Pasta und Motoren

Massimo Botturas kleines Imperium rund um die Stadt Modena, die sogenannte Francescana Family, ist um ein neues Restaurant reicher.

Text von Georges Desrues

Untrennbar mit Modena verbunden ist Massimo Bottura inzwischen genauso wie einst Enzo Ferrari. „Massimo IST der neue Enzo“, sagt der Taxifahrer auf dem Weg zur Casa Maria Luigia, Botturas Boutique-Hotel in der Peripherie von Modena, „er ist ein regelrechtes Symbol unserer Stadt. Und genau wie einst bei Enzo wird alles, was er angreift, zu Gold.“

Tatsächlich leitet Italiens berühmtester und schillerndster Koch inzwischen ein kleines Imperium in der Region. Zu diesem zählt abgesehen vom Haupthaus – der dreifach besternten Osteria Francescana – auch ein einfacheres Restaurant namens Franceschetta, unter­gebracht in einer ehemaligen
Reifenhandlung; das Ristorante Cavallino, die einstige Kantine der Ferrari-Belegschaft im nahen Ort Maranello; sowie, erst seit vergangenem September, das funkelnagelneue Restaurant Al Gatto Verde in der Casa Maria Luigia.

Untergebracht ist es in einem von drei Gebäuden, die einst zu demselben Anwesen wie das
luxuriöse Villenhotel gehörten und von Bottura Anfang des Jahres erworben wurden. In
einem weiteren Gebäude, gleich nebenan, lagern über tausend kleine Holzfässer, in denen seit Jahrhunderten der mythische Balsamessig von Modena erzeugt wird – dem neben Ferrari und Bottura dritten Stolz der Modeneser.

„Ein nachhaltigeres Restaurant als das Gatto Verde gibt es nicht.“

Tatsächlich dreht sich in der Stadt und ihrem Umland – wo neben Ferrari auch noch Maserati, Lamborghini und Ducati beheimatet sind – so gut wie alles um Essen, Trinken und Motoren. Bei Bottura kommt das alles zusammen. In einem weitläufigen Fitnessraum (!) neben dem Al Gatto Verde (dessen Name von einem Märchen über eine grüne Katze stammt, das Enzo Ferrari seinem Sohn Dino erzählt haben soll) stellt der Maestro nicht nur einen Teil seiner beeindruckenden Kunstsammlung, sondern auch Motorräder, Helme, Trophäen und gleich mehrere Sportwagen aus.

In der Küche nebenan steht die Kanadierin Jessica Rosval am Herd, die viele Jahre an der Seite Botturas in der Osteria Francescana kochte und 2018 in die Casa Maria Luigia wechselte. Die Speisen im Al Gatto Verde beruhen weitgehend auf Zutaten aus der Region, werden nahezu ausschließlich mit Holzfeuer im Pizza- oder Räucherofen sowie am Barbecue zubereitet und tragen deutlich die Handschrift der ambitionierten Küchenchefin.

„Unsere Küche ist umgeben von Weingärten und Modeneser Feldern und erleuchtet von unserem Holzfeuer“, sagt Rosval mit an ihren Lehrmeister gemahnendem Pathos, „dieser magische Ort entzieht sich jeder einschränkenden Kategorisierung und erlaubt unserer Kreativität, sich frei zu entfalten.“ Das tut sie etwa im Fall von „Lamm aus Montreal in San Damaso“, das sich an einem Rindfleischgericht aus der Heimat der Köchin orientiert und genauso am Spieß serviert wird wie die „Short Ribs forever“, die diesmal tatsächlich vom Rind stammen und sich in zarten, auf den Punkt gebratenen Scheiben und mit einer süßsauren Marillensauce präsentieren. Wunderbar auch der sogenannte „Green Cod“, bei dem es sich um eine Scheibe Kabeljau handelt, die ein Sabayon aus Salsa verde umhüllt. Serviert wird das alles in einem überschaubaren Speisesaal, dessen zurückhaltend modernes Design von der Innenarchitektin Catia Baccolini stammt und gediegene Landhausatmosphäre vermittelt.

„Ein nachhaltigeres Restaurant als das Gatto Verde gibt es nicht“, sagt Bottura mit dem ihm typischen Selbstbewusstsein, „nicht einmal Brotbrösel werden weggeschmissen, das Feuer beheizen wir mit Holz aus dem Garten und den Strom erzeugen wir mit unseren eigenen Solarpanelen.“ Naturgemäß deutlich weniger Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit vermittelt die Atmosphäre im Ristorante Cavallino im nahen Ort Maranello. Die einstige Kantine der Ferrari-Schmiede wurde ab den 1960er-Jahren als Restaurant betrieben, kurz vor der Pandemie von Bottura übernommen und von der französisch-iranischen Stardesignerin India Mahdavi umgestaltet.

Namengebendes „Pferdchen“ ist freilich jenes aus dem Firmenlogo Ferraris, das hier allerorts abgebildet ist. Man sitzt zwischen Replikas von Kurbelwellen, 12-Zylinder-Motoren und Chassis-Teilen von Formel-1-Autos und wählt aus einer Karte, die auf den ersten Blick ausschließlich Klassiker der ­lokalen gutbürgerlichen Küche listet. Wie etwa Tagliatelle al ragù, Tortellini in Parmesancreme (ein Bottura-Klassiker) oder Bolitto misto, bei dem der Küchenchef Riccardo Forapani allerdings das gemischte Gesottene unorthodox zu zwei Würfeln anrichtet, die jeweils alle Fleischteile enthalten.
Dass die Stühle im Cavallino nicht in dunklem Ferrari-Rot, sondern in hellerem Rot gehalten sind, mag überraschen, liegt aber daran, dass Originalmodell und -farbe aus einer Zeit stammen, als hier noch der 1988 verstorbene und nicht nur von Bottura bis heute verehrte Firmengründer Enzo Ferrari höchstpersönlich speiste.

massimobottura.it

Cavallino-Küchenchef Riccardo Forapani

Bottura & PS gehören zu Modena wie Essen & Balsamico.