Garnelen Blau Weiss
Scampi oder Kaisergranate oder was?
Zuchtgarnelen sind als umwelt- und gesundheits-schädlich in Verruf geraten. Doch im Handel findet sich auch streng kontrollierte, unbedenkliche Ware. Seit Kurzem sogar solche, die aus regionaler mitteleuropäischer Erzeugung stammt.
Text & Fotos Georges Desrues
Die mediale Aufregung war groß, als vergangenen Herbst eine bekannte Restaurantkette des Etikettenschwindels überführt wurde. Statt Scampi wurden gewöhnliche Shrimps serviert. Oder Garnelen. Oder Gambas. Oder Krevetten. Oder wie man die Tiere sonst noch nennen will. Jedenfalls kein Krustentier der Art Nephrops norvegicus, das als einziges unter dem italienischen Namen Scampo verkauft werden darf. Und dessen korrekte deutsche Bezeichnung Kaisergranat lautet.
Abgesehen von ihrem majestätischen Namen unterscheiden sich Kaisergranaten oder Scampi, so ihre Mehrzahl im Italienischen, auch optisch von den gemeinen Garnelen/Shrimps/Gambas/Krevetten. Nämlich in erster Linie durch die zwei im Verhältnis zu ihrer Gesamtgröße mächtigen Scheren, die sie besitzen. Statt diesen verfügt das Getier mit den vielen Namen nämlich nur über bescheidene Antennen beziehungsweise prunklose Fühler. Geschmacklich indessen gelten Scampi als viel süßer. Und, da sie bisher noch nicht gezüchtet werden, auch als edler und exklusiver. Teurer sind sie freilich ebenfalls, weswegen manche Leute die Betreiber der Restaurantkette gar als Betrüger beschimpften. Andere wiederum zeigten Verständnis und argumentierten, dass es, vor allem wenn man einzig und allein die Schwänze vor Augen habe, für den Laien äußerst schwierig sei, zwischen Garnelen und Scampi zu unterscheiden – und überhaupt sich zurechtzufinden in dem Bezeichnungs-Dschungel, der in der deutschen Sprache für Krebstiere herrscht. Kaum ein Trost ist, dass die Situation im Englischen noch konfuser ist. In manchen Gegenden der englischsprachigen Welt nämlich sagt man Shrimps zu den Scampi, in anderen wiederum bezeichnet derselbe Begriff Garnelen.
Der entscheidende Punkt in der Unterscheidung ist mit Sicherheit die Frage der Zucht. Diesbezüglich sind Garnelen nämlich stark in Verruf geraten. So heißt es von den Zuchtanlagen, die vorwiegend in tropischen Ländern errichtet werden, dass sie der Umwelt schadeten, unter anderem weil man zur Errichtung der Becken Mangrovenwälder roden müsse. Zudem würden große Mengen an chemischen Schutzmitteln, Wachstumsbeschleunigern sowie Antibiotika eingesetzt, die kaum jemand in seinem Essen vorfinden möchte – und die obendrein bei den Tierchen zu verseuchten Ausscheidungen führen, die den Meeresgrund und die Küste zerstörten. Schließlich gab es auch noch Berichte über menschenunwürdige Zustände bei der Beschäftigungspolitik der Farmer, ja sogar Fälle von Sklaverei wurden nachgewiesen. All das hat dazu geführt, dass viele informierte Feinschmecker sowie etliche Küchenchefs inzwischen lieber auf Garnelen verzichten. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Der andere ist, dass sich die Krustentiere bei der großen Masse der Verbraucher anhaltender
Beliebtheit erfreuen – und sich mit Zuchtgarnelen in Europa nach wie vor sehr gutes Geld verdienen lässt.
Nun gibt es freilich auch Firmen, die auf nachhaltigere Methoden setzen und sich bemühen, die unter zahlreichen Konsumenten so beliebten Meerestiere auch einer verantwortungsvolleren Kundschaft wieder schmackhaft zu machen. Eine davon ist beispielsweise das Wiener Unternehmen Yuu’n Mee, das bereits seit einigen Jahren hochwertige Garnelen aus streng kontrollierten Zuchtbetrieben in Vietnam und Ecuador anbietet. „Wir arbeiten mit zweierlei Siegeln“, sagt Klaus Palmetzhofer, der Qualitätsmanager der Firma, „entweder unsere Garnelen sind bio-zertifiziert, oder aber sie tragen das Siegel ASC des Aquaculture Stewardship Council, eines unabhängigen Organismus, der vom World Wide Fund For Nature (WWF) gegründet wurde und nachhaltig arbeitende Aquakultur-Betriebe auszeichnet.“ Zusätzlich zu den strengeren Auflagen in Bezug auf Futter und Besatz in den Käfigen geht es in Sachen Qualität vor allem um eine rigorose hygienische und möglichst reibungslose Verarbeitung der Tiere. „Die Logistik ist absolut ausschlaggebend. Nachdem sie geerntet wurden, müssen die Garnelen umgehend auf sauberes Eis gelegt und abtransportiert werden, ohne dass die Kühlkette unterbrochen wird und in keiner der Phasen bis zur Tiefkühlung zu viel Zeit vergeht. Auch das Tiefkühlen selbst muss möglichst schnell vonstatten gehen, denn bei einem zu langsamen Frosten würden zu große Kristalle im Fleisch der Garnelen entstehen, wodurch sie beim Verkochen zu viel Wasser abgeben“, sagt Palmetzhofer. Außerdem handle die Firma ausschließlich mit solchen Tieren, die nach der Ernte nicht in ein Becken mit Phosphat getaucht werden. Das werde nämlich getan, damit sie sich mit Wasser anreichern und somit an Gewicht gewinnen. Diese Methode sei zwar auch bei Bio-Garnelen zugelassen, komme für Yuu’n Mee jedoch keinesfalls infrage.
Ein zumindest in Europa gänzlich neuartiges Konzept haben sich indessen zwei junge Bayern ausgedacht. In einem gerade entstehenden Industriegebiet, mitten in der bayrischen Landschaft und etwa vierzig Autominuten nordöstlich von München, steht die glänzend neue Halle der Firma CrustaNova. Davor hält ein schicker Mini mit Münchner Kennzeichen. Aus ihm steigt ein junger Mann mit blauem Blazer und Pomade im Haar. Fabian Riedel ist einer der beiden Gründer dieses Start-ups, das den Garnelenmarkt aufmischen will. Gemeinsam mit seinem Partner, dem Lebensmitteltechnologen Maximilian Assmann, sowie dem Meeresbiologen Gerrit Quantz hat Riedel, der eigentlich Anwalt ist, 2012 die Idee geboren, Garnelen in Becken und in einem geschlossenen System zu züchten.
„Maximilian hat schon zuvor in der Lebensmittelbranche gearbeitet und Gerrit gar schon Erfahrungen mit kleineren Zuchtanlagen gesammelt“, erzählt Riedel und entriegelt den Eingang zur Halle, „aber in dieser Größe gab es so etwas bisher noch nicht.“ Ziel sei es gewesen, hochwertige Garnelen für die Spitzengastronomie und für anspruchsvolle Endverbraucher zu züchten. Garnelen also, die gänzlich ohne den Ruf der Umweltschädigung, der Ausbeutung und der chemischen Rückstände vermarktet werden können. Und die zudem keine langen Transportwege zurücklegen – lokales Seafood aus Bayern sozusagen. Um das Projekt zu verwirklichen, wurde mit dem gleichfalls bayrischen Fleischereibetrieb Ponnath ein finanzkräftiger Investor mit an Bord geholt. Der sei zwar in erster Linie auf weit weniger exotische Weiß- und Rostbratwürste spezialisiert, abgesehen davon aber der perfekte Partner, weil er sowohl das fehlende Kapital als auch die nötige Expertise in Vertrieb, Buchhaltung und dergleichen mitbringe. „Außerdem sieht er das größere Ganze natürlich mit etwas anderen Augen und hat eine ausgedehnterer Vision, weswegen die Halle auch so geplant wurde, dass sie bei Bedarf leicht ausgeweitet werden kann“, sagt Riedel und öffnet die Tür zu dem Raum mit den Salzwasserbecken, aus denen keck die Augenpaare von unzähligen Garnelen herausleuchten.
Die Luft in der Halle ist feucht und heiß. Man wolle den Tieren so weit wie möglich dieselben Bedingungen bieten wie in den Tropen, erklärt der Jungunternehmer. Die Becken enthalten außer den Garnelen noch lokal bezogenes Wasser und Meeressalz. Sonst nichts. Keine Antibiotika, keine Hormone, keine Chemie, wie er versichert. „Unsere Hygienestandards sind extrem hoch, die Zuchtanlage ist in vier getrennte Kreisläufe getrennt, was das Risiko aufs Minimum reduziert“, so Riedel. Außerdem existierten in Europa jene Krankheitserreger nicht, die in Asien zu Epidemien führen. Schließlich bezieht die Firma CrustaNova ihre Garnelenlarven aus den USA, wo die Indoor-Garnelen-Zucht schon weiter fortgeschritten ist als in Europa. So seien die von einer Hatchery, also einem Aufzuchtbetrieb, in Florida gelieferten Larven bereits seit zehn Generationen seuchenfrei. „Dennoch wollen wir auch das mittelfristig selbst übernehmen und vom Ei wegzüchten, um eines Tages völlig unabhängig zu sein“, betont Riedel.
Bei den blaufärbigen Krustentieren handelt es sich um sogenannte White Tiger, um jene Sorte folglich, die weltweit am meisten gefragt und gezüchtet wird. Von daher also eigentlich gar nichts Besonderes. „Doch“, wirft Riedel ein, „denn im Unterschied zu ausnahmslos allen Garnelen, die in Deutschland oder Österreich erhältlich sind, kommen unsere nicht tiefgekühlt, sondern frisch auf den Markt. Und das ist sehr wohl etwas Besonderes.“ Das bestätigt auch Christian Horaczek, Verkaufsleiter der Firma Frischeparadies, die die bayrischen Krustentiere ab März auch hierzulande vertreibt. „Eine frische Garnele ist ein Produkt, das der Verbraucher in Deutschland und Österreich gar nicht kennt, weil es in diesen Ländern schon seit geraumer Zeit nicht erhältlich ist“, sagt Horaczek. Dass sie nicht tiefgekühlt sind, macht die Tiere auch tatsächlich zu einer einzigartigen Delikatesse. Im Mund überraschen sie mit ungewohnter Frische und intensiver Süße, mit zartem Biss und angenehmer Knackigkeit – ideal, um auch roh gegessen zu werden. „Es sind äußerst hochwertige Garnelen, die in gediegenen Sushi-Bars, in der Spitzengastronomie und bei anspruchsvollen Verbrauchern mit Sicherheit gut ankommen werden“, sagt Horaczek. In den Verkauf gelangen sollen die Garnelen ab einer Größe von 20 bis 25 cm, Kopf inklusive. Eine Größe, die sie nach etwa vier bis sechs Monaten in den bayrischen Becken erreicht haben. Kosten werden sie dann allerdings 69 Euro pro Kilo, also immerhin ungefähr viermal so viel wie die hochwertigsten erhältlichen Tiefkühl-Garnelen.
Scampi oder Kaisergranaten sind Krebstiere, die, ähnlich dem weit größeren Hummer, mit zwei Scheren ausgestattet sind. Bisher werden sie noch nicht gezüchtet, stammen also stets aus Wildfang und sind wegen ihres süßlichen Geschmacks sehr beliebt.
Unter Carabineros versteht man von ihrer Größe her ziemlich mächtige Garnelen mit knallrotem Körper, die heutzutage häufig aus Marokko und aus Wildfang stammen und dementsprechend teuer sind.
Die argentinische Rotgarnele ist eine hochwertige Garnele, die vor der Küste Argentiniens gefangen und in der Regel gleich an Bord tiefgefroren wird. Sie ist circa 22 Zentimeter lang und damit entscheidend kleiner als ein Carabinero.
Garnelen sind Krebstiere, von denen es an die 3.000 Unterarten gibt. Sie treten in allen möglichen Größen auf. Im Handel erhältlich sind in Österreich so gut wie ausschließlich Zuchtgarnelen – und diese fast ausschließlich in tiefgefrorener oder aufgetauter Form.
Unterteilt werden sie in zwei Gruppen:
• Süßwasser- oder Freshwater-Garnelen, die in Aquakulturen in Flüssen oder Flussmündungen gezüchtet werden und das Kürzel FW für Freshwater auf der Verpackung tragen.
• Salzwasser- oder Seawater-Garnelen, die in Salzwasserbecken gezüchtet werden und mit SW gekennzeichnet sind. White Tiger und Black Tiger sind die am häufigsten anzutreffenden Unterarten.
Garnelen werden entweder mit oder ohne Kopf, mit Schale oder ohne Schale angeboten. Besonders kompliziert wird es bei der Kalibrierung. Bei Ware mit Kopf wird die Stückzahl pro Kilogramm angeben. Ist diese also mit 13/15 gekennzeichnet, besteht ein Kilogramm aus 13 bis 15 Stück. Bei 4/6 Garnelen wird dasselbe Gewicht schon von 4 bis 6 Stück erreicht.
Bei Ware ohne Kopf wird dasselbe System angewandt, allerdings nicht auf das Kilogramm, sondern auf das englische Pfund. Und somit auf umgerechnet 0,454 kg. Was wiederum bedeutet, dass bei 13/15 Garnelen ohne Kopf 13 bis 15 Stück ein Pfund ausmachen – oder circa 28 bis 34 Stück ein Kilogramm.
Der wenig gebräuchliche Begriff Granat (Mehrzahl: Granate) steht übrigens nicht generisch für Garnelen, sondern nur für eine ganz bestimmte Sorte, nämlich die an der Nordsee gefischte, kleinwüchsige Garnele, die im Handel häufig als Nordseekrabbe angeboten wird und ebendort entweder händisch oder maschinell gepult (geschält) erhältlich ist.
Yuu’n Mee
www.yuu-n-mee.at
Frischeparadies
Sagedergasse 18–22, 1120 Wien
Tel.: 01/803 01 70 50
Josef-Wilberger-Straße 19, 6020 Innsbruck
Tel.: 0512/26 26 64
www.frischeparadies.eu