Würzig macht lustig

Unvermeidlicher Bestandteil österreichischer Snack- und Populärkulinarik.

Würzig macht lustig

Text vonFlorian Holzer Fotos: Luzia Ellert
Die Popularitätswerte sind nicht schlecht: Die Gurke generell sei das viertliebste Gemüse von Frau und Herrn Österreicher, weiß Erich Stekovics, und auch wenn für die spezielle Untergruppe des "sauren Gurkerls" vielleicht solche Umfragewerte nicht existieren, so weiß doch jeder im Lande, was man am Gurkerl hat: Es ist die Krönung von an sich unverbesserlichen Schnellgerichten urösterreichischer Art wie zum Beispiel der Extrawurstsemmel; es macht an und für sich unverzehrbare Berge von fettem Fleisch wie zum Beispiel Brettljause überhaupt erst bewältigbar (wenngleich das unbedingt in Fächerschnitt vorliegende Sauergemüse hier eher eine moralische bis homöopathische Wirkung aufzuweisen vermag –aber immerhin); es verleiht Grundsäulen der ostösterreichischen Aufstrichkultur – Liptauer! – nicht nur die gleichermaßen pikante wie notwendige Säure, sondern in Brunoise geschnitten auch dieses ganz spezielle Biss-Erlebnis. Je ostösterreichischer ein Gericht ist, desto sicherer findet sich das saure Gurkerl in irgendeiner Form unter den Zutaten – von Schin-kenrolle über Fiakergulasch bis Esterházy-Rostbraten. Zusammengefasst: Ohne saures Gurkerl würde der ostösterreichischen Küche ein wesentlicher Bestandteil, eine entscheidende Sensation in Säure und Knackigkeit fehlen.

Verkostung

Sie sehen nicht alle gleich aus. Sie sind nicht alle grün, das mit der Säure ist ebenso unterschiedlich angelegt wie mit der Größe und der Knackigkeit. Essig ist leider bei den wenigsten sauren Gurkerln ein Thema – aus Kostengründen wird zu Branntweinessig, alias Essigsäure, gegriffen –, Zucker und noch viel öfter künstlicher Süßstoff sehr wohl. Dennoch, man muss es gestehen: Auch industriell gefertigte und keineswegs mit bestem Material marinierte saure Gurkerln können gut schmecken, "gut" auf niedrigem Niveau sozusagen.
Die A la Carte-Jury – diesmal bestehend aus Frau Dagmar Groß, Diplom-Sommelière und Weinmarketing-Fachfrau, Helmut Touzimsky, Feinkostpionier und gleichermaßen Koryphäe, Peter Hämmerle, des Magazins Spezialist fürs Saure, Chefredakteur Christian Grünwald und Autor Florian Holzer – verkostete 18 Sauergurkenprodukte aus Österreich (Burgenland, Oberösterreich, Wien), Deutschland und Tschechien in vier Kategorien: "Saure Gurken", "Gewürzgurken", "Saure und Gewürzgurken in echter Essigmarinade" sowie "Sondergurken" (die aber gesondert gewertet wurden). Die Verkostung fand in einem der besten Beiseln der Welt statt, nämlich beim "Grünauer" in der Hermanngasse.

1) Essiggurken, Friedrich Wailzer 7,6
Einer der letzten handwerklich arbeitenden Gemüsekonserven-Hersteller und Sauerkrautler in Wien, Traditionsbetrieb und seit jeher für die Qualität seiner Sauerkonserven bekannt. Wailzers Essiggurken unterscheiden sich in mehrerer Hinsicht von industrieller Ware: Direktkauf von Kleinerzeugern, langsame, vorsichtige Pasteurisierung, Verwendung von echtem Gärungsessig anstatt der Essigkonzentrate, Verzicht auf Zucker und andere Süßungsmittel, händisches Einlegen. Das Ergebnis: ein köstlich mildes, subtiles Gurkerl, das noch nach Gurke schmeckt. "Zart, erfrischend, etwas weich", "würzig und ausgewogen, macht Spaß", "ungleichmäßig sortiert, Fruchtton, Marinade schmeckt wie Gurkenwasser", "Geschmack idealtypisch, ein Klassiker".
€ 3,50/400 g, bei Friedrich Wailzer, Sonnbergmarkt 3, 1190 Wien

2) Gewürzgurken, Erich Stekovics 7,2
Der Paradeiserkönig kann’s auch mit den Gurkerln: alte Sorten, händische Verarbeitung, ausschließliche Verwendung von Top-Essigen (in diesem Fall Apfelessig). Die Gewürzgurken stellt Erich Stekovics an und für sich exklusiv für Dallmayr in München her, ab Hof kann man sie aber natürlich auch bekommen. "Tolle Optik, feine Estragonnote, feinfruchtiges Gurkenaroma, sehr delikates Gurkerl", "feinwürzig, süß-sauer balanciert, schöner Biss", "feine Textur, Marinade erinnert an Blattsalat", "dezent pfeffrig, gurkiger Ton".
€ 3,–/260 g, bei Erich Stekovics, Schäferhof 13, 7132 Frauenkirchen, www.stekovics.at

3) Staud’s Piccolo Gewürzgurken 5,6
Das Top-Gurkerl des Marktführers im Qualitätssegment, Staud verwendet für seine winzigen Piccolo-Gürkchen Kräuteressig, der Würzfaktor spielt hier durchaus eine Rolle. "Kleine, warzige Gurkerln, gut sortiert, sehr sauer, viel Paprikaaroma", "würzig, netter Biss", "knackig, erstklassiges Grundprodukt, das vielleicht etwas überwürzt ist", "sauber sortiert, Essigton klar definiert".
€ 3,89/300 g, bei Meinl am Graben und Staud’s Pavillon, Yppenmarkt 93, 1160 Wien, www.stauds.at

4) Efko Schlemmergurken 5,2
Der Marktführer aus Eferding, 360 Mitarbeiter im Konzern, Niederlassungen in Deutschland, Polen und Tschechien, 56.000 t Gesamtverarbeitung pro Jahr, der größte Teil davon (10.100 t) Gurkerln. Mit dem Efko-Schlemmergurkerl wurden wir sozialisiert, es ist die Messlatte – und es ist ein gutes Gurkerl: "Toll sortiert, optimale Form, saftig, knackig, harmonisch", "knackig, tut niemandem weh, Marinade zu süß und fade", "klassisch", "dunkle Kräuterwürze", "gewürzlose Lake, kein Gurkenton".
€ 1,99/670 g, bei Merkur

5) Novák, Znaimer Gewürzgurken 5
Der Klassiker schlechthin in Sachen Gurken – und man muss sagen: nicht zu Unrecht. Die Znaimer Gurken sind groß, mit Weinessig, Karotten und Zwiebeln mariniert, das Glas vermittelt heitere Retro-Stimmung und gemahnt an Zeiten, als die Gurkerlwelt irgendwie noch in Ordnung war. "Riesig, fast ein bisschen furchterregend, ziemlich süße Marinade, dann sauer, dann sogar ein bisschen pikant", "nicht knackig, aber kernig, saftig, tolle Konsistenz", "grüne Schale, heller Kern; gurkig", "Klassiker".
€ 1,30/680 g, bei Meinl am Graben

6) Stauds Altwiener Gurkentopf 4,6
Ein überraschendes Produkt von Staud’s, da die Vielzahl an Gewürzen im Glas (17 Gewürze und Kräuter, optisch äußerst ansprechend) insgesamt für ein fast an Curry erinnerndes Aroma sorgt, was gerade in einem "Altwiener Gurkentopf" ein wenig für Erstaunen sorgt. "Curry, Chili, recht aparte Säure, ein wildes Gurkerl, aber nicht unoriginell", "guter Biss, aber Gewürze recht dominant", "Hardcore-Gurkerl", "Curry bringt Spannung ins Glas, lenkt geschmacklich aber auch ab", "Exotik".
€ 4,29/560 g bei Meinl am Graben und Staud’s Pavillon, Yppenmarkt 93, 1160 Wien, www.stauds.at

6) Gurkenprinz Gewürzgurken 4,6
Seit die südburgenländische Südobst in Stegersbach von Hans Staud übernommen wurde, änderten sich sowohl Sortiment als auch vor allem Präsenz sehr positiv. Verarbeitet werden ausschließlich burgenländische Gurken von Vertragsbauern. "Eine Spur zu süß, schwarzer Pfeffer klingt an", "etwas weicher Biss, seltsam scharf-würzig", "bissfest und saftig zugleich", "salzig".
€ 1,69/670 g, bei Merkur und Spar, www.gurkenprinz.at

7) Gurkenprinz primeur 4,4
Die Edellinie von Gurkenprinz, selektierte Ware, in der Marinade noch ein wenig burgenländischer Weißweinessig. "Sehr ungleich sortiert, intensiver Paprikageschmack, idealer Partner der rustikalen Brettljause", "sehr rustikal, unharmonische Marinade", "Gemüseton im Dressing, zu süß".
€ 1,69/330 g, bei Merkur und Spar, www.gurkenprinz.at

8) Felix Delikatess-Gurken 4,2
Seit neuestem mit Bauernhofgarantie, das heißt, der Name des Rohwarenerzeugers wird am Etikett abgedruckt (bei Gurkerln vielleicht etwas übertrieben). Sonst ein klassisches Gurkerl ohne größeren Anspruch. "Würzig, intensiv, dunkelgrün, künstlich, klassisch", "mittelknackig, süßlich und langweilig", "pikant, schön sortiert".
€ 1,49/550 g, bei Merkur

8) Spar Delikatess-Gurken 4,2
Bei der Spar-Eigenmarke gibt’s wiederum Qualitätsgarantie, nicht entsprechende Ware kann retourniert werden und wird ausgetauscht. Was an der Gurke in Säureessig-Marinade nicht viel ändern wird. "Industrieller Essiggeschmack", "Marinade kurz und stechend, sonst neutral", "Säure".
€ 0,79/670 g, bei Spar

10) Ottenthaler pikante Delikatess-Gurken 4
Die sauren Gurkerln vom "Gurkerl-Leo" am Naschmarkt, nach eigenen Angaben selbst eingelegt, was am Etikett jedoch keine Bestätigung findet. "Fein salzige Noten, Süßstoff sehr deutlich, zarter Biss", "fade Marinade", "eindimensional", "künstliche Süß-Note, kleine Gurken härter, große mürber".
€ 1,85/660 g, bei Leo Strmiska, Naschmarkt 245, 1040 Wien

11) Machland Delikatessgurken 3,8
Der oberösterreichische Betrieb verarbeitet pro Jahr an die 3.600 t Gurken, angeboten werden unter anderem auch Knoblauch-Gurken und Gurken-Chips. "Standard-Gurken süß-sauer, sehr öde Marinade, Saccharin", "süße Süße, wenig Säure", "sehr groß", "saure Gurken, Branntweinessig, Süßstoff".
€ 0,79/670 g, bei Merkur

11) Hengstenberg Knax
Gewürzgurken 3,8
Großproduzent aus Deutschland, unter "Knax" laufen speziell knackige und würzige Gurken. "Sehr unterschiedliche Optik, extrem knackiger Biss, schmeckt aber rein nach gar nichts, nicht einmal nach Marinade", "dillelastig und nicht sehr nachhaltig", "grobwarzig, super knackig".
€ 1,29/330 g, bei Spar

13) Hengstenberg Geniesser Gürkchen mit Balsamico 3,2
Ein weiteres Produkt aus Esslingen, diesmal mit (geringen) Anteilen von weißem Balsamico in der Marinade, gelbe und braune Senfkörner, Zwiebel. "Seltsam trockene Gurken, steinhart, aldehydisch, nur schwer als Essiggurke zu erkennen", "untypischer Biss, fast trocken, leer", "hart, aber nicht knackig", "artifiziell".
€ 1,49/530 g, bei Merkur

14) Staud’s Essiggurken 2,2
Die Standardware vom Einlegemeister überzeugte bei unserem Test nicht besonders. "Scharf, salzig, extrem sauer, sieht aus wie ein Alligator und schmeckt irgendwie auch so", "Pferdestall, letschert, eigenartig", "stark salzige Komponente".
€ 2,89/300 g, bei Meinl am Graben und Staud’s Pavillon, Yppenmarkt 93, 1160 Wien, www.stauds.at

15) Gegenbauer Gurken süss-sauer 1
Ein überaus ambitioniertes Gurkerl, das Essigmeister Erwin Gegenbauer hier eingelegt hat, nämlich nicht nur mit einem unglaublichen Aufgebot an Gewürzen und Gemüsen, sondern auch mit keinem geringeren als Gurkenessig eingelegt. So weit, so wunderbar, das Experiment ging aber irgendwie daneben. "Bitter, scharf, wässrig, tolle Optik, schlimmer Geschmack", "laktische Note, Fehlgärung?", "morbid", "keine Gurke, nur Biss".
€ 4,–/270 g bei Erwin Gegenbauer, Naschmarkt 111–114, 1040 Wien, www.gegenbauer.at

Ausser Konkurrenz:
Stekovics U-murken 9,2
Erich Stekovics Interpretation des burgenländischen Brauchs der Resteverwertung: etwas überreife Gurken, geschält und mit Muskat-Ottonel-Essig eingelegt. Optik einer Senfgurke, Aroma einer genialen Essiggurke. "Sehr sauer, sehr fruchtig, sehr würzig, sehr gut", "delikat im Biss, vielschichtig, tolle Marinade", "wie frisch zubereitet, einfach spitze".
€ 4,–/240 g bei Erich Stekovics, Schäferhof 13, 7132 Frauenkirchen, www.stekovics.at

Stekovics Melothria 4,7
Eine Sondergurke mit äußerst auffallender Optik, eingelegt in Chardonnay-Essig. "Schön mariniert, birnig, fruchtig, Biss der Beeren-Gurken gewohnheitsbedürftig", "harmonisches, puristisches Dressing", "dicke, feste Haut, überraschend weiches Innenleben, fruchtig, kurios".
€ 5,–/135 g bei Erich Stekovics, Schäferhof 13, 7132 Frauenkirchen, www.stekovics.at