Harry’s Piccolo

Wo Harry draufsteht, aber kein Carpaccio drin ist

Foto von Matteo Fiorentini
Text von Alexander Rabl
Küchenchef Matteo Metullio (li.) und Davide de Pra bringen im Harry’s Piccolo den Geist und den Geschmack der Adria klar auf den Teller.

Während viele Triest-Habitués die Stadt mit ihren manchmal etwas starren Geschmacksbildern von Italien (urig, einfach, preiswert) assoziieren, ist es auch eine Tatsache, dass sich anspruchsvolle Küche in der Hafenstadt an der Grenze zu Slowenien jahrzehntelang schwergetan hat. Alles, was sich in diese Richtung bewegte, geriet meistens zur Posse, und man war froh, am nächsten Tag wieder in einem anständigen Buffet anständiges Essen zu bekommen. Das blieb lange so, bis vor Kurzem im Hotel Duchi d’Aosta (aufwendig renoviert, was man aber nur den teuersten Zimmern anmerkt, während die anderen wie vor zwanzig Jahren sind) Harry’s Piccolo eröffnete, das mit Harry’s Bar im benachbarten Venedig allerhöchstens den Namen gemeinsam hat. Küchenchef hier ist Matteo Metullio, der sich schon sehr jung in Sankt Kassian einen Namen gemacht hat (Sankt Hubertus, dann La Siriola) und hier ­gemeinsam mit Davide de Pra das Küchenteam leitet. Heraus kommt Bemerkenswertes, eine Küche, die zwar in manchen Details die typischen Features italienischer Sternegastronomie vermittelt, bissel verspielt, bissel technisch, die aber den Geist der Adria und der nahe ge­legenen Lagune mit Geschmack, transparent und klar auf den Teller bringt. Bei den Snacks zum Spumante, der auf dem gleich hohen Niveau ist wie der Rest der Wein­begleitung, ist auch für erfahrene Esser einiges dabei. Interessant natürlich vornehmlich das Menü mit Fisch und Meeresfrüchten. Fantastisch die Makrele, roh, mit Algen und Gewürzen. Ein Zwischengang, der auf Metullios Heimat Apulien hinweist, sind die ­Spaghettini freddi mit Scampi, Basilikummayonnaise, Tomatenwasser, Anchovissauce und geräuchertem Öl, ein Beispiel, wie die italienische Hochgastronomie aus regionaler Tradition präzise ­gedachte und mit beträchtlichem Aufwand zubereitete Delikatessen schafft. ­Risotto machen hat Metullio bei Niederkofler gelernt. Das mit einem Fond aus kleinen Muscheln und anderen Tierchen, die in der ­Lagune leben, zubereitete Risotto, dazu Basilikumöl, ist berückend intensiv, dennoch von der Eleganz, die man in diesem Setting erwartet. Schließlich der gegrillte und lackierte Aal aus der Lagune, ein Festmahl für Liebhaber solcher Fische, der intelligent kombiniert wird mit Apfel und Bittersalaten. Das Dessert, etwas Dekonstruiertes mit Mandeln, Oregano, der pulverartig über den Teller gestäubt wird, Kapern und Zitronen, zeigt dann die Schwäche der italienischen Sterneküche, wie man sie manchmal antrifft: zu viel technischer Schnickschnack, zu wenig Seele. Doch dieser Eindruck bleibt in dem mit viel Geschmack und toller Lichtregie eingerichteten Restaurant – imposant der große Muranoluster – die Ausnahme. ­Dieses wird außerdem von einer wirklich exzellent aufgestellten ­Servierbrigade bespielt. Auch das etwas, wie man es nur in Italien ­findet, aber halt leider nicht um jede Straßenecke.

Küche: 4
Atmosphäre: 5
Weine: 4,5

Harry’s Piccolo
Piazza Unità d’Italia,
2/1, 34121 Trieste TS, Italien
T +39/040/760 00 11
harrystrieste.it

So sehen Tortellini à la Harry’s Piccolo aus, so werden sie in Triest serviert.
© R. Frezza