Fluchtpunkt Pogusch

Foto von Steirereck
Text von Alexander Rabl

Wenn Birgit Reitbauer am Wochenende am Pogusch arbeitet, nachdem sie die ganze Woche im Stadtpark ­gearbeitet hat, besitzt sie noch genug Energie, um ins Schwärmen zu ­geraten. Nicht über die neue Küche (davon gleich später) oder über das beeindruckend gut aufgestellte Team dort, sondern über beheizte und ­unbeheizte Glashäuser, über die Wiedergewinnung von Energie, über Kreisläufe und über das Lieblingswort aller, ­denen die verschiedenen Krisenzustände unserer Welt zunehmend an die Nieren gehen: Autarkie. Wenn die Welt denn unterginge, könnte man am Pogusch noch einige Monate, vielleicht Jahre überleben. Wasser wäre ja auch genug da. Ein beruhigender Gedanke, wenn man dort sein kann. Ein beunruhigender Gedanke, wenn nicht. Ein Rundgang hinter der Bühne des fundamental umgebauten Areals am Pogusch bringt tatsächlich Erstaunliches zutage. Man lernt etwa, dass die feinen Tischtücher hier nicht gebügelt werden, um einen ländlichen Knittereffekt im Leinen zu erhalten.

An alles haben Birgit und Heinz Reitbauer ­gedacht, die jetzt am ­Pogusch das Regime übernommen ­haben. Apropos Bühne: Vom alten Steirereck am Pogusch ist immer noch genug übrig, damit Stamm­gäste nicht zu fremdeln beginnen müssen. Die beiden Räume links vom Eingang wurden gekonnt aller leicht angestaubter Ländlichkeit entkleidet, sie präsentieren sich in zeitlosem alpinen Chic, viel Holz und Stein, sehr gelungen und einladend. Das Herz des Restaurants ist aber die neue Küche mit ihren Feuer­stellen. Hier wird schon einmal ein Span­ferkel knusprig gebraten, das vorher stundenlang gekocht worden ist, ­damit es am Ende knusprig und zart gleichzeitig gerät. Die Grosses ­pièces hat die Pogusch-Küche also jedenfalls drauf. Auch in Form eines Krautkopfs, der wie ein alpines Pithivier mit galertigen Scheiben vom Schwein und vom am Pogusch gezogenen Kalb gefüllt ist, dazu Trompetenpilze und Eierschwammerln, eine so herzhafte wie raffinierte Herrlichkeit, die man auch zu viert verspeisen kann, damit daneben noch Platz bleibt.

Zum Beispiel für den Beitrag zum heimlich besten Fisch Österreichs, dem Wildkarpfen, einfach gebraten, knusprig wiede­rum, dazu etwas Grün in Form von Zucchini und Salaten und fertig. Vegetarisch kann das Reitbauer-Team natürlich auch. Die Rote Rübe kommt mit fettem, hausgesäuertem Rahm aus Rohmilch (what else?), Grummet (Heu aus der zweiten Ernte) und Treviser Radicchio, eine so einleuchtende wie gelungene Kombination. Sehr schön serviert wie auch gut zubereitet der Süßwasserfisch­eintopf, eine würzig duftende und dampfende Hommage an die Kunst der Fischer und Fischzüchter im Lande. Schön, dass es zum gekochten Tafelspitz jetzt auch ein Stück Gebackenes gibt, Wiener Backfleisch, mit dem Heinz Reit­bauer schon im Stadtpark Erfolge feierte. Ist der Stadtpark das Labor für den Pogusch oder umgekehrt? Dem Thema Streuobst widmete Heinz Reitbauer unlängst einen Koch.Campus-Vormittag. Es war ­eine Mischung aus Akademie und geschmacklichem Grundkurs. Streuobst gibt es jetzt auch gebacken, mit Schwarzbeeren und Vanilleeis, das ist steirische Dessert-Küche, zusammengefasst auf ­einem einzigen Teller. Ein Lob der Getränkekultur (nicht nur der Weinkarte) darf der Vollständigkeit halber nicht unterbleiben. Der Familie Reitbauer würde man gerne die Auskunft abringen, woher sie die Energie für das alles nimmt. Ist es einfach Spaß an der ­Arbeit? Oder wachsen am Pogusch irgendwelche Kräuter, die nie den Weg in die Küche finden?

Küche: 4,5
Atmosphäre: 5
Weine: 5

Wirtshaus Steirereck
Pogusch 21, 8625 Turnau, T 03863/20 00
steirereck.at