Crème Brulée – Die Crème de la Crème

Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich das Dessert mit dem Knackeffekt in Mitteleuropa zum Wiener Schnitzel der Patisserie hochgearbeitet. Woher die Zubereitung aus Dotter, Milch, Schlagobers und Zucker plötzlich wieder hergekommen ist, weiß keiner. Aus Frankreich? Spanien? Auch nach England führt eine heiße Spur ... Sicher ist nur: die perfekte Crème brûlée ist außen heiß und innen kalt.

Crème Brulée – Die Crème de la Crème

Text: Andrea Karrer | Illustration: Peter Jani

Wenn es nach den Köchen geht, wird überhaupt nur noch Crème brûlée serviert. Die Zubereitung aus Dotter, Milch, Schlagobers und Zucker hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte in Mitteleuropa zum Wiener Schnitzel der Patisserie hochgearbeitet.

Und keiner weiß, wo sie plötzlich wieder hergekommen ist. Sie stammt zwar wahrscheinlich – viele belastbare Quellen gibt es nicht – aus Frankreich; manche Experten verweisen auf die Ähnlichkeit der Crema Catalana und suchen den Ursprung folglich in Spanien, aber auch England ist ein heißer Tipp. Die älteste Spur in der Kochliteratur führt eindeutig nach Frankreich, und zwar zu einem gewissen François Massialot, der 1691 zwei Kochbücher veröffentlicht hat.

Seine Crème brûlée enthält zwar anders als heute Mehl, kandierte Früchte, Zimt und Zitronenschale, und er schlägt auch die Zugabe von Pistazien oder Mandeln vor. Doch am Ende kommt, was kommen muss: Auf die Oberfläche der gestockten Creme wird Zucker gegeben und mit einem glühenden Eisen gebräunt, mit dem sonst Tieren Brandzeichen verpasst wurden.

Die englische Spur setzt bedeutend später ein, ist dafür aber auch besonders englisch. Sie führt direkt zur Trinity Cream. Diese Version der Crème brûlée sei 1879 am Trinity College in Cambridge eingeführt worden, teilt uns Wikipedia mit und äußert die Vermutung, dass das Rezept aus der Gegend von Aberdeen stamme. Es heißt, ein Student habe es dem Koch des College gegeben, doch der sei nicht interessiert gewesen. Erst als der Student zum Fellow aufstieg, konnte er den Koch überzeugen.

Das Besondere an diesem Dessert ist der Knackeffekt, den die Karamellkruste bringt. Nach klassischem Rezept sollte diese gebrannte Zuckerschicht hauchdünn(!), glatt und noch heiß sein. Unter dieser knackigen Kruste kommt eine leichte Creme zum Vorschein, die im Gegensatz zur Zuckerschicht unbedingt kalt sein soll.

Und eigentlich ist ja alles höchst simpel, Eier und Milch werden mit Zucker und Vanille verschlagen und im Wasserbad in kleinen Schälchen in den Ofen geschoben. Dabei stockt das Ei langsam. Aber wie bei vielem gilt auch hier das Gesetz: Je simpler die Zutaten, umso herausfordernder die Zubereitung.

Was ist nun das Geheimnis einer guten Crème brûlée? Es fängt schon damit an: Nimmt man Milch oder Schlagobers oder beides? In vielen Rezepten wird die Milch durch Schlagobers ersetzt, dadurch wird die Creme samtiger, gehaltvoller, ja fast zu üppig. Meiner Meinung nach, erzielt man das geschmacklich beste Ergebnis, wenn man die beiden Flüssigkeiten mischt. Aber auch Sojamilch kann anstelle von Kuhmilch für die Crème brûlée verwendet werden.

Bei meiner weiteren Recherche stellte ich fest, jedes Crème-brûlée-Rezept empfiehlt ein anderes Verhältnis von Milch zu Ei, mal mit, mal ohne Eiweiß. Es gibt sogar Varianten, die Gelatine oder Agar-Agar empfehlen! Egal, ob mit Vanille aromatisiert oder mit anderen Gewürzen – von Lavendel über Zimt bis hin zu Chili –, das Verhältnis zwischen Milch bzw. Schlagobers, Dotter und Zucker muss stimmen, damit die Crème brûlée gelingt. Zwölf Dotter auf einen Liter Schlagobers, da sollte man schon stutzig werden, denn was man dann als Dessert aufträgt, schmeckt ziemlich nach karamellisiertem Spiegelei.

Zunächst wird die Vanilleschote der Länge nach aufgeschnitten und das Mark ausgekratzt. Danach werden Schlagobers, Milch, Zucker, sowie das Vanillemark vermischt, bis sich der Zucker auflöst. Nun kommen die Dotter dazu und die gesamte Masse wird – um Klümpchen zu vermeiden (sonst sind sie später in der Creme) – mit dem Stabmixer noch einmal kräftig püriert. Die Masse sollte jetzt mindestens eine Stunde ziehen. Apropos Zucker: Für die Creme verwendet man am besten feinen Kristallzucker, der sich rasch auflöst. Herkömmlicher Normalkristallzucker hat nicht so feine Kristalle und knirscht sonst zwischen den -Zähnen. Auch gesiebter (damit er gleichmäßig fein ist) Staubzucker ist bestens geeignet.

Dann wird die Masse nochmals kräftig vermengt, sodass sich das Aroma der Vanille gut verteilt. Allerdings darf das Eierobers beim Vermengen nicht schäumen! Jetzt wird das Ganze in kleine Förmchen gegeben, die im Handel direkt als Crème-brûlée-Förmchen angeboten werden. Denn für die Crème brûlée sollten immer die richtigen Förmchen verwendet werden: So müssen diese eine Höhe von 2,5 bis 3 Zentimetern aufweisen und am besten aus hitzebeständigem Porzellan gefertigt sein. Bei anderen Förmchen stockt die Crème brûlée ungleichmäßig, ist außen zu fest und innen noch zu flüssig oder flockt aufgrund einer langen Backzeit im Ofen aus. In einer Saftpfanne werden die Schälchen mit der Crème brûlée ins Backrohr geschoben, das auf 100°C vorgeheizt sein sollte. In der Saftpfanne sollte sich etwa 1cm hoch kochend heißes Wasser befinden, sodass die Förmchen bis zur Hälfte in diesem stehen. Etwa vier Stunden muss die Crème brûlée nun pochieren. Eine Temperatur von mehr als 100°C schadet der Creme, sie darf – genau wie eine englische Creme – nicht kochen, denn das Stocken erfolgt einzig durch die Bindung mit Dotter. Innen ist die Creme gerade nicht mehr flüssig, außen angenehm fest. Jetzt die Creme abkühlen lassen, mindestens sechs Stunden kalt stellen und – kurz vor dem Servieren – für den Knackeffekt sorgen: mit Zucker bestreuen und mit dem Bunsenbrenner karamellisieren.

Welcher Zucker auf der Creme? Es eignen sich sowohl weißer Zucker als auch braune Zuckerarten, die etwas kräftiger im Geschmack sind, wie brauner Rohrzucker bzw. Rohrohrzucker und Demerara-Zucker sowie Farinzucker. Nur beim Vollrohrzucker handelt es sich nicht um einen raffinierten Zucker, er besitzt das intensivste Aroma und ergibt die dunkelste Färbung, sein spezieller Geschmack ist aber nicht jedermanns Sache. Alle anderen braunen Zucker sind raffiniert und mit Melasse oder Sirup versetzt, damit sie die charakteristische braune Farbe bekommen. Weißer als auch brauner Zucker karamellisieren sehr gut und es ist letztendlich dem Geschmack des Koches überlassen, für welchen er sich entscheidet.

Und nun das Karamellisieren:

Klassisch erfolgt dies mit einem heißen Karamellisier-Eisen. Die ältesten fers à caraméliser stammen aus dem 17.Jahrhundert, haben die Jahre überdauert und werden heute noch in gehobenen Häusern verwendet. Der Duft des rauchenden Karamells und seine unregelmäßigen Muster wecken bei jedem Franzosen Kindheitserinnerungen

Ansonsten sind Profiküchen mit allerlei Werkzeug ausgestattet, vom so genannten Salamander bis zu kleinen Gasbrennern: All diese Einrichtungen machen das Karamellisieren auf den Punkt möglich. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Creme muss kalt sein und die feine Karamellkruste heiß, und das zusammen gegessen ist erst das wahre Vergnügen.

Ein gewöhnlicher Haushaltsherd mit Grillschlange ist daher nicht geeignet, da er auch auf höchster Stufe die Hitze nicht bringt, um in allerkürzester Zeit den Zucker zu karamellisieren, was das Wichtigste an der ganzen Sache ist. Aus diesem Grund wird in vielen Restaurants der Zucker erst am Tisch des Gastes mit dem Bunsenbrenner oder der Lötlampe karamellisiert. Immer eine Freude für den Gast wie jedes Flambée.

Aber was tun der Hobbykoch und die Hausfrau, die derartige Geräte nicht besitzen?

Die Anschaffung eines handlichen Gasbrenners (Lötlampe, Bunsenbrenner) würde sich lohnen. Wenn der Zucker nämlich zu lange ungebrannt auf der Creme liegt, zieht er Feuchtigkeit an und lässt sich nicht mehr karamellisieren.

Geeignete Geräte gibt es im Küchenfachhandel, aber auch – wenn man keinen Wert auf das Design legt – in Baumärkten. Eine Investition, die sich für Hobbyköche und Hausfrauen, die öfters Gäste bekochen und beeindrucken möchten, rentiert.

Crème brulée
Ein von mir erprobtes vorzügliches Rezept von Eckart Witzigmann

Zutaten für 6 Portionen
250 ml Milch
750 ml Schlagobers
80g Kristallzucker
10 Dotter
Mark von 2 Vanilleschoten
brauner Zucker zum Bestreuen

Milch mit Schlagobers, Zucker, Dotter, Vanillemark in einer Schüssel gut verrühren. (Hinweis: Darauf achten, dass keine zu starke Schaumbildung entsteht.) Masse etwa 60 Minuten ziehen lassen; anschließend durch ein Sieb passieren und in sechs hitzebeständige flache Förmchen füllen. (Hinweis: Auch hier darf sich kein Schaum auf der Oberfläche bilden.)


Förmchen in ein 1cm hohes Wasserbad stellen und im vorgeheizten Rohr bei 100°C etwa vier Stunden pochieren. Abkühlen lassen und am besten über Nacht kalt stellen.


Creme vor dem Anrichten mit braunem Zucker bestreuen und mit einem Bunsenbrenner flambieren, bis der Zucker hellbraun karamellisiert.


Von den Zutaten her eigentlich ein simples Gericht, das aber ganz schön schiefgehen kann!


Buchtipp
Der französische Patissier José Maréchal, der in Paris das Café Noir betreibt, hat in dem kleinen hübschen Kochbuch Crème brûlée verführerische und phantasievolle Rezepte zusammengetragen. Und natürlich kann man sie dort auch genießen:


Café Noir
Rue Montmartre
75002 Paris
Frankreich

Und wenn man nicht nach Paris kommt, bei Fabios schmeckt sie ausgezeichnet:


Restaurant Fabios
Tuchlauben 6
1010 Wien
T 01-532 22 22