Glasswing im Amauris

Ringstraßenpalais ohne Kitsch

Die Gemälde von 1900 spiegeln das Motto der Küche im Glasswing wider: das Beste aus der jeweiligen Zeit.

Foto: The Amauris Vienna

Das Amauris als eines der schönsten Hotels der Stadt zu bezeichnen, ist nicht übertrieben. In ein solches Haus gehört auch ein entsprechendes Restaurant, hat man sich in der Chefetage sicher gedacht. Es wurde eines. Im Glasswing wirken die alten Bilder an den Wänden anfänglich etwas erdrückend, doch sie gehören zur Geschichte des Palais, es handelt sich um Gemälde zeitgenössischer Maler, die von der Familie Ephrussi einst eingekauft wurden und nun den Geist der Epoche um 1900 wiedergeben. Kurze Zeit später übernahmen Schiele, Kokoschka und Klimt. Die Bilder geben auch, sicher ungewollt, das Motto der Küche wieder. Alexandru Simon, aus Rumänien stammend, geistig in Frankreich beheimatet, zitiert hier die Küche seiner kulinarischen Wahlheimat. Dabei erweist er sich als sensibler Könner des Abschmeckens, Augenmensch bei Arrangements, wo nichts Überflüssiges auf die Teller kommt, und als Kreativer, der nicht die Formeln der Sterne-Menüs herunterbetet.

Ein paar perfekt knackig gegarte oder rohe Gemüse, dazu eine würzig-scharfe Paste, fertig ist der erste Teller. Brotbrechen nennt sich ein eigener Gang, das im Haus gebackene Brot und Gebäck ist ausnahmslos spitzenklasse. Auffallend, wie einfühlsam Simon mit Currys und Saucen umgeht. Und kein Gang gerät ihm banal, nicht das Tatar von der alten Kuh mit Kaviar, allerdings nur in Spurenelementen, nicht der Spitzen-Räucherlachs, nicht die rote Garnele mit einer aus ihrem Kopf gezogenen Sauce, Fenchel und einer delikaten Rouille, der beste Teller im Menü. Eine reine Freude ist die gebratene Challans-Ente, zart, fast bleu, wie man es in Frankreich, aber in Österreich nie bekommt, schöner Fettrand, köstlich. Zu den Signatures des noch jungen Restaurants zählt die etwas mächtige Kombination aus Kaisergranat, Vadouvan-Hollandaise und Kaviar mit Karfiol, eine Hommage an Joël Robuchon. Etwas ratlos lässt mich die Kombination aus Sot-l’y-laisse vom Huhn mit Erdäpfelpüree und Morcheln zurück, zu weich und sämig das alles. Die Desserts scheinen der Küche dann wiederum ein besonderes Anliegen zu sein. Sie sind so filigran wie perfekt portioniert und eigentlich fantastisch.

Der bereits auffallend gut bestückte Weinkeller des Hauses hält parat, was man sich zu einem Essen wie diesem einbildet. Der junge Sommelier ist in Topform, hat eine Weinkarte zusammengestellt, die von Geheimtipps um 40 Euro bis zu den ganz großen Weinen reicht; tolle Champagner auch. Vor oder nach dem Essen sollte der Besuch der kleinen Bar gegenüber dem Restaurant verpflichtend sein. An der Ringstraße gibt es zurzeit kaum einen Ort, wo man besser essen könnte.

Alexander Rabl

Küche ●●●◐○
Atmosphäre ●●●◐○
Weine ●●●○○

Glasswing im Hotel Amauris
Kärntner Ring 8, 1010 Wien
T 01/221 22 12
glasswing-restaurant.com