Recovered & Reloaded

New York City nach der Pandemie. Vieles ist nicht mehr so, wie es war. Zuverlässige Klassiker gibt es zum Teil nicht mehr oder mit deutlich anderem Konzept. Für die neuen NYC-Gastrotrends sorgen aktuell zwei Österreicher und viele Koreaner.

Foto von Thomas Schauer
Text von Hans Mahr

Zwei Jahre Pandemie haben sogar New York zugesetzt, der Stadt, die angeblich niemals schläft. Ein Kurz­besuch in der 15-Millionen-Metropole zeigt das deutlich. Noch immer sind viele Geschäfte geschlossen, auch in Manhattan. Die Restaurantdichte hat sich deutlich gelichtet, zu Mittag gibt’s außer Fast Food fast nirgendwo mehr etwas Ordentliches zu essen. Aber schön langsam regt es sich wieder zwischen Hudson und East River. Die Touristen kommen zurück, da und dort gibt es Neueröffnungen von Boutiquen und Galerien, ein Hauch von Frühling im Herbst ist zu spüren. Auch die Gastroszene wird von einem zarten Aufwind erfasst –und maßgeblich daran beteiligt sind ausgerechnet zwei Österreicher, man glaubt es kaum.

Der Hype ums Koloman
Der eine, Koch und Restaurantchef Markus Glocker, kommt aus Gallneukirchen bei Linz, hat im Wiener Steirereck angefangen (Heinz Reitbauer: „Der Markus war damals schon großartig!“), wechselte dann zu Gordon Ramsay nach London, weiter zu Charlie Trotter nach Chicago und wurde schon einmal in New York im frankophilen Bâtard mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Und jetzt hat Markus Glocker mit dem ­Koloman die „spannendste Neueröffnung des Jahres“ in New York hingelegt, wie ihm die ganz und gar nicht unkritischen amerikanischen Food-Medien bescheinigen.

Der andere ist auch kein unbeschriebenes Blatt. Im Gegenteil, der Grazer Albert Trummer ist als exzentrischer Bar-Besitzer bekannt, der in seiner legendären New Yorker Apotheke Cocktails mit meterhoher Stichflamme gemixt hatte, was der Feuerwehr nicht wirklich gefallen hat. Die Idee, eine Bar als Apotheke einzurichten, samt Apo­thekerschürzen, Reagenzgläsern und Tinkturen, fand allerdings Anklang in aller Welt, „Apotheken“-Bars schossen von London bis Mexiko aus dem Boden. Und jetzt mischt Trummer mit seiner neuen Bar Dom die Szene in New York neu auf.

Beide Freunde werken nur sechs Straßen voneinander entfernt in Manhattan. Das Dom in der 22. und Koloman in der 28. in Midtown. „Mit 50 bis 60 Namen haben wir herumgeschmissen, dann ist es Koloman geworden“, erzählt Markus Glocker. Koloman – nach dem Wiener Jahrhundertwende-Secessionisten Koloman Moser, einem Mitbegründer der Wiener Werkstätten. „So wie bei meinem Kochstil wollte ich das traditionell Österreichische auch in meinen Lokalstil integrieren!“

So sitzt man hier im modern adaptierten Jugendstil-Ambiente und kann sich an einer französisch-österreichischen Küche erfreuen, die selbst im verwöhnten New York Aufsehen erregt. Auf der einen Seite eine Tafelspitz-Terrine, „aber mit vier verschiedenen Fleischsorten mit Consommé gebunden“, auf der anderen eine klassische Gänseleber-Paté, „aber mit Süßweingelee vom Kracher“. Und auch bei den Hauptspeisen funktioniert die Partnerschaft. Dem 120 Tage alten „Brune Landaise“, einem Landhendl mit Nockerln und Champagnerkraut, steht das „Schnitzel Viennoise“ gegenüber, dem echten Wiener mit Erdäpfel-Gurken-Salat. „Und ehrlich, der Renner ist das Schnitzel, das wird am meisten bestellt!“, räumt der Oberösterreicher ein.

Auch sonst zeigt sich viel Heimatliches im New Yorker Koloman. Die Patisserie serviert Apfelstrudel, Palatschinken und Salzburger Nockerln, und Sommelière Katja Scharnagl aus der Wachau (vorher bei Albert Sohm im Bernardin) präsentiert die besten Flaschen aus, na klar, der Wachau, Frankreich und natürlich den USA. Dem Publikum gefällt es – das Lokal ist auf Wochen im Voraus mit 150 Gästen pro Abend ausgebucht.

Albert Trummers Dom
Nach getaner Arbeit begeben sich die Gastro-Österreicher zu Freund Albert Trummer in die Bar Dom, wie gesagt, nur zehn Minuten entfernt. Bar-King Trummer hatte die Pandemie-Zeit dazu benutzt, in der steirischen Heimat wieder Kraft zu schöpfen und mit dem ehemaligen Wiener Schnapsmuseum-Chef Friedrich Fischer ein paar neue Brände wie den Nuss-Holunder zu entwickeln, bevor er nach Amerika zurückkehrte und in Manhattan seine neue In-Bar samt Design-Lounge (von Italo-Großmeister Cappellini) beim Gramercy Park aufmachte.

Und das Geschäft floriert: „Wir wollen die Leute ansprechen, die vor dem Essen einen ordentlichen Drink nehmen wollen – und auch die, die nachher Tag und Nacht ausklingen lassen wollen!“, erzählt Albert Trummer. Flammenshows wie einst in der Apotheke gibt es mit Rücksicht auf das strenge New York Fire Departement nicht mehr (Albert ist ja jetzt schon seriöse 52 geworden), dafür spätabends das Köpfen von Magnum-Champagnerflaschen mit japanischem Schwert und Dance Music von einer Liveband für die Nachtschwärmer im Cocktail Club.

Gleich geblieben ist aber die Lust an den eigenen Cocktail-Kreationen: „Stress Relievers“, „Painkillers“ oder „Euphoric Enhancers“ heißen die ­Kategorien, und natürlich gibt es auch den Nuss-Holunder-Schnaps aus Wien. Wie er das Bar-Leben nach 30 Jahren durchhalten kann, beantwortet Albert mit dem Hinweis auf seinen Sohn Jakob, 28: „Der steht mir jetzt am Tresen bei – ich mach das Geschäft bis Mitternacht und dann übernimmt Jakob für die jüngere Klientel. Da geht es oft bis vier oder fünf Uhr früh, da lieg ich schon zu Hause im Bett …“, lacht er und mixt sich seinen Lieblingsdrink, den Classic Champagne Cocktail – Champagner mit Walnussextrakt und Orangenschale.

Korea-Cuisine ist „hot“
Und was ist sonst noch „hot“ in New York? Beide, Glocker und Trummer, zögern keinen Moment: koreanisches Essen. Die Restaurants boomen, und ohne koreanisches Barbecue geht im Moment gar nichts. Nach dem Koreakrieg in den Fünfzigerjahren sind sie hergekommen; in Midtown Manhattan gleich in der Nähe vom Empire State Building haben sie sich ange­siedelt – Koreatown oder einfach K-Town nennen die New Yorker ­dieses Viertel. Und beide Österreicher haben derzeit ein Lieblingslokal: das Cote mit dem wohl nobelsten Barbecue von Manhattan. Dort sitzt man in Logen rund um eine Feuerstelle und lässt grillen, was das Herz begehrt, natürlich mit allen koreanischen Beigaben. Am besten das „Butchers Feast“ bestellen, um 68 Dollar – vier verschiedene Steaks vom Ribeye bis zu den Shortribs, Bam Chan (kleine Gemüseteller), zwei Arten von Salat, Kimchi (scharf eingelegter Kohl) und natürlich Reis, natur und mit aufgeschlagenem Ei. Das ist wirklich ein Fest, wie es die Karte verspricht: Die Servicekräfte, meist bezaubernde koreanische Damen, ­legen alles auf den Grill, passen auf, dass es grade richtig von der Holzkohle gebraten wird, und befördern alles mit langen Stäbchen auf den Teller. Das laute Geschnatter der Barbecue-Gäste macht zwar die Unterhaltung am Feuertisch etwas schwierig, aber das Management hat Besserung durch eine schallschluckende Decke versprochen.

Noch ein bisschen vornehmer und auch deutlich teurer geht’s im Hyun gleich um die Ecke zu. Dort wird nur das beste marmorierte Wagyu-Beef aufgetischt, und das hat eben seinen Preis. Der Vorteil: Man bekommt eher einen Tisch als im Cote, das auf Wochen hinaus ausgebucht ist. Wer etwas mehr aufs Portemonnaie schaut, der geht ins Jongro BBQ, einem NY-Ableger der berühmten südkoreanischen Kette; laut, gut und von den Gästen her „echt koreanisch“ – aber man muss halt eine halbe Stunde warten, bis ein Tisch frei wird.

Genug vom Barbecue, die koreanische Küche hat weit mehr zu bieten als gegrilltes Fleisch. Sie beruht auf fünf Farben und fünf Geschmacksrichtungen: sauer, bitter, scharf, salzig und süß. Zwei Restaurants – beide nicht in Koreatown, sondern weiter südlich im Flatiron District – liefern die beste Einführung in diese fernöstliche Küche. „Unbedingt ins Oiji Mi gehen, die kochen großartig!“, rät Chef Glocker. Eleganter Speiseraum, alles in rosa Samt und rotem Leder und ein spannendes Menü: Beef Tatar mit Forellenkaviar, Schweinebauch mit Austern und einer Senfsauce, Chili-Lobster-Nudeln mit Gurke und Knoblauch, Ente mit Kohl, Pilzen und Dattel-Jus, Schokoladenmousse mit Passionfruchtsorbet. Ähnliche Geschmacksexplosionen in viel einfacherem Rahmen gibt’s vier Häuserblocks weiter im Jua. Auch hier „wilde Mischung“, aber ein reines Gourmet-Vergnügen. Seeigel auf Sushi, Reis-Porridge mit Foie gras und Aal, arktischer Saibling und Entenbrust mit Kimchi und Gemüse. Und zum Schluss, man glaubt es kaum, ein koreanischer Krapfen mit Mangofüllung – unbedingt wie zu Hause mit den Fingern essen.

Natürlich sollte man auch die Michelin-gepriesenen Koreaner nicht vergessen. Das Jungsik war schon vor zehn Jahren der erste Gourmet-Hotspot, und das Atomix des Ehepaares Park trägt mit „Ato“ das koreanische Wort für Geschenk im Namen. Allerdings haben die zwei Michelin-Sterne ihren Preis: 295 bzw. 375 Dollar fürs Menü, da muss man nicht nur bei den elf Gängen, sondern auch bei der Bezahlung kräftig schlucken. Und ehrlich, doppelt so gut wie Oiji Mi und Jua sind sie auch nicht wieder.

Vongerichtens ultimativer Food Market
Und einen weiteren Trend gibt’s aus New York zu vermelden: Immer mehr „Food Markets“ sperren auf, dreißig sollen es jetzt schon sein – vom berühmten Chelsea Market und dem Vanderbilt Market bei der Grand Central Station bis zum ­Union Square Green Market fürs Gemüse. Aber der berühmte französische Chef Jean-Georges Vongerichten, der allein in New York sechs Restaurants betreibt, hat dem Ganzen jetzt die Krone aufgesetzt. Gemeinsam mit hochkarätigen Investoren hat er für 200 Millionen Dollar den historischen Fulton Fish Market am Downtown Seaport in ein Markt-Paradies umgebaut.

Tin Building heißt es jetzt – sechs Restaurants (natürlich Fisch, Steak, chinesisch, japanisch, mexikanisch, vegetarisch), vier Bars (jeweils für Wein, Bier, Champagner, Cocktails) und zwei Dutzend Lebensmittelgeschäfte (von frischem Fisch bis zum Fleisch- und Gemüseladen) haben darin Platz gefunden. 700 Leute arbeiten dort und Tausende Gäste werden pro Tag erwartet. Chef Vongerichten: „Als ich vor fast 50 Jahren in New York eingetroffen bin, ist der Fischmarkt das Erste gewesen, das ich besucht habe, dann ist er umgezogen, die Halle verfallen und heute haben wir daraus etwas Großartiges für alle Gourmets und alle, die einfach nur gut essen wollen, geschaffen“, sagt er und ist sich sicher: „Da ist etwas für jeden Geschmack dabei!“ Einfach hingehen und ausprobieren.

Schön langsam kommt New York nach dem langen Lockdown wieder auf Touren. Ein Kurztrip in den Big Apple zahlt sich wieder aus – vielleicht gerade jetzt, ­bevor der gewohnte Touristenansturm wieder einsetzt. Und bitte nicht vergessen, bei den beiden Austro-Helden in New York vorbeizuschauen: zum Dinner im Koloman und vor- oder nachher zu einem Cocktail in der Dom-Bar. Die Herren Glocker und Trummer freuen sich über Besuch aus der Heimat. —

Adressen

Koloman
kolomanrestaurant.com

Dom
domnewyork.com

Cote
cotenyc.com

Hyun
hyunnyc.com

Jongro BBQ
jongrobbqny.com

Oiji Mi
oijimi.com

Jua
juanyc.com

Jungsik
jungsik.com

Atomix
atomixnyc.com

Tin Building
tinbuilding.com

Albert Trummer mischt mit seiner Bar Dom die Szene auf.
Markus Glocker legt mit seinem Restaurant Koloman die Neueröffnung des Jahres hin.
© Nick Johnson
© Courtesy of Koloman
Heißer Tipp: das Restaurant Oiji Mi, wo Brian Kim zeigt, was koreanische Küche draufhat
© Christian Harder
© Christian Harder
Chef Hoyoung Kim im Jua
© Jua
Geschmacks­explosionen à la Seeigel-Sushi
© Jua
Das Atomix der Familie Park – Michelin-besternter, eingesessener koreanischer Gourmetspot
© Diane Kang
Mit dem Tin Market hat Chef Jean-Georges (unten) Vongerichten das ultimative Markt-Paradies geschaffen.
Download von www.picturedesk.com am 22.11.2022 (11:09). ACT — Jean Georges – Tin Building by Jean-Georges Grand Opening, Manhattan, United States, 28.09.2022. – 20220928_PD15669 – Rechteinfo: Rights Managed (RM)