Pepi Hopf: Schmäh- und Gemüsetandler

Von einem, der sein Hobby zum Nebenberuf, beinah wieder zum Hobby und dann doch vorüber- gehend zum Beruf machte.

Text von Thomas Maurer · Fotos von Ingo Pertramer

Der Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 hatte, um mit einer denkbar unoriginellen Feststellung zu beginnen, massive Auswirkungen auf alle Aspekte des Alltag, und lieb gewordene Gewohnheiten beim Essen und Trinken machten da keine Ausnahme.

Mittagsmenü, Geschäftsessen und Zwischendurchkäsekrainer waren plötzlich ebenso Begriffe aus einer versunkenen Zeit wie Gaslaterne, Laufrad und Feldscher. Dem After-Work-Cocktail, dem Drüberstreuachtel und dem Reparaturseidel erging es nicht anders.

Im Gegenzug erlangte die eigenhändige Anfertigung von Lebens- und Genussmitteln ungeahnte, zigmillionenfach auf sämtlichen Social-Media-­Kanälen dokumentierte Popularität; kaum war die historische Klopapiernot ausgestanden, brach der Germ-Engpass über uns herein, Mehl musste von Regalbetreuern mehrfach täglich nachgeschlichtet werden, Sauerteigmuttern wurden mit Hingabe gehätschelt, gehegt und gepflegt, Hobby-Bierbrau-Kits aus Kellern und Dachböden befreit, Fermentationskrüge in Großhandelsmengen bestellt. Und in einer Kombination aus lange aufgeschobenem Nachhaltigkeitsbedürfnis, Patriotismus und Endzeitpanik wurde bei österreichischen Lebensmittelproduzenten per Lieferservice bestellt wie noch nie zuvor.

Einer, der das bestätigen kann, ist der Gemüsegärtner Pepi Hopf. Ihn für einen Profiteur der Corona-Krise zu halten, wäre aber trotzdem ziemlich daneben, schon einmal deshalb, weil er sich den Körper mit dem Kabarettisten Pepi Hopf teilt. Und der war natürlich gemeinsam mit der gesamten Bühnenzunft per 15. März bis auf Weiteres mit Berufsverbot belegt. Was, gemäß dem von der Tante Jolesch formulierten Grundsatz, dass Gott allem abhüten möge, was noch ein Glück ist, noch ein Glück war: „Wegen der Kabarett-Doppelbelastung hab ich letztes Jahr schon überlegt, die Pacht für die Äcker überhaupt zurückzugeben. Jetzt bin ich natürlich froh, dass ich das nicht gemacht hab, der Lockdown ist für mich gerade noch rechtzeitig gekommen, um doppelt so viele Setzlinge zu produzieren wie normalerweise.“

Das erwies sich umgehend als weise Entscheidung, denn aus den oben genannten Gründe wuchs der Markt für den Gemüsegärtner beinahe so explosionsartig wie der Markt für den Kabarettisten schrumpfte: „Das war ein Wahnsinn. Und das hat ja auch genau in der Zeit begonnen, wo bei uns in der Gärtnerei nix da ist, weil halt so Mitte, Ende Feber unsere Saison vorbei ist. Wir haben grad noch gehabt ein paar letscherte Erdäpfel, und ununterbrochen ist das Telefon gegangen: „Ham’S net no irgendwas, wir nehmen alles!“ Du hättest glauben können, es gibt sonst kein Essen mehr zum Kaufen. Und es haben sich auch urviel Leut’ als Erntehelfer angetragen, aber da hab i g’sagt, na, danke, sehr liab, wegen mir ned.“

Beide Hopfs, der Gemüsegärtner ebenso wie der Kabarettist, haben ihre Wurzeln in Wien Simmering. Beim Kabarettisten macht sich das durch einen trittsicheren Vorstadtschmäh bemerkbar, der Gemüse­gärtner wurde in einer genera­tionsübergreifenden Simmeringer Gärtnerdynastie sozialisiert, in der nicht nur der Vorname Josef, sondern auch der Beruf erblich war.

„Der Urgroßvater hat vierzehn Kinder gehabt, und jedes hat eine Gärtnerei bekommen. Fünfzig Prozent vom Gründungskapital waren immer ein Kredit auf fünf Jahre, und mit dem Zurückgezahlten hat dann das nächste eine Gärtnerei bekommen. Und, na ja, mit vierzehn Gärtnern in der Groß­vatergeneration, da waren die Hopfs eine Simmeringer Großmacht. Dann haben’s zwanzig Jahre gegeneinander prozessiert, und dann war alles weg.“

Immerhin aber übte auch Hopfs Vater, Josef V., die Profession des Friedhofs- und Ziergärtners aus. Und als dann Josef Hopf VI., dem auch in gediegenem Mannesalter noch anzumerken ist, dass er ein ziemliches G’frast gewesen sein muss, sich ge­nötigt sah, vierzehn Tage vor der ­Matura die Schule zu schmeißen („I hab g’wusst, das wird sich ned ausgehn“), war es naheliegend, nicht einfach ­irgendeinen Lehrberuf zu er­greifen, sondern den des Gärtners. Gewerberechtlich zerfällt dieser in drei Unterberufe, nämlich den des Landschaftsgärtners, des Gemüsegärtners und des Friedhofs- und Ziergärtners. Und nachdem Letzterer ja väterlicherseits quasi schon im Haus war, fiel die Wahl auf ihn. Schiere Begeisterung für die österreichische Funebralkultur scheint dagegen eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben: „I hab in meinem Leben noch kan Kranz bunden. I hab da an Deal g’habt mit der Berufsschullehrerin, weil der war wieder die Arbeit draußen eher zu­wider. Die hat dann g’sagt, weiß ich: ,Am Kagraner Friedhof wär ein Grab zu machen.‘ Eine Woche drauf hab ich g’sagt: ,Das Grab is fertig‘, und sie hat g’sagt: ,Der Kranz is fertig.‘ Und der war natürlich perfekt.“

Neben dem Friedhofsgärtnern und Kränzeschwänzen begann er nebenbei, als Bühnentechniker zu arbeiten, was im Weiteren dazu geführt hat, dass er „via große Goschen ins Kabarett gerutscht“ ist. Dass er später zur Gärtnerei zurückkehren würde, hätte er sich, nachdem er einmal von der Bühne leben konnte, eher nicht gedacht. Und dass er dieses Gewerbe in Haringsee im Marchfeld ausüben würde, noch weniger: „Ich bin ja begeisterter Segler und hab eigentlich immer gesagt, das Einzige, was in Wien wirklich fehlt, ist ein Meer, flut’ ma doch das Marchfeld, das bissl Spargel könn’ ma importieren auch.“

Tatsächlich führt der Weg von Wien nach Haringsee durch eine Landschaft, die nur sehr abgebrühte Tourismuswerber als idyllisch beschreiben würden, und durch Straßendörfer, deren mit fast durchgehend heruntergelassenen Außenjalousien bewehrte Häuser etwas von kleinen Kindern haben, die die Augen zuzwicken, um einen nicht sehen zu müssen.

Hierher verschlagen hat es ihn, als er mit seiner damaligen Frau ein Haus suchte und feststellte, dass das „auf der richtigen Seite der Donau un­finanzierbar“ ist.

Zunächst wurde aber in Haringsee nur privat gegärtnert, nicht beruflich. Dafür bedurfte es dann doch eines biografischen Bruchs: „Mit dem Gärtnern hab ich 2011 wieder begonnen. Wir haben uns scheiden lassen, und obendrein hab ich damals ein oasch Kabarettprogramm gehabt, das natürlich auch net g’scheit gegangen ist. Hab ich mir denkt: Willst jetzt in irgendeinem Werbespot einen Statisten spielen? Wirklich net. Und Zeit war auf einmal auch total viel da, die Kinder waren jede zweite Woche bei der Exfrau, neue hab i noch keine gehabt, also back to the roots.“

Allerdings war es nicht ganz einfach, als Zugereister ins feste Gefüge der lokalen Bauernschaft einzudringen: „An sich verkaufen und verpachten ja die Bauern da in der Gegend – oder wahrscheinlich überall – aus Prinzip nix. Schon gar net an Fremde. Ich bin zufällig beim Wirten an einem Tisch mit einem hiesigen Bauern gelandet, der war angesoffen und grad am Sudern, dass er den Hut drauf haut und sich nix rentiert. Hab ich gesagt, verpacht’ mir an Hektar, hat er g’sagt, gut, mach ma. Am nächsten Tag war bei ihm natürlich Reue, aber er war im Wort. Und zum Glück war der sogar schon bio, also hab ich gleich loslegen können.“

Das Vorurteil, dass „Marchfeld“ und „Bio“ zwei Begriffe sind, die nicht unbedingt im gleichen ­Assoziationsfeld liegen, würde Pepi Hopf aber nicht grundsätzlich als unbegründet abtun: „Sag ma so: Das Wasser trinken wir da heraußen lieber aus der Mineralwasserflasche. Ich mein, es gibt Biobetriebe, ein paar, und langsam wird’s als ­Nische erkannt. Die Ersten, die angefangen haben, waren aber natürlich für die gestandenen Bauern die allergrößten Volltrottel. Es war auch eine ­Riesenangst da, dass du, wenn du bio bist, automatisch die Grünen wählen musst.“

Mittlerweile ist Pepi Hopf wieder verheiratet, als Kabarettist unterwegs und sogar als Marchfelder Nachbar und Bauernkollege leidlich akzeptiert. Hilfreich bei diesem Akzeptanz- und Sozialisierungsprozeß war neben der vernachlässigbaren ­Dimension des Hopfschen Hortikulturbetriebs („Ich hab drei läppische Hektar; da in der Gegend geht’s mit zwanzig Hektar überhaupt erst los, groß bist mit zwölfhundert, fünfzehnhundert“) vor allem das aktive Engagement im örtlichen Fußballverein, wo er die Jugendmannschaft trainiert. „Ich hab sogar die UEFA-B-Lizenz. Aber meine Frau sagt, wenn ich mir einfallen lass, eine Erwach­senenmannschaft zu trainieren, hab ich die Scheidung.“

Dass er heute nicht einmal einen Bauernmarktstand betreiben muss ( „Bauernmarkt mach ich nicht. Das hab ich als Kind immer machen müssen, die ganzen Ferien durch, nein“), sondern seine Produkte vorbestellt an fixe Abnehmer liefern kann, verdankt Pepi Hopf weniger einem brillanten strategischen Geschäftssinn als der Fähigkeit, glückliche Zufälle gelassen willkommen zu heißen.

Zur Setzlingsproduktion etwa kam er so: „Da ist einmal ein Bekannter von mir vorbeigekommen, der wollt unbedingt ein paar haben. Und den haben dann andere gefragt, wo er die her hat.“

Und zu seinem heutigen Exklusiv-Vertriebsweg, der Bestellung via Face­book, so: „Irgendwann einmal hab ich ohne viel Nachdenken ein Ge­müsefoto auf den Facebook-Account gesetzt. Und auf einmal sind Bestellungen gekommen.“

Bestellen kann man hier Saisongemüse mit Sommerschwerpunkt Paradeiser, Chili, Salat und Erdbeeren. Und natürlich Kräuter. Wobei man sich da keine Gourmetgeheimtipps vom Produzenten erwarten sollte: „I bin net so der Koch, was das angeht. Schnittlauch, Petersil, Dill, damit komm ich eigentlich aus. Wenn mich wer fragt, was man mit dem und dem macht, sag i meistens: an Tee.“

Ausgeliefert wird immer freitags, aber nicht an die Haustür, sondern dezentral an zwanzig verschiedene Wiener Geschäfte, wo die Endverbraucher ihre Bestellungen abholen können. Der Hang zur Totalüberwachung, den man Facebook nicht zu Unrecht nachsagt, hat indessen nicht auf die Hopfsche Geschäftspraxis abgefärbt: „Das funktioniert auf Vertrauensbasis. Ganz wenige holen was Bestelltes nicht ab, und wenn, dann entschuldigen sie sich.“ Selten, aber doch, werden auch andere Saiten aufgezogen: „Drei Mal nicht abholen und nicht entschuldigen: Das war’s dann.“

Die Facebook-Bestellungen verwaltet mittler­weile sein Hälfte-Hälfte Partner David Amri, der dafür – „Er ist nicht der große Redner von uns zwei“ – vom direkten Kundenkontakt entbunden ist. So ein richtiges Digital-Economy-Start-up ist aus dem Betrieb aber trotzdem nicht geworden: „PayPal? Na, das hamma ned. Früher hamma das alles bar gemacht, jetzt, in der Corona-Zeit, zahlen die Leut halt per Überweisung.“

Im Zuge dieser Krise hat sich in der Gärtnerei einiges geändert. Zum einen mussten wegen ­Wegfall des Bühnen-Standbeins Kosten eingespart werden („Bis Corona hab ich zum Liefern einen Pensionisten – also einen pensionierten Postler, der is, glaub ich, vierzig – geringfügig beschäftigt; jetzt mach ich das aber doch wieder selber“), zum ­anderen sind Produktionsumfang und Auslastung ­gestiegen: „Momentan liefern wir die ganzen ­Setzlinge aus. 700 Bestellungen. Das hab i noch nie g’habt. Die Leut investieren alles in den Garten statt in den Urlaub.“

Die Frage, ob die Präsenz des Kabarettisten Hopf dem Gärtner Hopf absatztechnisch nützt, wird mit „Weiß net. Kann sein“ beantwortet.

Grundsätzlich aber würde er die beiden Berufe getrennt halten: „Das Gärtnern kommt in den Programmen nicht vor. Umgekehrt hab ich beim Gärtnern ja auch nicht immer einen Schmäh parat.“

Gewisse strukturelle Gemeinsamkeiten seiner beiden Betätigungsfelder hat er aber doch feststellen können: „Beim Gemüseeinkauf ist es wie im Kabarett auch. Die Frauen sind die, die bestimmen, was konsumiert wird. Und daneben sitzen halt die mitgebrachten Männer, denen’s dann ,eh taugt‘.“

Biogemüse Hopf
Hauptstraße 80, 2286 Haringsee
Tel.: 0676/312 77 49
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