Seen & genießen
Eine Reise zu den Kärntner Seen, rund um deren Ufer sich eine schöne Sammlung von spannenden Produzenten und guten Restaurants besuchen lässt. Besonders schön ist es jetzt in der Nachsaison.
Was Faak am See mit den Villen der Medici gemeinsam hat, fällt bei erster Betrachtung nicht gleich auf. Michael Ceron erklärt: „Nach den Medici ist sogar eine Zitronensorte benannt, in der italienischen Oberschicht galten Zitronenbäume als Ausweis von Reichtum und Lebenskunst, sie wurden in Terrakotta-Töpfen aufbewahrt und waren nur zum Anschauen da.“ Der Zitronenbaum war der Ferrari der Renaissance. Ceron hatte immer schon eine Schwäche für die Toskana, und vor zwanzig Jahren entdeckte er ein Faible für die Zitronen. Doch auch für den gelernten Gärtner waren diese prächtigen Früchte reine Zierde. „Und dann stand eines Tages Hubert Wallner vor der Tür und fragte danach. Ich hatte eine mildtätige Phase und trat ihm ein paar Früchte ab – schweren Herzens.“ Aus dem Faible wurde eine Leidenschaft und der Zitrusgarten in Faak, nur ein paar Kilometer von der Grenze zu Italien entfernt, ein Schaustück der Vielfalt dieser oft als Saft mindergeschätzten Frucht. Mit der Zeit entwickelte sich Ceron zum Lieferanten für eine kleine Gemeinde von österreichischen Spitzenköchen, etwa für Andreas Döllerer im eineinhalb Stunden vom Faaker See entfernten Golling, der Buddhas-Hand-Zitrone über das gebratene Rückenfilet vom Tauernlamm hobelte. „Die Ernte ist leider nur von kurzer Dauer, deshalb ging ich daran, die Früchte nicht nur frisch anzubieten, sondern für das ganze Jahr zu verarbeiten.“ Mit hochwertigen Zutaten zu arbeiten sei ja an sich leicht, alle Rezepte und Verfahren habe er sich selbst beigebracht. „Bio-Zitronen gibt es von keinem anderen Betrieb in Europa“, so Ceron, „von den Topfzitronen, alle registriert bei der EU, kann man nicht nur die Früchte, sondern auch die Blätter essen. Die Zucht von Bio-Zitronen tut sich keiner an, das ist mit viel Zeit und noch viel mehr Bürokratie verbunden“, so der passionierte Züchter.
Cerons Zitrusunikate
In der kleinen Gärtnerei beschäftigt er gerade einen Praktikanten von der Uni für Bodenkultur. „Meine Freunde in Italien, von denen kann ich bezüglich Zitronenzucht nichts lernen, denn keiner züchtet am Gardasee oder in der Toskana Zitronen im Glashaus.“ Ja, trotz Erwärmung ist das Klima diesseits der Alpen immer noch die Härte und Michael Cerons Glashauszitronengarten eigentlich ein Forschungsobjekt. „Vor allem auch im Sommer, denn da wird es hier wirklich heiß, bis zu 50 und 60 °C, da verbrennen die Blüten dann.“ Zitronen aus Texas, Griechenland, Sizilien und anderen Erdteilen wachsen und blühen im Zitrusgarten, der bereits jetzt den Besuch lohnt, obwohl er seine volle Pracht erst im Winter entfaltet. Man unterscheidet Zitronen in Saftzitronen und essbare Zitronen. „Bacardi Cola kann man mit den meisten Zitronen aus meinem Garten keinen machen.“ Was für ein Reich an Düften und Aromen. Ein Biss in die Zitrone und man versteht, dass Supermarktzitronen eine Beleidigung für die Qualitäten dieser Frucht sind. Die Zitrone aus der Sammlung der Medici hört übrigens auf den Namen Citrus medica di Roma, ihr Fleisch ist graugelb und sehr saftig.
Idyllen am Faaker See
Gastronomisch ist es am Faaker See eher still. Das erste Hotel am See, der Karnerhof, wurde zum Teil mit viel Aufwand sehr geschmackvoll neu eingekleidet und mit einem beeindruckenden Spa versehen. Der Service ist sehr gut, die Küche ebenfalls, doch davon wie auch vom beeindruckenden Panorama von der Hotelterrasse aus profitieren À-la-carte-Gäste nur nach rechtzeitiger und mehrtägiger Voranmeldung. Sie können dann etwa zum Zander mit Kren und schlotzigen Rote-Rübe-Nudeln aus einer kleinen, aber feinen Weinkarte wählen. Davor frische Eierschwammerl mit Ei und Rosmarin auf geröstetem Schwarzbrot als Ausweis dafür, dass die Küche im Karnerhof ihr Handwerk versteht. Als Tipp unter den Einheimischen herumgereicht wird außerdem das Restaurant Terra Sarda, wo es in animierendem Ambiente Fregola Sarda, Schwertfisch und anderes gibt, was die Insel im Tyrrhenischen Meer etwas näher nach Kärnten rücken lässt. Auch das Tschebull, einer der legendärsten Gasthöfe der Gegend, ist immer noch gut, hat sich in den letzten Jahren sehr auf das Thema des Grillens großer Fleischstücke verlegt. Das Haus verfügt über einen wunderschönen Gastraum.
Millstatts Reichtümer
Millstatt am Millstätter See etablierte sich in den 70ern des 19. Jahrhunderts zu einer Sommerfrische des Adels und der wohlhabenden Wiener. Die Villen von Millstatt sind Zeitzeugen dieser Entwicklung aus dem Paläozoikum des Fremdenverkehrs. Wer sich Millstatt vom Millstätter See aus nähert, ist sofort eingenommen von der Pracht der in sattem Schönbrunner Gelb eingekleideten See-Villa. Sie wurde als erstes Hotel der Stadt 1870 erbaut, und einige Zimmer, so sie nicht mit Kirschholz renoviert wurden, verströmen das unnachahmliche Flair einer untergegangenen Zeit. Die Familie Tacoli führt das Hotel mit Bedacht und Geschmack, man weiß hier auch viel zu erzählen aus den Zeiten, als die Touristen noch nicht mit Bussen anreisten. Das lichtdurchflutete Restaurant liegt quasi direkt am Wasser, noch schöner ist es aber, auf der Terrasse zu speisen. Etwa eine schlichte in Butter gebratene Forelle oder Reinanke mit Erdäpfeln und Salat, ein Evergreen. Im Herbst gibt es Wild aus eigener Jagd. Und wenn das Wetter schlecht ist, gibt es Bridgekurse und Meisterschaften. Am Millstätter See wohnen einige der reichsten Unternehmer des Landes, interessanterweise aus der Baubranche. Das macht sich in der Gastronomie des Orts naturgemäß nicht bemerkbar. Zwar kann man in einer Pizzeria im Ort hier zu Sushi oder Margherita Weine von der Domaine de la Romanée-Conti trinken, was zweifellos skurrilen Charakter hat, aber es ist zu bezweifeln, ob wohlhabende Kenner dort Stammgäste sind, wobei: vielleicht doch.
Zwischen Tradition und Moderne
Der Nicht-Milliardär wird ein Essen etwa im Lindenhof vorziehen, wo der Weinkeller auch nicht ohne ist. Er ist in den ehemaligen Stallungen der St.-Georg-Ritter untergebracht, die hier im 15. Jahrhundert installiert wurden, um auf das benachbarte Kloster aufzupassen. Die hohen Gewölbe des Lokals bieten einmaliges, fast sakrales Ambiente, es sind übrigens zwölf Säulen, vielleicht orientiert an den zwölf Aposteln. Seit 1800 befindet sich in den Stallungen eine Gaststätte, die zum Hotel umgebaut wurde. Es war das erste Grand Hotel der Stadt, die tausendjährige Linde im Innenhof steht immer noch. Darunter hat Michael Berndl, der das Haus vor Kurzem feinst restauriert und wieder eröffnet hat, einen kleinen, prächtigen Weinkeller eingerichtet, mit filigranen, metallenen Weinregalen aus Meisterhand. Diese Weine trinkt man zu einer ländlich bodenständigen, aber nicht einfallslosen Küche, die auch Einheimische attraktiv finden. Gelbe Kirtagssuppe, eine traditionelle Festtagssuppe, gibt es, Krautfleckerl und Kärntner Kasnudeln, gerandelte Tomaten-Mozzarella-Nudeln oder einen geschmorten Rehschlögel mit Eierschwammerl und Kroketten. Das Bier der Hirter Brauerei, zu der Berndl ein gutes Verhältnis pflegt, tritt auch in Form von Bierteig auf, der das Filet von der Lachsforelle umhüllt. Als „typisch österreichisch“ werden Spareribs vom Kärntner Landschwein angeboten – man lernt nie aus. Im nebenan gelegenen kleinen Feinkostladen kann man dann vor oder nach dem Essen noch ein Bier zu sich nehmen, sehr gut, es gibt aber auch den einen oder anderen Wein, dazu Speck von den Bauern der Nockberge.
Michael Berndl kommt aus Oberösterreich, wo seine Eltern einen Gasthof führten, der Lindenhof ist sein Traum eines eigenen Gasthofs. Aber eigentlich führt er gemeinsam mit Elisabeth Brandl das wunderschön am See gelegene Hotel Seefischer, einen Ort der Zurückgezogenheit und gepflegten, ländlichen Eleganz. Elisabeth Brandl hat nicht nur ein Faible für Dirndlkleider, die sie sich in der Südsteiermark anfertigen lässt. Die frankophile Gastgeberin hat auch ein Gefühl für Farben und Stoffe. Und so könnte das Seefischer auch am Lac d’Annecy stehen und nicht am Ufer des Millstätter Sees. Etwas maritimen Charakter verleiht dem Restaurant der Blick auf den benachbarten Mini-Jachthafen, manchmal holt Küchenchef Jürgen auch einen Steinbutt herbei für seine Gäste, doch im Normalfall gibt es Forelle aus Feld am See, an der Haut gebraten, auf Spinatrisotto, begleitet von einem leichten, frischen Schäumchen. Das Eierschwammerltatar verströmt das Aroma des Waldes; von solchen Eierschwammerln kann man in Wien nur träumen, es gibt sie einfach nicht. Die Consommé vom Salzwiesenlamm ist großes Suppenhandwerk, dicht und jeder Löffel eine Kraftquelle. Auf der Weinkarte finden sich auch Fundstücke, etwa von Giorgio Clai, zu brieftaschenfreundlichen Preisen. Wer im Seefischer mittags essen will, bemüht sich um eine rechtzeitige Reservierung, bei schönem Wetter ist der Platz auf der Terrasse nämlich ziemlich einmalig.
Die Sache mit dem Kärntna Låxn
Zur Fischzucht nach Feld am See fährt der Autor, um sich eine Ohrfeige abzuholen. In der letzten Ausgabe von A la Carte wurde über den Kärntna Låxn so nebenbei bemerkt, es handle sich dabei um eine Kärntner Variante der Lachsforelle. Das ist falsch. Die Ohrfeige bleibt aus, anstelle ihrer gibt es für den Besucher der Kärntner Fischzucht von Gabi und Andreas Hofer freundliche Wissensvermittlung und Aufklärung. „Der Kärntna Låxn ist eigentlich eine Seeforelle und der Name ein gelungener Versuch, für diese Forelle einen Markt zu erschließen. Seeforellen gibt es in fast allen Kärntner Seen, vom Millstätter See bis zum Weissensee. Sie erreichen eine Größe von bis zu 70 cm und ihr Fleisch gilt als delikat“, erzählt Gabi Hofer. Die Idee mit dem Låxn sei von der Geschichte inspiriert, denn unter diesem Namen wurde der Fisch im 14. Jahrhundert nach Wien an den Hof geliefert und war sehr begehrt. Hofers gehören zu drei Fischzuchtbetrieben, die diesen Fisch in ihren Gewässern züchten. Die Fischzucht besitzt Mutterfische, und alle Fische – Forellen, Bachforellen, Goldforellen, Saiblinge – werden vom Ei weg gezüchtet. Auch Äschen werden herangezogen, allerdings nur für den Besatz, die Zucht für den Verkauf ist zu aufwendig. „In den Flüssen gibt es ja dank des Fischotters kaum mehr Fische“, erzählt Gabi Hofer. Die Frage hört sie sicher öfter: „Merken Sie etwas von der Klimaerwärmung?“ „2013 war das erste Jahr, in dem wir unseren Angelteich im Sommer schließen mussten, es war zu warm.“ Seither ist der Teich jeden Sommer leer. Forellen lieben kaltes Wasser und benötigen viel Sauerstoff. Um das Wasser der Becken sauerstoffreich zu halten, stehen in jedem der Becken mehrere Brunnen, was der Fischzucht ein Versailles-artiges Ambiente verleiht. Im kleinen Laden der vor zwanzig Jahren von Andreas Hofer aufwendig renovierten Fischzucht kann man auch frische und geräucherte sowie gebeizte Fische erstehen, bewacht vom Kopf eines Riesenwelses, der von seinem Sitz an der Wand die Kundschaft mustert.
Fisch, aber richtig
Die Kärntner Seen muss man jeden für sich entdecken. Ihre Geschichte ist so unterschiedlich wie ihre Größe und Topografie. Der Millstätter See liegt fast schon mitten in den Alpen, entsprechend spektakulär sind Regengüsse, aber auch Sonnenuntergänge. Allen Seen gemeinsam ist der rare Seezugang für Nicht-Hotelgäste und Nicht-Seegrundstücksbesitzer, ein Austriakum, welches nur durch größere Enteignungen rückgängig gemacht werden könnte. Im Spätsommer, wenn sich die Kolonnen der Wohnwägen aus Holland und Deutschland wieder in Richtung Norden in Bewegung setzen, ist es an den Seeufern am schönsten, auch am Ossiacher See, dem drittgrößten See Kärntens. Hier zieht es an Wochenenden viele Gäste in die Stiftsschmiede, sie gilt als geeignete Location für Hochzeiten und andere gesellige Events. Man sollte sich, wenn man beim Essen seine Ruhe haben will, also erkundigen, welche gesellschaftlichen Ereignisse gerade im Kalender vermerkt sind. Den Besuch ist die Schmiede jedenfalls wert, denn Küchenchef Gerhard Satran beherrscht sein Handwerk und nicht nur das. Er arbeitet gerne am offenen Feuer – no, na, wir befinden uns schließlich in einer Schmiede – und hat eine ausgesprochene Schwäche für Fisch. Man bekommt Fische aus Wildfang und natürlich auch aus seriöser Zucht in Kärnten, wenn vorrätig, auch im Ganzen. Saibling bereitet er einmal als Sashimi, dann wieder mit gutem Gefühl für Würze und Timing gebeizt zu, zu Letzterem gibt es Kohlrabi, Kürbiskerne und Buttermilch. Seeforelle wird fermentiert und mit Feldgurke und Fenchelkraut serviert. Fischleber kommt mit Topinambur und Kalbsjus auf den Teller.
Kaviar und mehr
Wenn in Kärnten vom Fisch die Rede ist, kommt man um eine Adresse auf keinen Fall herum: Sicher in Tainach, in der Nähe des Klopeiner Sees. Das Restaurant war schon vor dreißig und mehr Jahren eine lohnende Adresse, der Saibling aus eigener Zucht stand schon damals im Mittelpunkt, aber mit deutlich weniger Finesse zubereitet, als es jetzt der Fall ist. Michael Sicher bereitet Fische, aber auch Fleisch mit gewohnter Souveränität zu. Was mittlerweile in vielen guten Betrieben selbstverständlich ist, und zwar das Gemüse aus eigener Landwirtschaft, findet der Gast auch hier auf dem Teller. Die Aufmerksamkeit gebührt aber dem Fisch, der in fantastischem Wasser aufwächst und dafür die Zeit bekommt, die er braucht. Saibling gibt es mit geräucherten Erbsen und Zucchiniblüte. Denn die Gebrüder Sicher handeln nicht mit Fisch, sie benötigen ihn nur für die Küche des Restaurants. Was aber den Betrieb besonders bekannt gemacht hat, ist der Kaviar des Saiblings, der ab Oktober bis in den Winter produziert wird. Sicher-Kaviar gibt es nicht überall und er kostet das Doppelte bis Dreifache des handelsüblichen Saiblingskaviars. Wer sich fragt, wie die Sicher-Brüder sich das leisten können, kostet den Kaviar am besten vor Ort. Der Unterschied ist sogar für den Laien deutlich erkennbar. Fantastisch auch der Nuart-Blauschimmel mit Marillen und schwarzer Nuss, womit wir bei einem der wirklichen Spitzenbetriebe der Kärntner Landwirtschaft angelangt sind.
Allerbester Rohmilchkäse
„Igitt, da ist ja Schimmel drauf! Was haben Sie uns da verkauft?“ Solche und ähnliche Telefonanrufe gehören immer noch zu Eva Nuarts Tagesablauf. Die Familie Nuart macht Rohmilchkäse aus Schafmilch, und die Sache mit den Rohmilchkäsen ist unter anderem die Frage der Reifung. „Manche unserer Kunden lieben es, den Käse im Kühlschrank bis etwa zwei Monate nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zu vergessen, andere sind verunsichert.“ Generell lässt sich sagen: Je schlimmer ein Rohmilchkäse aussieht, desto besser schmeckt er oft. Wer auf die Käsebretter der Kärntner Spitzengastronomie schaut, wird immer wieder aufmerksam auf einen köstlichen Rohmilchkäse, den in der Asche gereiften Frischkäse und den Schafcamenbert der Nuarts. Auf Frühstücksbuffets findet sich das Nuart’sche Schafmilchjoghurt, das Nuart-Lamm und das Nuart-Molkeschwein sind ebenfalls Musts für viele Kärntner Spitzenköche. Das Schwarze Schaf, der erste große Rohmilchkäse des Hauses, ist eine Legende. Eva Nuart hat die Grundsätze ihres Handwerks in England gelernt, bevor sie auf den heimatlichen Hof zurückkehrte. „Wir sind eine Käserei. Die Schweine und andere Produkte wie Joghurt sind dem Käse untergeordnet.“
Den Spagat zwischen einem sicheren und wertvollen Lebensmittel zu schaffen, sei das Schwierigste. „Selbst die spannendsten Käse müssen dem Gesetz entsprechen.“ Dass die österreichischen Behörden die EU-Richtlinien besonders streng auslegen, lässt Eva Nuart oft nächtelang nicht schlafen. „Aber das ist eben mein Berufsrisiko, wie auch ein Arzt ein Berufsrisiko hat. Beim Rohmilchkäse sind die Behörden sehr genau, aber man darf nicht den Mut verlieren. Denn selbst wenn man extrem sauber arbeitet und nicht mit Stallstiefeln in die Käserei geht, kann immer ein Problem auftreten.“ Eva Nuart ist Mitglied beim Verband für handwerkliche Milchverarbeitung und sagt: „Der Rohmilchkäse braucht Lobbying, er steht immer unter Beschuss, in Spanien gleich wie in Norwegen.“
Bär und Schaf
Der Familie Nuart verdankt Kärnten auch ein junges Wirtshaus in Völkermarkt. Martin Nuart arbeitete sieben Jahre an der Seite von Hannes Müller, bis der Drang in die Selbstständigkeit immer stärker wurde. Sein Lokal ist genau auf seine Persönlichkeit zugeschnitten, weniger ehrgeizig, einfach gut und definitiv für ein Publikum, dem Fine Dining zu anstrengend ist. „Nicht der siebente Schnitzelwirt der Stadt zu werden“, das war für Nuart ohnehin klar. Deshalb isst man im Bär & Schaf Wildfangkarpfen, der von einer Qualität ist wie frischer Thunfisch, dazu Artischocken, Zitronen und Kapern. Den Topfen vom Hof der Nuarts bereitet die Küche gemeinsam mit Zucchini, Spitzpaprika und Hanf zu. Schöne alte Möbel und ein entzückender Garten sind der Rahmen für diese Küche. Viele, die auf der Durchreise sind, fahren mittlerweile in Völkermarkt ab, um sich in dem kleinen Wirtshaus zu stärken. Gute Restaurants sind die besseren Raststationen für Reisende auf der Autobahn.
Weil vom Reisen die Rede ist: Viele Kärntner beliebten lange Zeit, die Anreise über Arnoldstein nach Italien auf sich zu nehmen, wenn sie gut essen wollten. Der eigenen Gastronomie vertrauten sie wenig, diese musste sich vor allem an Feriengäste wenden. Schwierig. Am Samstagvormittag kann man auf der Autostrada Richtung Udine immer die großen Limousinen mit Kärntner Kennzeichen beobachten, die sich kolonnenweise auf die Ausfahrt Richtung Tarvis bewegen. Das an sich unbedeutende Städtchen galt jahrzehntelang als Erfüllungsort der Träume nach einem gescheiten Espresso und einem akzeptablen Teller Pasta, daran hat sich nicht viel geändert. Das war auch einer der Gründe, warum in Kärnten die Gastronomie viel später blühte als in anderen österreichischen Provinzen. Der Kärntner fühlte sich als der Italiener unter den Österreichern, er wollte auch so essen. Für die Betreiber von Restaurants in Kärnten, die nicht nur auf Touristen angewiesen sein wollten, war es keine leichte Zeit. Eine neue Generation von Gästen bleibt zum Essen auch gerne im Land. Und sie weiß: Gute Restaurants liegen oft nicht am Seeufer.
Gut für jede Jahreszeit
Am Katschberg ist Stefan Lastin endlich da angekommen, wo er eigentlich immer schon hingehörte: ganz oben. Er hat das kulinarische Kommando und die Verantwortung auf der Gamskogelhütte, deren skiaffine Umgebung man sofort vergessen hat, wenn Lastin hausgemachte Bratwürste oder, noch besser, die Amuse-Bouches zum Chef’s Menü serviert, die auf alpinen Kärntner Grundgeschmäckern basieren. Blutwurstbuchtel, Gamskogelspeck, Schaffrischkäse mit Saiblingskaviar, Speckkrapferl in Miniaturform, alles ist da. Später, wenn Stefan Lastin Kaisergranat mit Cantaloupe-Melone und Champagner-Safransauce oder Rehrücken mit Albufeirasauce, Herzkirschen, Topfenknödel mit Mohnbröseln und Steinpilz serviert, werden zwei Dinge plötzlich klar: Richtig große Küche kann es an jedem Ort geben, wenn der Koch es kann, und Stefan Lastin kann es, wobei seine Meisterschaft in sensibel und kenntnisreich komponierten Saucen liegt. Jetzt gilt es nur noch, folgende Frage zu klären: Schmeckt die Albufeira auf fast 2.000 Höhenmetern anders als in der Ebene?
Die neuen Verführer
Anja Moritz und ihr Ehemann Roman Pichler haben sich im The Ring in Wien kennengelernt – sie an der Rezeption, er als Küchenchef –, um im Betrieb von Anjas Eltern in Grafenstein vor fünfzehn Jahren langsam, aber stetig den Weg zum eigenen Restaurant zu gehen. Das Haus liegt mitten im Grünen und wurde vor Kurzem, im Vorjahr, architektonisch neu aufgesetzt. Egal ob Regen oder Sonnenschein, man sitzt quasi im Freien und in der Natur. Anja Moritz über das Konzept: „Wenn die Gäste oft den ganzen Tag im Büro verbringen, brauchen sie Grün zum Abschalten, das war mir immer ein Anliegen.“ Die meisten Gäste kämen aus der Umgebung, also aus Kärnten. „In den letzten fünfzehn Jahren haben sich die Kärntner in ihrem kulinarischen Verhalten verändert, da hat sich viel getan. Die Kärntner bleiben zum Essen im Land und vertrauen der lokalen Gastronomie.“ Roman Pichler, in den Nullerjahren Souschef bei Jacqueline Pfeiffer, als das Le Ciel und das Grand Hotel in Wien ihre besten Jahre hatten, hat beim Kochen von Anfang an seinen eigenen Kopf durchgesetzt, und das schmeckt richtig gut. Auf der Karte unter anderem: Nuart-Lamm in zwei Gängen; grünes Curry verleiht dem Fleisch exotischen Pfiff. Dass Roman Pichler mit Aromen und Gewürzen umgehen kann, zeigen auch Gerichte wie das Carpaccio von der Roten Rübe mit Dille und Sauerrahm oder die Tartelette von Eierschwammerl mit Lardo und Sommertrüffel, sommerliche Küche von einnehmender Eleganz. Restaurants wie das Moritz beweisen, dass Kärnten keinen Tourismus braucht, um mit guter Gastronomie aufzuwarten. „Das ist sehr schön“, um es mit den Worten von Anja Moritz zu sagen. —
Infos & Adressen
Rund um den Faaker See
Zitrusgarten
Blumenweg 3, 9583 Faak am See
T 0664/540 33 21, zitrusgarten.at
Kultadresse für Liebhaber von Zitrusfrüchten aller Art, hier kann man sie studieren und auch probieren. Im Hofladen ein tolles Angebot vom selbstgemachten Zitronenhonig bis zum Limoncello. Plus eine spannende Auswahl guter Balsamico-Essige.
Terra Sarda
Aichwaldseeweg 26, 9582 Unteraichwald
T 0664/514 96 73, terra-sarda.at
Vorbote italienischer Küche, wie man es südlich von Arnoldstein öfter finden kann. Schönes Ambiente,
unaufgeregt interpretierte, vornehmlich sardische Küche.
Karnerhof
Karnerhofweg 10, 9580 Villach
T 04254/21 88, karnerhof.com
Prachtvoll am See gelegenes, mit viel Aufwand und Geschmack renoviertes Hotel, erweitert durch ein großzügiges Spa. Die Küche widmet sich hauptsächlich den Hotelgästen, empfängt aber à la carte nach einem Tag der Reservierung mittags wie abends.
Rund um den Millstätter See
Restaurant und Hotel Seefischer
Fischerweg 1, 9873 Döbriach am Millstätter See,
T 04246/77 120, seefischer.at
Hoteljuwel mit sehr guter Küche am Ufer des Millstätter Sees. Herrlich: ein Mittagessen auf der Terrasse.
Lindenhof
Stiftgasse 2, 9872 Millstatt
T 04766/233 22, lindenhof-millstatt.at
In historischem Gemäuer untergebrachter Kärntner Gasthof mit Esprit und bodenständiger Küche. Kasnudeln in Varianten, gelbe Suppen, Seefische.
Kaslab’n
Mirnockstraße 19, 9545 Radenthein
T 04246/375 00, kaslabn.at
Mit nachgerade wissenschaftlicher Akribie verfolgen die Besitzer dieser Käsemanufaktur die Reifung der Käse von der Milch verschiedener lokaler Produzenten. Hier kann man viel über das Kulturprodukt Käse lernen.
Villa Tacoli
Seestraße 68, 9872 Millstatt, T 04766/21 02, see-villa.eu
Eine der schönsten Seevillen Kärntens, mit Bedacht und unaufgeregt geführt von der Familie Tacoli. Unser Tipp: gebratene Forelle auf der Seeterrasse. Hollywoodartig.
Gamskogelhütte
9863 Katschberg, T 0664/337 66 78, gamskogelhuette.at
Hütte im Skigebiet, was man sofort vergessen hat, wenn Stefan Lastin den ersten Gang serviert. Chef’s
Table und großes Fine Dining.
Kleinsasserhof
Kleinsass 3, 9800 Spittal an der Drau
T 04762/22 92, kleinsasserhof.at
Kultgasthof, der in zweiter Generation geführt wird. Ambiente und Speisekarte sind ziemlich einmalig, was seit drei Jahrzehnten viele Städter hierher lockt.
Kärtner Fisch, Familie Hofer
Millstätter Str. 77, 9544 Feld am See
T 04246/23 45, kaerntenfisch.at
Lieferant für einige der besten Küchenchefs Kärntens, darunter auch Hubert Wallner. Frische Fische (Forellen, Låxn und so weiter) kann man vor Ort kaufen.
Rund um den Klopeiner See
Nuart vulgo Hafner
Waisenberg 6, 9102 Mittertrixen, T 04231/20 43, nuart.at
Eva Nuart und ihre Eltern führen einen der bemerkenswertesten Höfe Kärntens, berühmt nicht nur für den Rohmilchkäse vom Schaf, sondern auch für das Molkeschwein, das mit Schafmilchmolke gefüttert wird.
Fischrestaurant Sicher
Mühlenweg 2, 9121 Tainach
T 04239/26 38, sicherrestaurant.at
In Wien kennt man den Namen Sicher von einem der edelsten und teuersten Saiblingskaviare des Landes. In dieser Beziehung war Sicher Pionier, doch auch das Restaurant ist einen Besuch wert, es zählt zu den besten Kärntens.
Bär und Schaf
2.Mai-Straße 18, 9100 Völkermarkt
T 0660/210 04 98, baerundschafwirtschaft.at
Martin Nuart hat sich nach sieben Jahren an der Seite von Hannes Müller (Forelle, Weissensee) hier den Traum vom eigenen Wirtshaus erfüllt, absolute Empfehlung.
Moritz
Oberwuchel 5, 9131 Grafenstein
T 0664/424 03 16, restaurantmoritz.at
Boutiquerestaurant in schönster Umgebung, Anna Moritz führt das kleine Lokal mit Liebe zum Detail.
Rund um den Ossiacher See
Stiftsschmiede
9570 Ossiach 4, T 0676/401 17 93, stiftsschmiede.at
Nicht nur als Location für Hochzeiten und andere große Feiern beliebt (deshalb am Wochenende oft ausgebucht), sondern auch wegen der großartigen Fischküche.