Sehnsucht nach Feuer und Musik

Foto von Joerg Lehmann

Eine Fahrt nach Neufelden kann Wunder bewirken. Stressgeplagte Seelen finden hier eine Idylle vor, die sie derart in Beschlag nimmt, dass sie den Ort nicht mehr verlassen möchten. Verantwortlich dafür ist wohl auch die Familie Rachinger, die Neufelden auf der Landkarte feinsinniger Gourmets gut positioniert hat. Philip Rachinger führt den ausgezeichneten Mühltalhof, sein Vater Helmut schuf vor sechs Jahren mit dem Fernruf 7 einen Wohlfühlort. Mit Speisen, die die Sehnsucht stillen. Also kein Beef Tatar und kein Carpaccio. Auch keine Spielereien, die vom Wesentlichen ablenken. Herzstück sind frisch gebackenes Brot und Speisen, die im Holzofen ein unvergleichliches Aroma verliehen bekommen. „Nein, ein Restaurant sind wir nicht“, betont Rachinger immer wieder. Taverne oder Bistro gefällt ihm besser. Mit Lebensmitteln aus der Umgebung, die in drei, fünf oder sieben Gängen ohne Schnickschnack gebracht werden. Im Hintergrund läuft melodische und emotionale Musik, dazu das Knistern des Ofens. Die Gäste sind entspannt. Es wirkt, als würde mit jedem Bissen und mit jedem Akkord die Last von den Schultern fallen. Es ist „gspürig“, sagen sie. Gespeist wird im hellen, puristischen „Wohnzimmer“, einer Melange aus skandinavischen und japanischen Einflüssen, in der Stube, die mit Schmuckstücken wie eine Kunstinstallation wirkt, oder im Freien mit Blick auf die Kraft spendende Mühl und den anmutigen Blutpflaumenbaum, der im April sein schönstes Blütenkostüm präsentiert.

Die Speisen spielen den Dreiklang aus asiatischer, skandinavischer und österreichischer Küche. Den Takt gibt das Mühlviertel vor: Erdäpfel in Schnittlauchsauce, Rauna-Tatar mit Grammeln und selbst gebrockter Brunnenkresse, die farblich und geschmacklich perfekt mit den Rüben harmoniert. Weiters lassen Radieschen, Krentopfen und aufgeschlagenes Bratlfett die Gäste zur kulinarischen Seele des Mühlviertels reisen. Dazu noch selbstgebackenes Holzofenbrot – hui, welch gelungener Einstieg. Danach folgt ein zarter Zwischengang: Spinatmaultaschen mit brauner Butter und Castelmagno gelingen so leicht wie der Wurf eines Fliegenfischers. Dünner Wan-Tan-Teig umhüllt den Spinat und wird mit Bröseln des angenehm salzigen piemontesischen Käses garniert, den Rachinger eben aus seinem Italienurlaub als Souvenir mitgenommen hat und nun die Gäste damit beschenkt.

Mühlviertler Rahmsuppe interpretiert die Küche als Forellen-Ramen. Also Rahmsuppe mit Buchweizennudeln, etwas Schnittlauchöl, leicht scharf, und mit zarten Forellenfilets als Einlage. Eine Ode an den Geschmack, der die Identität des Landes keinesfalls leugnet, aber trotzdem weltoffen wirkt. Rachinger beherrscht das Zusammenspiel von Heimatidylle und kulinarischem Fernweh. Schweinsbraten mit Kraut, dem heiligen Gral der Sonntagsausflügler, verpasst er einen modernen Anstrich. Bauch vom Schwein wird im Sous-vide-Becken vorbereitet, mit Apfelsaft und Ingwer balsamiert, wodurch es eine scharfe und süße Komponente verliehen bekommt, und dann in knusprigen mundgerechten Stückchen am Teller mit Kimchi (statt Krautsalat oder Stöcklkraut) die Gäste begeistert. Süße, Säure, etwas Schärfe, Knusper und Schmelz. Alles dabei. Was will man mehr? Vielleicht ein Dessert, bestehend aus Haselnusskrokant und Himbeerröster? Oder doch lieber eine Flasche Wein aus der gut komponierten Karte? Empfehlenswert ist, ein Zimmer zu nehmen oder die idyllische Bahnfahrt retour nach Linz zu genießen. Aber will man diesen Kraftort überhaupt verlassen?
Philipp Braun

Küche ●●●●○
Atmosphäre ●●●●◐
Weine ●●●●○

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