Das Ei des Kolumbus

Ein eigentlich uraltes Kochgerät erobert seinen Platz in kulinarischen (Hoch-) Gefilden zurück – aus gutem Grund: Der eiförmige Keramikgrill „Green Egg“ ist enorm vielseitig.

Text von Andrea Karrer · Illustration von Peter Jani

Jonnie Boer, Chefkoch und Inhaber des Spitzen-Restaurants De Librije im niederländischen Zwolle, will auf seine Big Green Eggs absolut nicht mehr verzichten: „Wir benutzen sie schon seit einigen Jahren, und das Schöne an ihnen ist, dass man sie als Grill und Ofen benutzen kann, mit einer Grad-genauen Temperaturkontrolle. Einfach und präzise.“ Ebenso ist ein mildes Vorgaren in Kombination mit einem Sous-vide-Verfahren, um anschließend mit dem Big Green Egg zusätzliche Rauch­aromen hinzuzufügen, möglich.

„Wir können mit diesem Gerät eine Gartemperatur von 150 Grad in einer Schwankungsbreite von plus/minus zehn Grad halten. Und das den ganzen Abendservice lang“, erzählt Heinz Reitbauer, Chef des Restaurants Steirereck. Ein wenig Übung ist allerdings nötig. „Mehrere Wochen haben wir gebraucht, bis wir das Ei im Griff hatten“, erinnert er sich. „Es ist bei uns mittlerweile unverzichtbar und wird hauptsächlich zum Angrillen beispielsweise von Fisch oder Nachgrillen des Rieddeckels verwendet.“ Ein kompletter Garprozess auf dem Grill erscheint Reitbauer nicht Haute-Cuisine-tauglich.

Sergio Herman, Sternekoch des Restaurants Oud Sluis im niederländischen Sluis, verwendet seine Big Green Eggs unter anderem für die perfekte Zubereitung von Langustinen und Wagyu-Beef. In den Profiküchen von Landhaus Bacher über die Brüder Obauer bis zum Restaurant Ikarus ist das Big Green Egg mittlerweile ein echter „Dauerbrenner“. Seine einzigartigen Eigenschaften haben dazu geführt, dass das Big Green Egg aus den Küchen tausender (Spitzen-) Restaurants inzwischen nicht mehr wegzudenken ist. Ja, in ganz Europa ist regelrecht ein „Egg-Hype“ ausgebrochen. Das breite Spektrum an Gartechniken, das diese Keramikgrills bieten, inspiriert Profi- und Hobbyköche gleichermaßen. Vom Kalt­räuchern von Fischen bis zum Angrillen von Steaks mit einer Hitze, die jeden Steakbrenner eines Gasgrills neidisch machen würde, ist so gut wie alles möglich.

Wie alles begann: Das Zubereiten von Speisen mit Hilfe des Feuers hat die Menschheit seit Jahrtausenden immer wieder zu neuen Kochgeräten inspiriert. So sind die Vorläufer von eierförmigen Keramikgrills in unterschiedlichen (Ess-) Kulturen verankert.

Kleine, oft auch transportable Öfen aus Keramik samt passendem Kochgeschirr sind schon aus der Antike bekannt und heute in den großen Museen, wie beispielsweise dem Louvre, zu bestaunen. Die Griechen beherrschten bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. eine Brenntechnik, mit der Keramiken hochglänzende braun-rote sowie schwarze Oberflächen erhalten konnten. In China entstanden in der späteren Periode der Neuen Steinzeit Kochgefäße aus Keramik mit einer runden Öffnung und drei hohlen Füßen, die ebenfalls eine Kombination aus Ofen und Kochgeschirr darstellten. Von dort übernahmen die Japaner ihren Mushikamado, einen Vorläufer des Kamado, der bis in die 1930er Jahre hauptsächlich zum Dämpfen von Reis benutzt wurde, bevor er auch für Fisch- und Fleischgerichte Verwendung fand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Amerikaner auf den Mushikamado aufmerksam. Findige Tüftler entwickelten ihn weiter und entwarfen schließlich den eiförmigen Kamado, der heute bei Grill- und Barbecuefreunden auf der ganzen Welt beliebt ist. Auch der traditionelle indische Tandoori-Ofen gilt als einer der „Urväter“ der Keramikgrills. Diese zylindrisch geformten Tonöfen werden mit Holzkohle beheizt, wodurch die Wärme an die Gefäßwände abgegeben wird. Das ist der optimale Platz, um die typisch indischen Naan-Brote, eine Art Fladenbrot, zu backen. Das bekannte „Tandoori-Hühnchen“ wird traditionell auf einem Spieß dazwischengehängt. Der Werkstoff Keramik gehört also weltweit schon seit Jahrtausenden zum Alltag und ist heutzutage auch im industriellen Hochleistungsbereich nicht mehr wegzudenken. Das liegt unter anderem an der guten Hitzebeständigkeit, der Wärmespeicher- wie auch Wärmeleitfähigkeit. Eigenschaften, die sich Keramikgrills ebenfalls zu eigen machen. Die Hersteller moderner Grilleier lassen die Keramikgrills überwiegend in China produzieren. Damit das Ei kippsicher steht, stellt man es ins so genannte Nest oder Craddle. Diese Ständer verfügen teilweise über praktische Ablageflächen. Ein fester Standort ist ratsam, und daher kann man sie auch gut in die Arbeitsplatte einer Outdoorküche integrieren. Der Kamado ist darüber hinaus sehr witterunsgbeständig. Nach einer Weiterentwicklung von Ed Fisher in Atlanta wird das robuste Big Green Egg heute aus sehr widerstandsfähiger, von der NASA entwickelter Hightech-Keramik hergestellt, die enorm hitze- und kältebeständig ist, und so kann man eigentlich immer problemlos im Freien grillen. Doch nicht nur grillen. Je nach Modell und Zubehör kann man in einem Temperaturbereich von 50 bis 400 Grad direkt und indirekt grillen, barbecuen, Pizza wie in einem Steinofen backen und sogar räuchern. So ist das Big Green Egg eigentlich kein Grill, sondern ein Ofen mit Grillfunktion. Prinzipiell funktioniert der Kamado ähnlich wie ein Römertopf.
Durch das besondere Material und den Deckel entsteht im Inneren eine Hitze, die nicht zu feucht und nicht zu trocken ist und die das Grillgut zart und saftig hält. Die Temperatur im Inneren des Kamado lässt sich durch die Lüftungsschlitze beinahe gradgenau regulieren. Dadurch ist das Big Green Egg zugleich der ultimative Slow Cooker! Das Garen mit niedrigen Temperaturen in einem Keramikgrill braucht allerdings ein bisschen Fingerspitzengefühl. Hat man den Bogen aber erst einmal raus, ist es ganz einfach. Das A und O ist der Umgang mit der Luftzufuhr: Heizt man der Holzkohle zu sehr ein, ist die Gartemperatur im Ei schnell im oberen Bereich – und hält sich da mehrere Stunden. Das Big Green Egg verfügt über eine dicke Wandstärke von etwa drei Zentimeter, was ein wichtiges Kriterium für die Qualität eines Keramikgrills ist. Dadurch benötigt man nur wenig Kohle, um die Temperatur über einen langen Zeitraum konstant zu halten. „Wie viel Holzkohle benötigt wird, hängt natürlich von der Größe des Gargutes ab. Welche Holzkohle sollte man verwenden? Es kommen eigentlich nur Harthölzer wie Buche, Ahorn (Robinie), Hickory, Obsthölzer, etwas eingeschränkt Eiche und einige Weichhölzer wie Erle, Weide, Pappel usw. in Frage.

Zum Räuchern empfehlen sich zusätzlich einige Big Green Egg Holzchips, die etwa dreißig Minuten vorher angefeuchtet werden sollten.

Da uns Christian Petz vom Restaurant Holy-Moly am Badeschiff ein Rezept für einen geräucherten Saibling im Big Green Egg vorstellt, hier noch ein kleiner Exkurs über das richtige Räucherholz. Buche verleiht dem Fisch die typische goldgelbe Farbe und den wohlbekannten milden Rauchgeschmack. Erle hingegen färbt rotbraun und gibt einen stärkeren Rauchgeschmack ab. Wird Apfelholz zum Räuchern verwendet, färbt sich das Räuchergut intensiv rotgold und erhält einen herben, leicht fruchtigen Geschmack. In den USA wird auf die Verwendung von Hickory (walnussartiger Baum) als Räucher- und Grillholz geschworen, Geschmack und Farbe liegen nahe bei der Buche, sind jedoch etwas intensiver und edler. Erle hingegen erzeugt einen intensiven, charakteristischen Rauch, der eine schöne goldene Farbe verleiht. Das Gleiche gilt in verstärktem Maße für Weide. Wacholder ist eher als Würze zu sehen und auch nur sparsam zu verwenden. Es erzeugt einen typischen, aber leicht überlagernden Geschmack. Am besten gibt man nur vereinzelte angetrocknete Zweige oder Beeren dazu.

Zu beachten ist auch, dass das Räucherholz eine Holzfeuchte unter 20 % aufweisen muss, „naturrein“ und frei von Verunreinigungen wie Pilzen oder Insekten sein sollte.
Prinzipiell können alle Fische geräuchert werden. Sie müssen lediglich aus sauberen Gewässern stammen. Ein modriger Geschmack, wie er oft bei Weißfischen vorkommen kann, wird durch Räuchern nur noch verstärkt. Wichtig ist, dass Kiemen und Niere entfernt werden, die sonst für unschöne Flecken bzw. bitteren Geschmack sorgen. Nach dem Beizen muss das Räuchergut gründlich mit kaltem, klarem Wasser abgespült werden. (Es sollten keine Schleimreste mehr anhaften. Das gibt unschöne Flecken.)
Genug Theorie, jetzt geht’s los: Man bringt das Egg auf 100 bis 150 Grad, ohne Blechhalterung. Durch den Einsatz der Blechhalterung wird die Temperatur in der Kuppel auf 50 bis 75 Grad gesenkt. Nun Holzkohle mit einer Handvoll Räucherchips oder Sägespänen bestreuen, bevor die Blechhalterung eingesetzt wird. Will man länger als eine halbe Stunde räuchern, dann streut man mehr Holzspäne über die gesamte Feuerschale. Die Blechhalterung kann jetzt mit den Beinen nach oben eingeführt werden. Nun setzt man eine Tropfwanne unter den Kochrost, um den austretenden Saft aufzufangen, der andernfalls auf der Keramik der Blechhalterung verbrennen oder verklumpen würde. Räucherzeiten und Kerntemperaturen hängen von Art und Gewicht des Räucherguts und dem persönlichen Geschmack ab.

Geräucherter Saibling mit grünem Spargel

Zutaten für 4 Portionen

4 Saiblinge à 300 g
1 TL weiße Pfefferkörner
1 TL Senfkörner
2 TL Fenchelsamen
1 Lorbeerblatt
1 TL Wacholderbeeren
1 TL Koriandersamen
150 g Meersalz
100 g Kristallzucker
80 g Dille, grob geschnitten
500 g grüner Spargel
2 Schalotten
Schnittlauch, geschnitten
Petersilie, gehackt
Kerbel, gehackt
2 EL Weißweinessig
4 EL Olivenöl
2 EL Hühnerfond
1 TL Dijon-Senf
Salz, Pfeffer, Zucker
Blattsalate zum Garnieren

Zubereitung
Saiblinge putzen, Nieren und Kiemen sorgfältig entfernen.
Für die Beize alle Gewürze mörsern und mit Salz, Zucker und der Dille vermengen.
Die Saiblinge mit der Gewürzmischung einreiben, in ein f­laches Gefäß legen, mit Frischhaltefolie abgedeckt und leicht beschwert 12 Stunden im Kühlschrank beizen.
Anschließend Beize entfernen und die Haut gut trocken reiben.
Fische im Big Green Egg bei 50 °C ca. 20 Minuten räuchern.
Fische noch lauwarm filetieren und die Haut entfernen.
Grünen Spargel im unteren Drittel schälen, holzige Enden entfernen und Spargel in kräftig gesalzenem Wasser weichkochen; sofort in Eiswasser abschrecken.
Schalotten schälen, in feine Würfel schneiden und kurz in Salzwasser blanchieren.
Aus den angegebenen Zutaten eine Vinaigrette rühren, mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken. Den Spargel und die Blattsalate damit marinieren, mit den geräucherten Saiblingsfilets anrichten.

Adressen
Restaurant Holy-Moly
Badeschiff am Donaukanal (Schwedenplatz/Urania)
1010 Wien
Tel.: 0699/15 13 07 50
www.badeschiff.at

LOHBERGER HEIZ- U. KOCHGERÄTE TECHNOLOGIE GMBH
Landstraße 19, 5231 Schalchen
Tel.: 07742/52 11-0
www.lohberger.com