Bœuf Bourguignon – à votre santé!

Eines der Gerichte, das die Redensart Essen wie Gott in Frankreich verdient, ist mit Sicherheit Bœuf Bourguignon. Sich für das Essen ausgiebig Zeit zu nehmen, ist in Frankreich einer der wichtigsten Lebensinhalte und was man für dieses Schmorgericht braucht ist: Zeit, zu genießen, aber auch Zeit zum Kochen.

Bœuf Bourguignon – à votre santé!

Text: Andrea Karrer · Illustration: Peter Jani

Das südöstlich von Paris gelegene französische Département Burgund oder Bourgogne, wie es in Frankreich heißt, aus dem das französische Nationalgericht stammt, ist nicht nur als Weinparadies bekannt, sondern auch für die Qualität seiner Rinderzucht, besonders für die Rasse Charolais.

Und das sind auch die Hauptzutaten von Bœuf Bourguignon: Rindfleisch, das in Burgunderwein lange und langsam geschmort wird, und zwar so lange, bis man es ohne Mühe nur mit dem Löffel zerkleinern kann. Der Wein gibt vordergründig sein Aroma, begleitet von dem einen oder anderen Gewürz wie Lorbeer, französischen Kräutern und viel schwarzem Pfeffer. Durch die Zugabe von Zwiebeln und Karotten wird die Sauce fast von alleine sämig, mollig und rund. Und die eigentliche Arbeit, das Schmoren, erledigt sich sozusagen von -allein. Die wichtigsten Beiköche sind, wie schon erwähnt, die Zeit und ein solider, hermetisch abgeschlossener Gusseisentopf mit schwerem Deckel, der drei bis fünf(!) Stunden ohne weiteren Einsatz, aber natürlich unter der feinfühligen Aufsicht des Koches auf dem Herd oder im Backrohr vor sich hin gart. Apropos Topf: Ist das Fleisch im guten Topf, ist der Braten schon fast im sicheren Hafen. Für Schmorgerichte haben die Franzosen eine große Auswahl hervorragender Gusseisentöpfe (mit wohlgemerkt auch passenden Deckeln), wie z.B. die pothine, ein schwerer Gusseisentopf, in dem das Gericht sogar über offenem Feuer geschmort werden kann. Monsieur Bocuse wiederum köchelt in der keck klingenden cocotte sein Bœuf Bourguignon. Die bauchige daubière wiederum ist aus Ton und wird gerne in der Provence verwendet.

Ein zusätzlicher Faktor, der Mürbheit und Geschmacksfinesse noch verstärkt, ist der, das gute Stück vom Rind zusätzlich Stunden zuvor in Burgundermarinade mit Gewürzen ziehen zu lassen. Die Marinade unbedingt aufheben, sie wird zum Aufgießen benötigt. Und nun geht’s ans Schmoren. Um zu erreichen, dass keine Bestandteile zu weich werden, bereitet man Zwiebeln, Speck und Rindfleisch getrennt zu, ehe man sie miteinander vereint. Wenn das Fleisch richtig gut angebraten ist, das heißt hellbraun und knusprig, herausnehmen, Bratrückstand mit Mehl stauben, mit Marinade ablöschen – aber nicht alles auf einmal, immer schön nach und nach, der Wein muss immer fast zur Gänze eingekocht sein, dann wird wieder nachgegossen. Jetzt erst wird mit Fond aufgefüllt, das Fleisch eingelegt, Kräuterbund, Knoblauch dazu und alles langsam und hermetisch zugedeckt bei geringer Hitze mindestens zwei bis drei Stunden geschmort. Um dem Gericht noch raffinierte Deftigkeit und vor allem auch Sämigkeit zu geben, fügt Bocuse einen ausgelösten Kalbsfuss bei. Nach zweieinhalb Stunden sollte das Fleisch so weich sein, dass es beim Anstechen geschmeidig von einer Fleischgabel heruntergleitet.

Dann wird abgeseiht, der Saft wieder in den Topf gegossen. Im Finaldurchgang wird der kleinwürfelig geschnittene Speck zuerst blanchiert, dann in Butter gebraten. In derselben Pfanne werden die Schalotten kurz rundum angebraten und mit dem Fleisch, in Würfel geschnittenem Kalbsfuss sowie dem Speck in den Burgundersaft gegeben, um noch eine gute Stunde weiterzuschmoren. Spätestens jetzt ist die Sauce zur Molligkeit aggregiert. Zum Schluss bleibt nur noch einmal kräftig abzuschmecken.

Wie bei den meisten berühmten Gerichten gibt es mehr als nur einen Weg der Zubereitung für ein gutes Bœuf Bourguignon – sogar beim König der Köche, Paul Bocuse: In seinem Standardwerk Die neue Küche wird das Fleisch im Ganzen weich gedünstet, sozusagen als Rindsbraten in Burgundersauce. In seinem neueren Werk Bocuse in Ihrer Küche. 220 Gerichte des Jahrhundertkochs zu Hause selbst zubereiten werden eigroße Rindfleischstücke – ähnlich einem Gulasch – in Rotweinsauce geschmort. Egal, für welche Version man sich entscheidet, eines ist dabei sicher: Die Qualität dieses Gerichts ist vom Wein sowie von der Qualität des Fleisches abhängig. Gut abgehangenes Fleisch ist Voraussetzung – aber welches Stück Fleisch? Am besten eignen sich Teile von Brust oder Schulter (dicke Schulter) und auch aus dem Schlögel. Möchte man die Rindsbratenversion zubereiten, dann nimmt man am besten Beiried oder ganz elegant Rindsfilet.

Variationen des Bœuf Bourguignon. In Wein geschmortes Rindfleisch, die so genannten daubes, gibt es in ganz Frankreich. Im Süden gibt man ein Stück unbehandelte Orangenschale zu. In allen Regionen werden lokale Weine und unterschiedliche Kräuter verwendet.

Das von der Île-de-France kommende Bœuf à la mode wird in Cognac und Weißwein mariniert und fünf Stunden langsam geschmort. Wirklich sehr elegant. Kocht man das Gericht ohne Wein – und trinkt ihn gegebenenfalls lieber nur dazu –, spricht man schlicht vom gutbürgerlichen bœuf à la bourgeoise. So gibt es etwas für weniger alko-holisch orientierte Menschen. Für Vegetarier kann ich hier leider keine Alternative anbieten, und das wäre an dieser Stelle auch nicht angebracht

„Bon appetit et large soit – Guten Appetit und breiten Durst“ lautet in Burgund der Tafelgruß und stellt abschließend noch die Frage für den begleitenden Wein. Die Antwort ist im Namen des Gerichtes, natürlich ein Wein aus der Bourgogne. Gekeltert wird le Vin du Bourgogne aus der in Österreich als Spätburgunder bekannten Rebsorte Pinot noir.

Ich habe die beiden Bocuse-Rezepte etwas überarbeitet und aus beiden das Beste übernommen, hier das Ergebnis (für beide Varianten).

Filmtipp: Neue Bekanntheit hat das Bœuf bourguignon durch den Film Julie & Julia erlangt. Der Film dreht sich um die Hobbyköchin Julie Powell und ihren Blog, der sich der Kochkarriere von Julia Child widmete.

BŒuf à la bourguignon

Zutaten für 6 Portionen

1, 5 kg Rindfleisch zum Schmoren
(z.B. Dicke Schulter)
1–2 TL Thymian, getrocknet
1 Lorbeerblatt, zerrieben
200 g Bauchspeck
1 cl Cognac
½ l roter Burgunder
1 Kalbsfuß, ausgelöst, Knochen grob zerhackt
500 g Karotten
4 Petersilienstängel
2 Stangen Sellerie, geputzt
1 kleiner Thymianzweig
¼ Lorbeerblatt
400 g Champignons
100 g Butter
2 EL Mehl, glatt
1 TL Tomatenmark
¾ l Kalbsfond
2 Knoblauchzehen, zerdrückt
24 kleine Schalotten
Salz, Pfeffer aus der Mühle

Rindfleisch in 4–5 cm große Würfel schneiden, mit Pfeffer, Thymian und Lorbeerblatt einreiben. Vom Speck die Schwarte abziehen. Speck zur weiteren Verarbeitung beiseitelegen.

Fleisch mit Cognac, Burgunder und der Speckschwarte in ein Gefäß oder in einen Tiefkühlsack geben und mindestens 3 Stunden marinieren. Hinweis: Das Fleisch mehrmals wenden.

Ausgelösten Kalbsfuß mit einem Küchengarn zusammenbinden.

Fleisch aus der Marinade nehmen, gut abtropfen lassen, trocken tupfen und salzen. Die Marinade auffangen.

Karotten schälen und in etwa 5 cm lange Stifte schneiden. Petersilie und Stangensellerie sorgfältig waschen. Sellerie mit Thymian, Lorbeerblatt und Petersilie zusammenbinden. Champignons putzen, dabei die Stiele abschneiden und für die weitere Verarbeitung aufheben.

In einem Gusseisentopf die Butter zerlassen, Fleisch darin rundum kräftig anbraten – eventuell in mehreren Etappen. Fleisch herausnehmen. Mehl einrühren und hellbraun rösten, Tomatenmark einrühren. Nach und nach mit der Marinade ablöschen. Mit Kalbsfond auffüllen, aufkochen und mit dem Schneebesen rühren, damit sich keine Klümpchen bilden. Fleisch wieder einlegen. Kräuter-Gemüsebund, Kalbsfuß, die Kalbsknochen, die Speckschwarte, Knoblauch sowie die Champignonstiele beifügen. Salzen und kräftig pfeffern.

Anschließend alles im geschlossenen Topf etwa 2,5 Stunden bei ganz geringer Hitze schmoren. Den beiseitegelegten Speck in 1 cm große Würfel schneiden, 5 Minuten überkochen, gut abtropfen und auf Küchenkrepp trocknen. In einer Pfanne 1 TL Butter schmelzen, Speck darin anrösten, herausnehmen und auf einen Teller geben.

Im Bratrückstand die Schalotten rundum anrösten. Das Fleisch, den Kalbsfuß sowie die Speckschwarte nach 2,5 Stunden Schmorzeit aus dem Sud nehmen. Diesen durch ein feines Sieb passieren und in den Topf zurückgießen. Kalbsfuß in kleine Würfel schneiden und mit dem Fleisch, den Champignonköpfen, Karottenstiften und Zwiebeln hineingeben. Zugedeckt bei geringer Hitze etwa 1 Stunde schmoren lassen. Hinweis: Nach dieser Zeit sollte der Sud auf etwa ¾ l reduziert sein. Sollte dies nicht der Fall sein, den Saft offen weiter einkochen. 10 Minuten vor Ende der Garzeit Teller vorwärmen. Bœuf Bourguignon kann auch sehr gut im Topf serviert werden.

Als Beilage zu Bœuf Bourguignon eignen sich Salzkartoffeln, Reis, breite Nudeln, aber auch ein grüner Salat oder herbstlicher Vogerlsalat (mit Walnüssen und Speck). Auch das französische weiße Landbrot la bonne baguette sollte zum Auftunken der Sauce nicht fehlen.

Und hier noch die Version Rindsbraten auf Burgunderart

1,5 kg Rindfleisch von Fett und Sehnen befreien. Von etwa 200 g grünem Speck die Schwarte entfernen, den Speck in lange, etwa bleistiftstarke Streifen schneiden und das Fleisch in Faserrichtung damit spicken. Fleisch mit Gewürzen wie im obigen Rezept einreiben und marinieren. Weitere Zubereitung wie oben.

Anrichten von Rindsbraten auf Burgunderart: Das Fleisch in einer tiefen Platte anrichten, mit den Zwiebeln und Pilzen umlegen und mit der Sauce begießen.

Das Gericht kann auch mit anderen Fleischsorten, wie beispielsweise mit Wild- oder Schweinefleisch, zubereitet werden.