenz“, beteuert Kogseder. Ein solcher besteht indessen sehr wohl zu den industriell gezogenen Indoor-Zuchtpilzen. „Am besten vergleicht man sie mit Tomaten, die schmecken ja auch ganz anders, wenn sie im freien Feld gezogen werden und nicht in einem Glashaus und auf Steinwolle“, sagt der Pilzzüchter.

Dass bis auf Champignons, Shitake-Pilze, ein paar Kräuterseitlingen und den sehr ergiebigen Austernpilzen kaum Pilzsorten in Europa im Allgemeinen und in Österreich im Speziellen angebaut werden, kann er selbst auch nicht ganz verstehen. „Die meisten Köche suchen doch ständig nach Lebensmitteln, die neue Erlebnisse in Sachen Geschmack und Konsistenz bieten. Und wenn die dann auch noch lokal und nachhaltig erzeugt werden, dann sollten ihnen weniger bekannte Pilzsorten doch gerade recht kommen“, sagt Kogseder.

Also hat er sich, mit dieser Geschäftsidee im Kopf, in seinem Keller in der Ortschaft Molln im Traunviertel ein kleines Labor eingerichtet. Dort erzeugt er sein Substrat aus Getreide und Sägespänen, sterilisiert es in einem Sterilisator, der nicht viel größer ist als ein Druckkochtopf, impft es mit den Sporen der gewünschten Pilzsorte, wartet, bis sich diese in einem Einmachglas zu einer Pilzkultur entwickeln und impft schließlich seine Baumstämme damit. Von denen hat er 70 Festmeter angeschafft und dafür unweit seines Hauses ein Grundstück mit einem Hektar Fläche gepachtet. Dann heißt es nur mehr abwarten. Und hoffen, dass das Wetter mitspielt. Wenn das der Fall ist, kann er bis zu 50 verschiedene Sorten anbieten. „Es haben mich schon einige Küchenchefs kontaktiert“, sagt Kogseder, „die allesamt Pilze bestellen wollen und nervös warten. Nur warte ich halt genauso, nämlich auf schlechteres Herbstwetter, damit mehr wächst und ich endlich ausliefern kann.“

Ganz soweit sind Magdalena Wurth und Moritz Wildenauer noch nicht, obwohl das junge Paar gleichfalls vor ein paar Monaten mit der Pilzzucht im kommerziellen Stil begonnen hat. Und seitdem einen Pilzgarten tief drinnen im Waldviertel betreibt. „Den Garten hat mein Vater als Hobby schon vor vielen Jahren angelegt “, erzählt die 25-jährige Warth, die in Wien Agrarwissenschaften studiert hat, „im Frühjahr haben wir dann beschlossen, ihn von ihm zu übernehmen und hier heraus ins Waldviertel zu ziehen, um das Ganze beruflich zu betreiben.“ Allerdings konzentrierte man sich vorerst auf Trockenpilze und auf Pilzkulturen. Letztgenannte kann jeder von ihnen erwerben, der sich infolge selbst mit der Aufzucht beschäftigen will. „Bisher haben wir noch nicht die erforderliche Logistik, um Frischware an die Gastronomie beispielsweise ins zwei Autostunden entfernte Wien auszuliefern“, sagt Moritz Wildenauer, „Pilze sind äußerst heikel und trocknen bald nach der Ernte aus, deswegen muss alles sehr schnell gehen. Dafür fehlt es uns noch an der notwendigen Mittel.“ Allerdings hoffe man schon, dass sich das Geschäft eines Tages in diese Richtung entwickeln werde, fügt der 26-Jährige an. Und dass bis dahin vielleicht der eine oder andere Küchenchef auf ihre Pilzbruten zurückgreifen werde, um selbst seine Schwammerl zu züchten. Und sie so erntefrisch wie nur irgendwie möglich zu verarbeiten.

Im Garten der beiden, unweit der Ortschaft Großschönau, sieht es aus wie bei Kogseder – aufgestellte Baumstrunke, deren Schnittstellen bedeckt mit Moos, um die Feuchtigkeit zu halten. Aus dem Holz sprießen Shitake-Pilze, graue Austernseitlinge, Gemeine und Japa-nische Stockschwämmchen sowie ein orangefarbener Pilz, der auf Deutsch den wenig attraktiven Namen Schwefel-porling trägt. „Auf Englisch heißt er aber chicken-of-the-woods, weil er wie Hühnchen schmeckt und eine ähnliche Konsistenz aufweist“, sagt Wildenauer. Und spricht damit einen weiteren erfolgsversprechenden Aspekt der Pilzkulturen an, nämlich ihren hohen Eiweißgehalt, der angesichts des aktuellen Booms von Vegetarismus und Veganismus nur ein zusätzliches Verkaufsargument sein kann. Darum haben Wurth und Wildenauer, genau wie Kogseder, bereits erweitert und ein Nachbargrundstück angemietet, wo sie gerade dabei sind, es für ihre Kulturen zu beschatten. Für eine starke Nachfrage sind Österreichs junge Pilz-züchter also gewappnet. Noch dazu, wo inzwischen ja auch das Wetter mitspielt.

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www.pilzgarten.at

glückspilze
Mit Pilzen, Pilzbruten und zahlreichen Produkten rund um Pilze handeln zwei Tiroler Jungunternehmer übers Internet und in einem
Shop in Innsbruck.
www.gluckspilze.com

hutundstiel
Seit vergangenem Juni züchten Manuel Bornbaum und Florian Hofer Pilze auf Kaffeesatz im 20. Wiener Gemeindebezirk
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