Reise ins innere Selbst

Nicht unspannend, was sich auf den Tellern zwischen Hallstatt und Grundlsee tut. Das darf aber nicht den Blick auf die alte Kultur dieser ­geschichtsträchtigen Region verstellen. Um sie zu verstehen, lohnt es sich, einmal nicht auf einen Berg, sondern in den Berg hineinzugehen.

Foto von Michael Reidinger
Text von Alexander Rabl

Ein besonders krasser Fall von Cultural ­Appropriation lässt sich in Altaussee Ende der Sommersaison beobachten. Wiener und andere Städter stecken sich in Dirndl und ­Lederhosen, um sie am sogenannten Kirtag auszuführen. Die Prozession der Trachten, welche Einheimische nur an hohen Feiertagen oder Hochzeiten tragen, dauert drei Tage, Bier und Euro fließen in Strömen. Danach wird für das Dorf und den See die zweifellos schönste Jahreszeit eingeläutet. Das ist der Spätsommer, der majestätisch in den farbenprächtigen Herbst hinübergleitet wie die Plätten auf den Seen des inneren Salzkammerguts, dem Altausseer See, dem Grundlsee und dem Hallstätter See. Sie werden von nicht wenigen Menschen als schönste Orte der Welt bezeichnet.

Und Altaussee rühmt sich damit, der Mittelpunkt Österreichs zu sein. Man gönnt den Ausseern gerne diese Position. Und lobt an dieser Stelle den Altausseer See mit der kulinarisch interessantesten Flaniermeile, die der Gast je nach Schritttempo zur Laufstrecke oder zum Wanderpfand umfunktionieren kann. Die Tracht des Wanderers ist die Funktionskleidung. Je nachdem, in welche Richtung man sich in Marsch setzt, rücken Stationen der kultivierten Stärkung ins Bild, keine, deren Besuch sich nicht lohnen würde, alle höchst unterschiedlich in Setting und Angebot. Franz Pichler beispielsweise führt seit zwanzig Jahren die unscheinbare Jausenstation Kahlseneck am Seeufer, die längst über den Status des Geheimtipps hinaus ist. Hier gibt es in der Fangzeit Altausseer Seesaiblinge, eine begehrte Rarität. Die Wildfang-Saiblinge im inneren und ­äußeren Salzkammergut unterscheiden sich nicht nur in der Größe, sondern auch, was ihre Schonzeiten betrifft. Winzig klein sind die Attersee-Saiblinge (A la Carte berichtete in seiner letzten Ausgabe), für zwei Personen reicht der Altausseer Saibling. Er ist kein Essen für Tante-Jolesch-Anhänger. Die literarische Schöpfung des Wahl-Altausseers Friedrich Torberg war für ihre kleinen Portionen berüchtigt, quasi eine Vorreiterin der Nouvelle Cuisine.

Wird die Wanderung fortgesetzt, gelangt man nach etwa 20 Minuten zur Seewiese und zum dortigen Jagdhaus, das sich im Besitz der Familien Schillingsfürst (was für ein viel verheißender Name) und Hohenlohe befindet. Pauli, der Wirt, ist berühmt für seine Strudel mit Topfen, Marillen, Heidelbeeren und Himbeeren. Es gibt auch Essigwurst und sonntags warm geräucherte Seesaiblinge. Die, die sich den feinen Fisch gönnen, erkennt man an der Garderobe und an der Flasche Wein, die im silbernen Eiskübel gekühlt wird. Neben dem Jagdhaus hat Dietrich Mateschitz vor Jahren ein verfallenes Gasthaus wieder aufgebaut, im rustikalen Red-Bull-Look, mit braver Gas­t­ronomie, nur dass der Service manchmal schwächelt. Von dort ist es dann eine Stunde Gehzeit, bis es wieder etwas zu essen gibt, die viele Spaziergeher noch mit ein paar Schwimmeinheiten im kühlen See verlängern. Wenn sie beim Strandcafé einlangen, haben sie sich ausreichend Appetit anspaziert. Peter Beuchel führt das alte Haus mitten im Naturschutz­gebiet mit Verve, Charme und Stil. Er weiß, wie man Gäste zu Stammgästen macht. Eine bessere Weinkarte gibt es in der ganzen Region nicht. Die Winzer Ott, Jamek, Veyder-Malberg und Moosbrugger geben sich hier die Türklinke in die Hand, wenn sie im Sommer auf einen Kundenbesuch vorbeischauen und auf der Seeterrasse oder der bildschönen Holzveranda die Welt und das Leben genießen.

Der knusprige Schweinsbraten kommt vom Höllerschmid-Schwein. Huchen, Saibling sowie Lachsforelle, jeweils perfekt zubereitet, von einem befreundeten Fischer, die Eierschwammerln kommen aus dem Wald. Sie werden mit Rahm­sauce serviert, dazu fest-flaumige Semmelknödel. Saibling-Ceviche mit Gurken und Saiblingskaviar ist eine verlässliche Empfehlung an warmen Tagen, die auch in der Sommerfrische immer ­zahlreicher werden. Nicht zu verpassen sind die unvergleichlich zarte Schokoladentorte und der saftige Marillenkuchen, Beispiele ländlich-eleganter Mehlspeisküche, um die die Welt Österreich zu Recht beneidet. Angenehm gesättigt, macht sich der Spaziergänger auf zu den letzten Gehminuten in den Ort. Sich bei Robert Hocker, einem altein­gesessenen Qualitätskoch aus dem Ausseer Land, in seinem winzigen Refugium gleich neben dem Hotel am See der Familie Frischmuth mit Altausseer Seesaibling auf Risotto oder Lammstelze zu verwöhnen, muss auf einen anderen Tag verschoben werden. Wer sich früh am Morgen zur See­runde aufmacht, wird aber dafür mit dem Blick auf die Fischerboote belohnt, die kurz nach Tages­anbruch auf dem See nach dem Fang sehen. Vielleicht befindet sich auf einer der schönen Plätten der Fischer Rudolf Kalß.

Er ist einer von zwölf Fischern und Vizeobmann des ­Altausseer Fischereivereins. Sie sind zuständig für den Nachschub an Seesaiblingen. Die Saison des Altausseer Seesaiblings beginnt am 15. Mai und endet am 15. August, im Herbst geht sie von Mitte Oktober bis Mitte November. Pro Tag fangen Kalß und seine Kollegen etwa 20 bis 50 Saiblinge. Neben dem Altausseer Seesaibling mit seinem vom tierischen Plankton stammenden rosafarbenen Fleisch gehen auch hie und da Eiteln und Forellen ins Netz, sie spielen keine große Rolle. Fünf Wirte werden von den Altausseer Fischern beliefert. In manchem berühmten, eingesessenen Wirtshaus in der Dorfmitte werden auch solche Fische als vom See gefischt bezeichnet und verkauft, die gar nicht von dort kommen. Kalß’ Kommentar: „Das ist natürlich unlauter.“ Der Altausseer Seesaibling ist eine Sache von höchster Individualität, auch wenn der Fisch meistens konservativ zubereitet wird, mit Butter und Erdäpfeln. Ob der Fisch schmeckt oder nicht, ob er etwa zu trocken gerät, hänge vom Fisch ab und nicht nur vom Koch, so der Fischer. Jeder See unterscheide sich beim Plankton, manchmal eher pflanzlich, manche eher tierisch. Je wärmer es wird, desto schwieriger wird es. „Früher waren 20 °C das Höchste der Gefühle bei den Wassertemperaturen, jetzt sind es bereits 24 °C.“ Der Autor bestätigt: Badewannentemperatur schon im Juni.

Die Netze stehen in der Nacht im See, in der Früh fährt man um sechs Uhr auf den See. Natürlich muss Rudolf Kalß auch über die berühmte Altausseer Lechpartie befragt werden, eine Institution des Feuers, der Gesänge und des Alkohols: In der Hütte wurden die Netze getrocknet, oft kamen vom Dorf Leute hinaus, brachten eine kleine Jause mit. Es wurde eine Institution. „Heute machen wir das eigentlich nicht mehr“, sagt Kalß. „Wir Fischer werden immer weniger, es ist eigentlich eine ­Sache von Pensionisten“, sagt Kalß, der früher bei der Gemeinde arbeitete. Ein Unterschied muss sein: „Die Altausseer Saiblinge sind sieben Jahre alt, das macht den Unterschied zum Aquakultur-Saibling aus“, sagt Kalß. Nicht der einzige Unterschied, muss sagen, wer beides – Aquakultur und Wildfang-Seesaibling – probiert hat. Keine gute Nachricht gibt’s zum Ende des Gesprächs mit dem Altausseer Saiblingsfischer: „Der Saibling ist ein Kaltwasserfisch. Wie lange es den hier noch geben wird, man weiß es nicht.“

Fast so mächtig wie die Altausseer Trisselwand, aber als Bestandteil des Landschaftsbildes etwas mehr umstritten ist das Hotel Vivamayr, hinter dem die finanzielle Kraft des Industriellen und Altaussee-Habitués Hannes Androsch steht. Es ist etwas groß geraten, wie die Bäuche der Kurgäste vor dem Start ihrer Mayr-Treatments. Zu Vivamayr gehört auch das kleine Restaurant Mayrei im Ortszentrum, schlicht elegantes Interieur, viel Holz und eine kleine Terrasse. Die betont leichte Küchenlinie des Vivamayr findet hier ihre, auch einer breiten Öffentlichkeit zugängliche, Fortsetzung. Mit Kingfish, der seiner Popularisierung durch Christian Bau die Karriere bis ins letzte Alpental verdankt, Seidentofu, Tom-Yam und schließlich mit Wagyu vom Holzkohlengrill setzt das Mayrei-Team einen Kontrapunkt zum lokalen Angebot. Gar nicht schlecht.

Um in Altaussees zurzeit am besten beleumundetes Restaurant zu gelangen, muss man den Ort verlassen und in einem hässlichen Chaletdorf am Fuße des Losers parken. Wobei festgehalten werden muss: Die urige Geigeralm stand viel früher da als die ­Ideen eines ambitionierten Immobilienentwicklers, deren Verwirklichung man mit Verwunderung zur Kenntnis nimmt. Hier richtet sich der Blick des ­Gastes nach innen (eine Terrasse mit Loserblick gibt es auch) in die gemütliche Holzstube, wo gleich das erste Glas First-Class-Champagner serviert wird. Das Weinangebot liest sich wie ein Lehrgang für Sommeliers, die Auswahl ist klassisch und hat Tiefgang. Dafür verantwortlich: Eva Utassy, sie arbeitete vier Jahre lang im Tantris an der Seite von Chefsommelière-Legende Paula Bosch – If you can make it there, you can make it everywhere. Ihr Mann, Dominik Utassy, ist in Altaussee nicht nur familiär bestens vernetzt, was ihn aber vor vielen Jahren nicht davon abgehalten hat wegzugehen, um die Kunst der wirklich großen Küche zu lernen, unter anderen beim Österreicher Alfred Friedrich. Der Küchenchef und Patron, der aussieht wie ein Double von Adrian Brody (Der Pianist), wartet mit mehreren, in der Fülle ein wenig unkonzentriert wirkenden Happen und einem als Amuse-Bouche gereichten gebratenen Taubenhaxerl mit Fenchel-Orangen-Salat auf. So könnte es auch in einem feinen Landgasthaus in ­Südwestfrankreich schmecken. Die als Vorspeise gereichte, etwas weich geratene lauwarme Hallstätter-See-Reinanke mit Gurken in verschiedenen Texturen macht den Gast etwas ratlos. Der Lammrücken, aus der Zucht von Onkel Utassys vom Grundlsee, ist dafür hervorragend, mit dem gebührenden kleinen knusprigen Fettrand. Unter den schön abgestimmten Beilagen ist eine mit Lamminnereien gefüllte Zucchiniblüte, die das Prädikat „Weltklasse“ verdient. Wer so kocht, macht natürlich auch keinen Bogen um die Zubereitung eines Topfensoufflés – Essbefehl! So etwas bekommt man heute nur mehr selten.

Warum ist eine Region nach einem Gewürz benannt? Im Salzbergwerk von Altaussee stehend, ausgerüstet mit Taschenlampe und Schutzhelm, bekommt der Bergwerksbesucher die Antwort. „Den Wohlstand verdankten Hallstatt, Gmunden und Salzburg dem Salz“, erzählt Claudia Apfelböck-Hagen von den Salinen Austria. Gemeinsam mit dem Bergmann und Sicherheitsverantwortlichen des Salzbergwerks, Mario, sind wir eine Fahrt angetreten, die sonst nur vier Mal im Jahr stattfindet, also nicht das Tourismusprogramm. Auf dem Weg zum Abbau des wertvollen Natursalzes ist Klaustrophobie das Letzte, was der Besucher haben sollte, ein Schutzhelm und eine warme Weste sind dafür sehr nützlich. Erst geht es mal auf Matchbox-artigen Geleisen durch enge Stollen hinein ins Innere des Berges. Der Lärm während der etwa zwanzig Minuten dauernden Fahrt ist wie in der Röhre eines MRT-Labors; falls Sie das kennen. Hämmernder Extrem-Techno. Wir benutzen Ohrstöpsel. Wenn man die kleine Taschenlampe ausschaltet, kriegt man eine Ahnung davon, was totale Finsternis bedeutet, wenn es so schwarz ist, dass man den Einschaltknopf der Taschenlampe ertasten muss. Im Inneren des Berges stehen Zeit und Raum still, der mit Schutzhelm und robuster Jacke ausgestattete Besucher ist angekommen, wo er vielleicht nie hinwollte: bei sich selbst. Und bei einer Temperatur von gleichbleibenden 6 °C.

Die Auffaltung der Alpen vor etwa 200 Millionen Jahren verlief hier so, wie wenn ein Mehlspeiskoch einen Marmorkuchen zubereitet. Die Salze des Urmeeres mischten sich mit dem Gestein. Schicht für Schicht durchziehen sie den Berg, bloß kann man den nicht einfach durchschneiden wie einen Kuchen, um zu sehen, wo welche Schicht liegt. Die Sache gestaltet sich etwas aufwendiger. „Früher benötigten die Bergarbeiter einen Tag, um einen Zentimeter tiefer in den Berg einzudringen, sie hatten nur ihre Kraft und einfache Werkzeuge“, erzählt Mario. Mit der heutigen maschinellen Verstärkung schaffe man am Tag schon mehrere Meter. In einem Raum, der an eine Halle erinnert, steht ein Bagger. Seine Einzelteile wurden einst durch die engen Stollen hierhergeschafft, sodann wurde der Bagger vor Ort zusammengebaut. Dann half der den Bergleuten beim Abbau von Gestein und dem wertvollen Natursalz, der Gourmet-Abteilung der Salinen. Dieses Natursalz aus dem Altausseer Salzbergwerk ist Millionen von Jahre alt und definitiv sauberer als jedes Meersalz. Das Natursalz verleiht einem Fünf-Minuten-Ei einen Hauch von Ewigkeit.

Die Geschichte des Salzbaus im Salzkammergut ist nicht ganz so alt wie die Alpen, aber 8.000 Jahre sind auch ganz ordentlich. So alt ist die Hallstattkultur, älter als die Pyramiden von Gizeh, aber nicht so alt wie die Venus von Willendorf. Hallstatt und seine Geschichte zieht gefühlte Millionen von Chinesen in das pittoreske Dorf am Ufer des gleichnamigen Sees, die nachsehen wollen, ob das Original der chinesischen Kopie auch standhält. Kulinarisch ist hier nichts zu holen, das wird dem Hallstatt-Besucher beim ­Anblick des gewaltigen Busparkplatzes sofort klar. Hallstatt war am besten in der Corona-Zeit, auch wenn das die wenigen vor Ort befindlichen Hotelbesitzer zweifellos anders sehen. Der See selbst muss den Vergleich mit den schönsten Fjorden Norwegens nicht scheuen. Seine Kälte ist eine Herausforderung für jeden Badegast, für die im See lebenden Reinanken hingegen eine Freude. Gepflegte Stärkung erwartet den hungrigen Gast am Seeufer in Steeg bei den Brüdern Fritz und Tamino Grampelhuber. Die Brüder lernten einst das Handwerk bei den berühmtesten Brüdern unter den Köchen, den Obauers in Werfen. Zum Grundlsee-Saibling aus der Kainischen Zucht gibt es Pesto, was Traditionalisten den Schweiß auf die Stirn treiben möge, aber hervorragend schmeckt. Das Kalbszüngerl-­Eierschwammerl-Ragout mit einem guten Schuss Essig und gelbem Grießknödel ist große Klasse. Zu den hausgemachten Käsekrainern gibt es Senf von Rainer Baumgartner aus der Nachbarschaft. Sein Geschäft und seine Produktion sind ein MUST für Mustardfreunde, das Wortspiel hat Baumgartner sicher schon oft gehört.

„Der beste Geschmack beginnt immer mit den besten Zutaten.“ – Mit diesem Zitat werden Besucher und Kunden der Senfmanufaktur begrüßt. Es stammt von Jean-André Charial, Mastermind der berühmten Oustau de Baumanière in Südfrankreich, ein Name, der in Österreich nur den Nerds geläufig ist. Baumgartner ist hemmungslos frankophil, in den blitzsauberen Produktionsräumen hängen Fotos von Ausflügen zu den guten Restaurants Frankreichs. Und natürlich hat er sich die Senftradition der Franzosen zum Vorbild genommen. „Wenn du in Frankreich ins Restaurant gehst, stehen drei Dinge auf dem Tisch: Salz, Pfeffer und Senf.“ Baumgartners kleine Senfmanufaktur kann mit dem, was die heimische Senfindustrie auf den Markt bringt, naturgemäß nicht verglichen werden. Es duftet nach Gewürzen, vornehmlich Essig und Senfkörnern. Der Sound der nach alter Methode arbeitenden und aus dem 18. Jahrhundert aufwendig nachgebauten Senfmühle hat etwas sanft Beruhigendes. Dass Senf eigentlich etwas mit der Lehre der Hildegard von Bingen zu tun hat und neben seinem Geschmack auch Wirkungen aufs Wohlbefinden hat, sofern man ihn nicht durch groben Umgang dieser Wirkstoffe beraubt, erfährt man bei einem Rundgang durch die Senfmanufaktur, die den einprägsamen Namen Annamax trägt. Mit Senf ist es wie mit der Milch: Zu viel Hitze, und futsch sind Aromen, ätherische Öle und Wirkstoffe. Die Senfe von Annamax sind köstlich, sie sind auch für das erbärmlichste Grillwürstel ein Ritterschlag. Die mit Rapsöl zubereitete Dillsenfsauce passt besonders gut zu mit Dill gebeiztem Saibling. Was uns zurück zum Thema Fisch und nach Kainisch in die Nähe von Bad Mitterndorf bringt, wo die Fischerei Ausseerland ihre kleine, feine Zucht betreibt. Sie nennen ihr Produkt „Wildkultur“, was nicht gerade zum Verständnis beiträgt. In der kalten ­Jahreszeit fahren die Fischer auf den Grundlsee und entnehmen den dort ­lebenden Saiblingsweibchen ihren Kaviar. Die Weibchen wandern dann ­zurück in den See. Der Kaviar kommt nicht auf den Toast, sondern dient der Zucht. Die aus den wilden Saiblingen stammenden Nachkommen wachsen unter – möglichst – naturnahen Bedingungen in kaltem Wasser für eine Zeit von mehr als zwei Jahren auf, bis sie dann die gewollte Größe erreicht haben. Diese Fische gibt es an einigen guten Adressen in der Umgebung, die Fischerei Ausseerland lässt sich die Ware gut bezahlen. In der Saison, Juli und August, dürfen sich dann die Fans des Grundlsee-Saiblings freuen: echter Wildfang, weißfleischige Pracht­exemplare, die für zwei Personen reichen. Die Fischerei Ausseerland fischt auch im Hallstätter See, von dort kommen fantastische Reinanken. Diese lassen sich im Gegensatz zu Saiblingen und Forellen nicht züchten.

Bleiben wir aber am Grundlsee. Wer bis an sein Ende fährt und vom beschaulichen Gößl zum Toplitzsee spaziert, kommt in der Fischerhütte in den Genuss frisch geräucherter Saiblinge und Forellen. Das Räuchern von Fischen ist kulinarisches Brauchtum im inneren Salzkammergut. Am Grundlsee trifft man auch Max Brandauer, Sohn des Senfmachers am Hallstätter See, der seine Manufaktur nach seinen Kindern Anna und Max benannt hat. Max nennt einen wunderschönen Räucherofen sein Eigen. Er hat ihn selbst gebaut, ein befreundeter Kunstschlosser half ihm dabei. Max ist ein talentierter Handwerker mit abgeschlossener Ausbildung zum Zimmermann. Er hat in den Händen, was die Literaten, die gerne im Salzkammergut schrieben, im Kopf hatten. Im Holzofen räuchert er Saiblinge, die er von einem befreundeten Fischzüchter bekommt, und man kann ihm dabei zusehen. Die Sur setzt Brandauer mit der Sole aus Hallstätter Salz an. Geräucherter Fisch besitzt den Vorteil, dass man mit ihm nicht viel anstellen muss. Gutes Brot, guter Wein. Wer will, nimmt dazu noch Oberskren. Wenn der Altausseer See das Eldorado der Flaneure und prominenten Sommerfrischler ist, ist der Grundlsee die Agglomeration von kleinbäuerlichen Betrieben.

„Ich bekomme Rindfleisch von zwanzig kleinen Bauern rund um den See“, sagt Wassermann-­Küchenchef Stefan Haas. Das Restaurant Wassermann mit Grundlsee-Blick ist eines der besten des Ausseer Landes. Haas’ Küche speist sich nicht nur beim Rindfleisch nahezu ausschließlich aus dem Angebot regionaler Lieferanten. Nur das Kupfergeschirr besorgt er sich in Paris, bei Dehillerin im ersten Arrondissement. Haas ist sich nicht zu gut, internationale Küchentrends an den Grundlsee zu holen, aber gekupfert wird da gar nichts, und wenn er mal ein Amuse-Bouche in einer Austernschale serviert und es „Perlen des Ausseer Lands“ nennt (gemeint sind Saibling und Rind), ist das ebenso Ausdruck von Heimatliebe wie das auf zwei Arten zubereitete Lamm (gebraten, confiert) mit Senfsaatsauce und Kräutern. Jakob Wassermann war übrigens ein deutscher Schriftsteller, der sich in einer prächtigen, jetzt blütenweiß herausgeputzten Villa am Ufer des Altausseer Sees niederließ. Er starb dort 1934. Auch wenn so mancher Gast des inneren Salzkammerguts lieber in Speisekarten liest als in einem Buch – es ist unmöglich, der Kulturgeschichte der Landschaft zu entfliehen. Selbst dann nicht, wenn man sich zu diesem Zweck ins Innere eines Salzbergwerks begibt. —

Restaurants

Geigeralm
Mit winziger Mannschaft zaubert Dominik Utassy Teller von internationalem Anspruch, seine Frau Eva bringt Äquivalentes ins Glas.
Lichterberg 85, 8992 Altaussee, T 0660/939 00 28, geigeralm.at

Strandcafé
Casual-ländliche Küche in einem der schönsten Lokale der Region. Am Wochenende ist das Strandcafé deshalb oftmals für Hochzeiten und Ähnliches gebucht, weshalb ein spontaner Besuch mit gewissem Risiko behaftet ist. Kontakt und Adresse siehe Wohnen.

Mayrei
Kosmopolitisch inspirierte Küche im Zentrum von Altaussee.
Fischerndorf 80, 8992 Altaussee, T 03622/204 78, mayrei.at

Refugium am See
Ein winziges Lokal in einer kleinen Hütte am Seeufer. Hier hat sich Robert Hocker, ehemals Die Post am Grundlsee, aufs Altenteil zurückgezogen. Er ist immer noch einer der besten Küchenchefs der Region. Suppen, Sugos und anderes auch zum Mitnehmen.
Fischerndorf, 8992 Altaussee, T 0664/260 62 72, refugium-altaussee.at

Wassermann
Hier werden die Möglichkeiten lokaler Küche auf hohem Niveau ausgelotet. Das Zweitlokal des Hauses bietet zum Essen atemberaubenden See- und Landschaftsblick.
Archkogl 31, 8993 Grundlsee, T 03622/847 70, grundlsee.mondihotels.com

Steegwirt
Zwei Brüder, eine der besten Küchen der Region.
Au 12, 4822 Bad Goisern am Hallstätter See, T 06135/83 02, steegwirt.at

Koppenrast
Abseits des Trubels, eine Oase mitten im Wald. Familientaugliche Gasthausküche von Lachsforellen-Ceviche bis Eisbecher.
4831 Obertraun 123, T 06131/231, koppenrast.at

Jausenstationen & Berghütten

Jagdhaus Seewiese
Als einer der Drehorte für Spectre in der James-Bond-Community zu Berühmtheit gelangt, in der Jausen-Räuchersaibling-Strudel-Community war das urig-elegante Jagdhaus schon vor dem Film kein unbekanntes Lokal.
8992 Altaussee 136, T 0664/338 76 22

Kahlseneck
Franz Pichlers Jausenstation ist Kult. Saiblinge aus dem Altausseer See zur Saison, geräucherter Ausseer Saibling eigentlich immer. Dazu ­Weine aus der Steiermark und Perchtoldsdorf.
Fischerndorf 168, 8992 Altaussee, T 0664/410 25 45, kahlseneck.at

Fischerhütte
Rustikale Location am Ufer des Toplitzsees, hier wuselt es am Wochenende von Besuchern. Sie sind unter anderem auch wegen der Fische hier, gedämpft, gebraten und warm geräuchert, eine Freude.
Gößl 172, 8993 Grundlsee, T 03622/82 96, toplitzsee.at

Loserhütte
Kasnocken mit Weltklasseblick, Heidelbeer-schmarren danach. Den Appetit auf solches muss man sich anwandern. Faule kommen mit dem Auto über die Loserpanoramastraße.
Fischerndorf 81, 8992 Altaussee, T 03622/712 02, willkommeninaltaussee.at

Wohnen

Strandcafé
Puchen 197, 8992 Altaussee, Menü: strandcafe.at, T 0664/212 93 09
Sechs Appartements hat die Familie Beuchel aus ehemaligen Badehütten am Seeufer gezaubert. Der See liegt zwei bis drei Meter vom Wohnzimmer mit großzügiger Glasfront für den Blick auf Altaussee, Wasser, Trisselwand und Loser entfernt. Eingerichtet sind die Appartements mit einer schönen Küche sowie einer Mischung aus Ikea und geschmackvoll ausgesuchten Vintage-Möbeln. Das Frühstück bereitet man sich selbst zu, man kann aber auch von der Bäckerei Maislinger am Morgen mit frischem Gebäck beliefert werden. Ein traumhafter Ort ­mitten im Naturschutzgebiet für erholsame Tage in vollkommener Zurück­gezogenheit.

Produzenten & Landwirtschaft

Annamax
St. Agatha 38, 4822 Bad Goisern am Hallstätter See, T 06135/507 23, senferei.at

Fischerei Ausseerland
Kainisch 103, 8984 Pichl-Kainisch, T 03624/289, fischereiausseerland.at

Ausseer Lebkuchen
Pötschenstraße 146, 8990 Bad Aussee, T 03622/529 43, lebkuchen.at

Bäckerei Maislinger
Sehr gut sortierte Bäckerei mit mehreren Standorten im Ausseer Land. Dieses Niveau wird außerhalb von den Hauptstädten selten erreicht. Sehr gutes Brot und Mehlspeisen, Croissants, Lebkuchen, Knabbereien, Frühstück.
8992 Altaussee 22, T 03622/717 39, keltenbrot.at

Salzwelten Altaussee
Hier wird das Natursalz abgebaut, im Berg hat es zuverlässig kühle 6 °C, was im Hochsommer einen eigenen Reiz darstellt.
Lichtersberg 25, 8992 Altaussee, T 06132/200 24 00

Max Brandauer
Frisch geräucherte Fische, kein fixer Standplatz. Oft, aber nicht immer, findet man ihn bei der Jausenstation Murbodenhüttl, am besten über Social Media anmelden. T 0660/743 55 55 Murbodenhüttl: Gößl 224, 8993 Grundlsee, T 03622/85 88, murbodenhuettl.com

Sind sie nicht wunderschön? Um die Saison zu verlängern, werden Saiblinge und Reinanken durch Räuchern haltbar
gemacht. Eine ­Tradition, fast so alt wie der Abbau von Salz in Hallstatt und ­Altaussee.
Statt Räucherspeck mal geräucherten ­Saibling. Nicht mehr ganz geheim als Feinschmecker-Adresse ist die Jausenstation Kahlseneck. Franz Pichler hat gute Beziehungen zu den Fischern am Altausseer See. Mit Glück gibt es frischen Altausseer Saibling, aber der geräucherte Saibling, den es unterm Jahr gibt, ist auch eine Freude.
Schöner kann man am Altausseer See nicht einkehren. Peter Beuchel und das Strandcafé-Team servieren Saibling klassisch in Butter gebraten und die besten Mehlspeisen (unten) im Salzkammergut. Nach dem Mittagsfisch gönnen sich Hausgäste eine Siesta am Seeufer.
Wenn die Altausseer Seesaiblinge keine Schonzeit haben, holen die Fischer ihre Plätten aus den Bootshäusern. Rudolf Kalß und seine Kollegen fangen Fische für eine exklusive Kundschaft. Den Altausseer Seesaibling erkennt man an seinem rosafarbenen Fleisch, das nicht vom Karotin, sondern vom tierischen Plankton stammt.
Den Loser kann man nicht ­essen, aber stundenlang anschauen. Manche gehen auch auf ihn ­hinauf. Andere bleiben unten und speisen am Fuße der Loserpanoramastraße bei Eva und Dominik Utassy (unten) in der Geigeralm etwa lokales Rind, begleitet von ausgesuchten Weinen.
Gänse im Garten des Steegwirts und Saibling (unten)auf dem Teller. Die Brüder Grampelhuber sind die Obauers vom Hallstätter See.
Seinen Senf zum Essen gibt Rainer Baumgartner, Senfkaviar von Annamax kombiniert auch Wassermann-Küchenchef Stefan Haas zum Lamm (unten).
Max Brandauer mit seinem selbst gezimmerten Räucherofen. Die Fans des Räucherfisch-Start-ups werden immer mehr. Sie fahren nicht nur wegen der Schönheit des Grundlsees hierher.
Stefan Haas serviert im Restaurant Wassermann die Perlen (unten) des ­Salzkammerguts, auch für ­Austernallergiker gut verträglich.