Fast Food de luxe

Krise – welche Krise? Die Nachfrage nach Luxusgütern steigt laut Umfragen weltweit. Wer Geld hat, will es auch ausgeben – am liebsten für Dinge, die sich sonst niemand leisten kann. So funktionieren Luxuslabels und so funktionieren auch Burger, Pizza und Co – es ist alles nur eine Frage des Preises (und des Belags).

Fast Food de luxe

Eine unkritische Betrachtung eigenartiger kulinarischer Phänomene.

Text: Nina Kaltenbrunner · Fotos: Luzia Ellert

Luxury please! Was Luxus ist, lässt sich immer nur aus der Sicht des Betrachters beantworten. Auch in kulinarischer Hinsicht: „Am liebsten esse ich Pellkartoffeln. Allerdings gern mit einem Klacks Kaviar und einem Glas Champagner dazu.“ (Elizabeth Taylor) Ist für den einen ein guter Erdapfel, eine geschmacksintensive Sortenrarität selbstverständlich, mit irischer Butter bereits Luxus, muss es für andere schon das gewisse „etwas mehr“ sein. Das war schon immer so.

Kaviar, Hummer, Trüffel, Gänseleber und Champagner – seit jeher Inbegriff für Luxus und Dekadenz. Die Filmdiva hielt es, wie viele ihrer berühmten Kollegen, denen der exzentrische Autor Oscar Wilde seine legendäre Aussage „Man umgebe mich mit Luxus. Auf das Notwendige kann ich verzichten“ in den Mund gelegt zu haben scheint. Nun sind aber Pellkartoffeln längst nicht mehr state of the art einfachen, schnellen Essens. Heute greifen wir zu Fastfood: „Speisen, für den raschen Verzehr produziert, bei denen die Zeitspanne zwischen Bestellung und Erhalt des Produktes meist weniger als zehn Minuten beträgt“, teilt uns Wikipedia mit. Entstanden ist der Begriff Fastfood in den 1950er Jahren in den USA.

Was ist also naheliegender als die Vertreter dieses kulinarischen Genres, Pizza, Burger oder Sundae-Eisbecher, für eine zahlungskräftige Klientel entsprechend aufzubereiten? Bereits für Kaiser und Könige wurden Speisen vergoldet – warum nicht auch den neuen Herrschern, den Hollywoodsternchen und Finanz-Tycoonen, ein bisschen Gold um den Mund schmieren?

„Die Gastronomie muss eine Luxusindustrie werden“ postulierte vor einigen Jahren niemand Geringerer als der französische Spitzenkoch Alain Ducasse. Er definierte seinen Namen als Marke, gleichgesetzt mit Luxuslabels aus anderen Branchen, die jegliche Konjunkturschwächen scheinbar unbeschadet überstehen, ob nun an der Wall Street demonstriert wird oder nicht.

Ähnliche Gedanken stellte 1982 auch der berühmte US-österreichische Oscar-Koch Wolfgang Puck an. Der Leibkoch der Reichen und Schönen aus Hollywood beschloss, nach eingehender Betrachtung der Essgewohnheiten seiner Klientel, kurzerhand dem „Liebkind“ der Stars, der ordinären Pizza, einen gewissen dekadenten Touch zu verleihen. Er verfeinerte sie mit edlem Räucherlachs und teuerstem Beluga-Kaviar-Belag und kreierte damit den beliebtesten signature dish in seinem legendären Restaurant Spago in Beverly Hills.

Was für ein Erfolg. Man braucht die Kundschaft nur dort abzuholen, wo sie steht. Die Frage lautet nicht, was der Kunde braucht, sondern womit er sich von den anderen unterscheiden kann. Der Preis ist dabei ein wichtiges Kriterium. „Reiche Leute schätzen teure Güter nicht wegen ihres Gebrauchswertes, sondern vor allem deswegen, weil Ärmere sie nicht bezahlen können“, besagt das Veblen-Theorem. Und weiter: „Hinter dem Wunsch nach Reichtum und der Akkumulation oder Konsumation von Gütern steckt das Begehren eines jeden, die anderen zu übertrumpfen.“ (Thorsten Veblen, US-amerikanischer Ökonom und Soziologe)

Und das ist auch mit einer schlichten Pizza zu erreichen, Essen muss man ja schließlich auch. Nicht nur in den USA türmen findige Gastronomen deshalb haufenweise Kaviar, Trüffel oder Blattgold auf Pizzen und in Burger, um die klassischen Fastfood-Vertreter in den Himmel der beinahe unerschwinglichen Luxusklasse zu erheben. Auch in Italien, der Wiege der simpel wie genialen Flade, kann der Dekadenz gefrönt werden. Denn dort bietet Renato Viola die zurzeit teuerste Pizza der Welt an: Luigi XIII, die um sagenhafte 8.300 Euro von Viola höchstpersönlich in ihren Einzelteilen angeliefert und vor Ort zubereitet wird. „Für einige wenige Auserwählte“, wie der Beiname der Pizza piú costosa del mondo verrät.

Hallo Pizza! für Millionäre. Was aber bringt Luigi XIII dem Konsumenten für einen Distinktionsvorteil, vom Preis einmal abgesehen? Eine Pizza, die den Namen eines Herrschers trägt, dem Lust und Genuss fremd waren, der als „der Gerechte“ in die Geschichte eingehen wollte, mehr Musketier als verschwenderischer Staatsmann wie sein Sohn und Nachfolger Ludwig XIV, der Sonnenkönig, war. Möglicherweise hat sich Viola ganz einfach nur in der Zahl geirrt? Nein, es geht um Absolutismus, den Ludwig XIII in Frankreich ausgebaut und verstärkt hatte und den auch Luxuslabels für sich beanspruchen. Besonders groß ist sie nicht gerade, zwanzig Zentimeter macht der Durchmesser der Pizza für zwei Personen aus, die Renato Viola vor den Augen der Auserwählten zubereitet. Der Teig kommt bereits fertig mit ins Haus, schließlich durfte er zuvor 72 Stunden aufgehen und rasten, um alsdann besonders leicht verdaulich zu sein (der Preis liegt möglicherweise selbst der Finanzelite kurz im Magen). Zubereitet wird der exquisite Magenschoner aus biologischem Mehl, feinstem rosafarbenen Murray River-Salz, Wasser, über dessen Beschaffenheit nichts Näheres bekannt ist, Natur- und Bierhefe, sonst nichts. Belegt wird die teuerste Pizza der Welt allerdings gleich mit dreierlei Sorten Kaviar: iranischer Osietra Prestige, Osietra Classic und selbstverständlich auch mit Beluga-Perlen. Zudem ein Potpourri edelster Meerestierchen wie Red Prawns aus Acciaroli, Langusten und Squilla mantis, hummerähnliche kleine Fangschreckenkrebse, die zuvor mit dem teuersten Cognac der Welt, Louis XIII von Remy Martin, verfeinert wurden. Gekrönt wird die königliche Pizza schließlich mit biologischem Büffelmozzarella aus Kampanien. Dazu reicht der eigens angereiste Sommelier Champagner, Clos du Mesnil 1995 von Krug.

Relativ günstig kommen dagegen Liebhaber von Burgern davon. Der teuerste Burger der Welt macht momentan lediglich 150 Dollar aus – eine Mezzie, verglichen mit der Luxuspizza. Allerdings muss man dafür auch die Mühe auf sich nehmen, das New Yorker db Bistro moderne aufsuchen. Denn nur dort bereitet Chef Daniel Boulud den db Burger

Royale zu. Seine Antwort auf die kritische Einstellung seiner französischen Landsleute gegenüber der Fastfood-Kette McDonalds. „Die Franzosen sind nur eifersüchtig, weil sie den Burger nicht erfunden haben“, lässt Boulud vernehmen und vereint in seinem Burger „das Beste aus der französischen als auch aus der amerikanischen Küche“. Was da wäre: klassisches Sirloin-Steak-Patty gefüllt mit Foie gras, Ofentomaten-Confit, Mirepoix aus Wurzelgemüse und jede Menge schwarze Périgord-Trüffel in getoastetem homemade Parmesan-Bun, serviert mit Pommes soufflés. Erhältlich ist der beinahe „unanständig geile Burger“ allerdings nur während der Trüffelsaison von Dezember bis März, was seine Exklusivität aber nur erhöht.

Ebenfalls im Big Apple – und zwar das ganze Jahr über – wird das „teuerste Omelett der Welt“ kredenzt. Für geradezu läppische 1.000,– Dollar bietet das Nobel-Restaurant Norma’s, im Parker Hotel Le Meridien, die luxuriöse Eierspeise mit den exklusivsten Zutaten an. Darin enthalten sind unter anderem 450 Gramm Hummerfleisch, 280 Gramm Sevruga-Kaviar und Whisky-Frittata. Freizügig gibt das Restaurant aber auch das Rezept für die sogenannte The Zillion Dollar Lobster Frittata in seinem Kochbuch preis, für all jene, die nicht auf den Luxus verzichten wollen, aber dennoch etwas sparen möchten.

Wer sein Geld lieber in Süßes investieren möchte, ist ebenfalls im Big Apple an der besten Adresse. Und zwar im hippen Promi-Lokal Serendipity 3, wo der teuerste Eisbecher der Welt um sagenhafte 1.000,– Dollar aufgetragen wird. Bestellen muss man den Guinnessbuch-Rekordhalter allerdings 48 Stunden im Voraus, also nichts für spontane Heißhungerattacken. Dafür bekommen verwöhnte Naschkatzen mit dem Golden Opulence Sundae dann aber auch einen Eisbecher vom Allerfeinsten.

Das Eis wird mit tahitianischer Vanille zubereitet und zusätzlich mit Madagaskar Vanille aromatisiert und ist mit fünf Kugeln sogar recht großzügig dimensioniert. Darüber wird flüssige Amedei Porcelana, eine der teuersten Schokoladensorten der Welt, geträufelt und darüber hinaus mit Stückchen der seltensten Schokolade der Welt – aus Chuao-Kakaobohnen hergestellt – bestreut. Superlative ohne Ende. Zudem wird 23-karätiges Blattgold kunstvoll über die Eiskugeln drapiert. Verziert wird das kleine Kunstwerk noch mit exotischen, kandierten Früchten und Schokotrüffeln aus Paris, mit Gold überzogenen Mandeln und mit Marzipankirschen. Als Surplus wird zum Eisbecher Grand Passion Kaviar in einer winzigen Glasschale serviert. Exklusiver weißer Kaviar, der, ungesalzen, mit Passionsfrucht und Orangen aromatisiert, zum Dessert-Kaviar umfunktioniert wird. Gekrönt wird das alles mit einer Zuckerblume vom Lieblings-Patissier der New Yorker-Society, „Sweet-Genius“ Ron Ben-Israel.

Angerichtet wird der Golden Opulence Sundae schließlich in einem Baccarat Harcourt-Kristallpokal und gelöffelt wird er mit 18 Karat Gold. Nur das Eis, versteht sich, zum Kaviar wird ein Extra-Löffelchen aus echtem Perlmutt serviert. Kreiert wurde der Eisbecher 2006 zum 50-Jahre-Jubiläum des Serendipity 3. Etwa einmal im Monat wird er bestellt, erfährt man. Der Kristallpokal darf übrigens als Andenken mit nach Hause genommen werden. Irgendwie muss sich der Preis ja rechtfertigen (am besten man nimmt den Löffel auch noch mit).

Ist das nun dekadenter Luxus oder bloßer Irrsinn? – Hat Fastfood für Millionäre Zukunft?

„Wie die Marke hat auch der Luxus noch eine große Zukunft vor sich, weil“, so der deutsche Autor Hans Magnus Enzensberger, „die Lust an der Verschwendung in der Triebstruktur wurzelt.“

Bon. Also doch Luxus-Gastronomie-Industrie à la Ducasse, die wie Prestigelabels funktioniert, und ihr Angebot auf höchste Qualität und Einmaligkeit beschränkt? Mögen die Arbeitslosenzahlen auch steigen, die Zahl der Multimillionäre geht ebenfalls steil nach oben. Sie reicht aus, um die Luxusindustrie florieren zu lassen und den Absatzmarkt für Teures weiterhin zu sichern. Eines steht fest: Auch wenn kurzlebige Trends immer wieder erneuert werden müssen, weil sie kopiert und somit „demokratisiert“ werden – die teuersten Produkte bleiben weiterhin für die meisten unerschwinglich. Und: Es braucht weder Können noch Kreativität, wie Ducasse es für seine Luxus-Gastronomie einfordert, um eine Pizza mit Kaviar zu überhäufen. Somit machen es Luigi XIII und Golden Opulence Sundae nicht nur den Gastronomen leicht, auch Nouveau Riche & Co. können sich damit kulinarisch weiterhin von der Masse abheben. Gilt für die Mittelschicht, es muss nicht immer Kaviar sein, rufen sie zukünftig „Hallo Pizza!“, um ihren Hunger auf Luxus zu stillen.

Spago Beverly Hills
www.wolfgangpuck.com

Renato Viola, Pizza Luigi XIII
www.renatoviola.it

db Bistro moderne, Burger Royale
www.danielnyc.com

Norma‘s, The Zillion Dollar Lobster Frittata
www.parkermeridien.com

Serendipity 3, Golden Opulence Sundae
www.serendipity3.com