Quitten lassen bitten

Quitten gelten gemeinhin als eher komplizierte Früchte. Gewusst wie, entfalten sie ein betörendes Geschmacksspektrum.

Text von Andrea Karrer
Illu von Kerstin Luttenfelder

Auf den ersten Blick scheint sie dafür gemacht, samtig-weiche Gefühlsregungen zu entfachen. Denn samtig ist ihre Haut, wenn die Frucht leuchtend gelb direkt vom Baum kommt. Ihr Duft lässt sich mit nichts vergleichen, er ist eine einzigartige Mischung aus Erdbeere, Holunder, Apfel, Pfirsich, Ananas, Kiwi, Rosen und vielem mehr. Ganz anders als der Duft der Quitte ist ihre Konsistenz. Steinhart, holzig, grießig die Textur und von einem herb-säuerlichen Geschmack mit adstringierendem Abgang bei rohem Genuss. „Erst gegart, gekocht oder gebacken wird die Quitte zur Delikatesse. Um sie weich zu bekommen und ihre ­Bitter- und Gerbstoffe zu bändigen, ist eine gewisse Kochzeit nötig – je nach Rezept bis zu einer Dreiviertelstunde“, weiß Mühltalhof-Chef Philip Rachinger, einer von Österreichs besten und kreativsten Köchen.

„Zum Vorbereiten braucht man etwas Kraft und ein scharfes Messer, zum exakten Aushöhlen auch einen Kugelausstecher. Quitten schält man am besten mit einem Sparschäler, ­anschließend werden die Früchte halbiert, das Kerngehäuse samt hartem Strunk und Fasern herausgeschnitten. Werden Quitten samt Schale verarbeitet, den bitteren, öligen Flaum, mit dem die Früchte überzogen sind, mit Küchenkrepp oder einem groben Tuch abreiben“, fährt Rachinger fort. Die Quitte will gestreichelt werden … Beim Kochen verschwinden die Bitterstoffe und das Quittenfleisch entwickelt ein ganz einmaliges Aroma, ein bisschen frisch orangenartig, aber auch süß und schwer wie Honig. 

Die Quitte findet sich nur selten im Supermarkt, dabei gehört sie zu den ältesten Kulturobstarten. Fündig wird man in der Herbstzeit eher auf regionalen Bauernmärkten, in Bio-geschäften oder in Bauernhofläden. Die Quitten, die man im Herbst in türkischen Lebensmittelläden zu kaufen bekommt, werden von Quittenliebhabern eher gemieden: Sie sind oft fade, weil unreif gepflückt, und längst nicht so aromatisch wie die einheimischen Früchte. Ernten sollte man die Frucht, sobald sie goldgelb und reif ist. Hängt sie zu lange am Baum, wird das Fruchtfleisch innen braun oder es fault. Um rohe Quitten aufzubewahren, legten die Griechen sie in Honig ein. Der melon (die apfelähnliche Frucht) wurde in meli(Honig) gelegt und somit zum Honigapfel (melimelon). Die Portugiesen nannten die goldgelbe Frucht marmelo, daraus entwickelte sich das Wort Marmelade. 

Das Besondere an Quitten ist, dass sie einen sehr ­hohen Pektingehalt haben, durch welchen sie beim Kochen von selbst gelieren. Aus diesem Grund werden Quitten auch gerne als Ersatz für Gelierzucker verwendet. Doch Marmelade bzw. das, was wir darunter verstehen, ein süßer Fruchtaufstrich aus passiertem Obst, wird aus Quitten allerdings selten erzeugt. Das Produkt, das fast auf der ganzen Welt produziert wird, ist Quittenbrot bzw. Quittenkäse, der mit seinem süß-fruchtigen Geschmack gut zu Käse und Schinken passt. Dieses im getrockneten Zustand schnittfeste Quittenmus besteht in seiner Grundform nur aus Frucht und Zucker. Man sollte dafür keine überreifen Früchte verwenden, denn der Pektingehalt wird mit zunehmender Reife geringer. „Früchte mit hohem Pektingehalt brauchen unter Umständen nicht einmal die Zugabe von Zucker, um zu gelieren, und der Eigengeschmack der Quitte bleibt erhalten“, erklärt Rachinger.

Die alte Kulturpflanze stammt ursprünglich aus dem Kaukasusgebiet, wo sie vor 4.000 Jahren kultiviert wurde. Über die Feldzüge der Griechen und der Römer gelangte die Frucht nach Europa. Heute werden weltweit rund 200 Sorten angebaut. In Armenien, Afghanistan und Iran gibt es die größte Vielfalt. In der Türkei und in Asien gibt es hingegen Sorten, die auch roh genossen werden können. In Österreich haben sich Apfel- und Birnenquitten durchgesetzt. Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihre Form, die meistens dem jeweiligen Namen entspricht, sondern auch durch das Aroma und die Härte. Im Gegensatz zur Birnenquitte ist die Apfelquitte aromatischer, aber wegen ihrer Härte schwieriger zu verarbeiten. Der Aufwand lohnt sich. Quitten harmonieren gut mit Birnen und Äpfeln sowie zu Geflügel und Fleisch. „Quitten schmecken im Quittenkäse, im Rotkrautsalat mit Quittenvinaigrette, als Salbeiquitten zur Kalbsleber, in einer Lammtajine, als winterlicher Belag für fruchtige Törtchen, zu Likör und Essig verarbeitet …“, schwärmt Rachinger. „Quitten schmecken ungefähr wie Apfel plus
Pfirsich plus Zitrone. Nicht etwa wie eine Mischung dieser drei, sondern wie eine Addition.“ —

Quitte mit Chicorée
und roh mariniertem Saibling

Rezept von Philip Rachinger, Mühltalhof

Zutaten für 4 Portionen

Quitte
2 Quitten, Sorte „Vranja“
(Birnenquitte)
200 ml Quittensaft
18 g Ingwer, geschält,
klein geschnitten
4 EL Honig
1 Chili, längs aufgeschnitten
und entkernt
1 Zimtstange
2 Gewürznelken
1 Sternanis

Chicorée
2 Stück Chicorée
2 EL Zucker
1 Knoblauchzehe
60 ml Apfelessig
2 EL Butter
Salz

Saibling
1 Saiblingsfilet, ohne Haut
Saft und Schale von 1 Zitrone (unbehandelt), abgerieben
1 EL Olivenöl
1 TL Ingwer, frisch gerieben
1 TL Sojasauce
(Empfehlung Philip Rachinger:
von Reisetbauer)

Quitten-Leinöl-Jus
1 L Quittensaft
1 L Mostessig
3 EL Zucker
1 Messerspitze Chilipulver
1 Zimtstange
1 Sternanis
1 Gewürznelke
10 Thymianzweige
3 EL Leinöl

Zubereitung

Quitte: Quittensaft mit Ingwer,
Chili, Honig und Gewürzen
aufkochen. Die Quitte schälen,
vierteln, entkernen. Die Quitte auf
der Aufschnittmaschine in 1,5 mm dünne Scheiben schneiden. In
den Gewürzfond einlegen, einmal aufkochen lassen und in einem
tiefen Blech auskühlen lassen. 

Chicorée: Chicorées längs halbieren und die Schnittfläche salzen. Zucker zu hellem Karamell kochen, Chicorée und Knoblauch einlegen, mit Essig ab­löschen. Kurz bevor der Essig verdampft, mit Butter montieren, Chicorée zugedeckt weich schmoren. Den Chicorée auskühlen lassen und die Blätter vom Strunk schneiden. 

Saibling: Den Saibling entgräten und in so feine und dünne Scheiben schneiden wie die Quitten
und Chicoréeblätter. Zitronensaft mit Zitronenzesten, Olivenöl,
Ingwer und Sojasauce gut ver-
rühren. Den Fisch 30 Minuten vor
dem Anrichten darin marinieren.

Quitten-Leinöl-Jus: Alle Zutaten
bis auf das Leinöl bei geringer bis mittlere Hitze auf 150 ml reduzieren. Abseihen und etwas überkühlen lassen. Jus durch Einrühren des Leinöls mit einem Saucenbesen vor dem Anrichten montieren.

Anrichten: Die Quittenscheiben
mit Chicoréeblättern und Saiblingscheiben zu einer Rose drehen und mit Quitten-Leinöl-Jus servieren.

Adresse 
Mühltalhof
Unternberg 6, 4120 Unternberg
Tel.: 07282/62 58, mühltalhof.at