Für immer jung
Eingelegter Knoblauch von Angelika Raidl
Text von Andrea Karrer · Illustration von Peter Jani
Nichts im Reich der Kochkunst kommt der Alchemie näher als das Einmachen. Im Naturzustand belassene Nahrungsmittel verderben schnell. Setzt man sie aber extremer Hitze oder Kälte aus oder hochkonzentriertem Salz, Zucker, Essig oder Alkohol, kann ihr natürlicher Verfall aufgehalten werden; bei entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen halten sich Lebensmittel dann über Wochen oder Monate, ja sogar Jahre. Durch die Kunst des Konservierens – einige Methoden wurden schon in den Anfängen des Ackerbaus vor rund 10.000 Jahren entdeckt – waren die Menschen mit ihrer Ernährung nicht mehr an den Ablauf der Jahreszeiten gebunden, bei dem der Fülle von Frühling und Sommer die mageren Zeiten von Spätherbst und vor allem Winter folgten.
Heute sind wir nicht mehr von den Jahreszeiten abhängig – ein wesentlicher Vorzug des Einmachens ist sicher die wirtschaftliche Seite, aber das ist bestimmt der geringste Anreiz. Ein zwingendes Argument für das Einmachen bietet der Umstand, dass der Wohlgeschmack natürlich gewachsener, voll ausgereift geernteter Früchte und Gemüse den Geschmack außerhalb ihrer natürlichen Saison gezüchteter Produkte in der Regel bei Weitem übertrifft.
Häufig will man aber beim Einmachen gar nicht den ursprünglichen Charakter der Lebensmittel erhalten; der Konservierungsprozess verändert Charakter und Struktur, und das Ergebnis wird von vielen höher geschätzt. Mit den einfachen Mitteln der täglichen Küche ist der pikant süßsaure Geschmack von Senffrüchten, die feste Konsistenz und Güte luftgetrockneter Würste oder eine interessante Mischung von Aromen in einem Relish aus z. B. grüner Mango, Paprikaschoten, Rosinen, Datteln und Ingwer nicht zu erreichen.
So sicher, wie Lebensmittel ihren Bestzustand erreichen, verlieren sie danach unweigerlich an Qualität. Diesen Qualitätsverlust bewirken zwei Faktoren: Enzyme – das sind in allen pflanzlichen und tierischen Geweben vorhandene Proteine – und Mikroorganismen wie Schimmelpilze, Hefen und Bakterien, die in der Luft, im Wasser und im Boden leben und in allen frischen Lebensmitteln vorkommen.
Lange bevor die Menschen wussten, warum Lebensmittel verderben, hatten sie zuverlässige Methoden entwickelt, dies zu verhindern.
Eines der ältesten Verfahren ist das Salzen. Mikroorganismen brauchen Feuchtigkeit. Ohne die können sie nicht gedeihen. Salz zieht das Wasser aus den Zellen und löst sich darin auf, sodass die Bakterien sich darin nicht mehr vermehren können. Relativ dünne, flache Stücke wie z. B. Sardellen, Sprotten oder kleine Kapern, aber auch Zitronen kann man leicht durch die Methode des Einsalzens haltbar machen. Die Lebensmittel werden in geeigneten Gefäßen, z. B. Steingut, Keramiktöpfe oder Gläser, mit Salz und eventuell auch Gewürzen schichtweise eingelegt oder überzogen. Das Salz muss die Lebensmittel gründlich und gleichmäßig durchdringen, um zuverlässig zu wirken. Fische werden noch zusätzlich mit einem Gewicht beschwert, das drückt weitere Flüssigkeit heraus und verstärkt die Wirkung des Salzes. In den ersten Tagen tritt Fischöl aus, welches ranzig werden könnte und daher abgeschöpft werden muss. Bei einigen Gemüsen wie Kraut oder grünen Bohnen tritt durch eine genau abgemessene Salzmenge (zu wenig Salz zieht nicht genug Flüssigkeit, zu viel würde die Organismen abtöten) Saft aus. Die darin enthaltenen Mikroorganismen bewirken eine langsame Fermentation, bei der Zucker in Säure verwandelt wird und schäumende Gasbläschen freisetzt. Auch hier wird dieser Prozess durch Beschweren unterstützt. Es darf keine Luft an das Gemüse kommen, da sonst die Fermentation unterbrochen würde. Nach einigen Wochen hört das Gemüse auf zu schäumen – ein Zeichen, dass es zum Verzehr verwendet werden kann. Auch bei dieser Methode können aromatische Zutaten eingesetzt werden: Bei Sauerkraut oder Salzgurken etwa Lorbeerblätter, Krenscheiben, Knoblauch, Dille, Wacholderbeeren, schwarze Pfefferkörner …
Oliven gehören zu den ältesten Kulturfrüchten, und die Methode ihrer Zubereitung und Konservierung hat sich im Laufe der Jahrhunderte kaum verändert. Der größte Teil des Verfahrens dient dazu, den Oliven die Bitterstoffe zu entziehen, die sie ungenießbar machen. Je unreifer eine Olive, desto bitterer ist sie. Die harten grünen Oliven, die gewöhnlich im Oktober geerntet werden, sind am bittersten. Damit sie ihr frisches, leicht herbes Aroma bekommen, werden sie mit einem kleinen scharfen Messer an den schmalen Enden eingeritzt oder vorsichtig mit einem Holzhammer etwas flach gedrückt, bis die Haut aufplatzt, und dann wässert man sie drei bis vier Wochen lang. Dabei sollte man das Wasser alle zwei bis drei Tage wechseln. Das Wasser durchdringt die Früchte und laugt den größten Teil ihrer Bitterstoffe heraus. Am besten kostet man ab und zu eine Olive. Sobald sie nicht mehr bitter schmecken – nach etwa einem Monat –, wird eine Salzlösung (etwa 80 g [Meer-]Salz auf 1 l Wasser) zubereitet. Die Mischung aufkochen, um das Salz aufzulösen, dann abkühlen lassen und durch ein Sieb über die Oliven gießen. In dieser Salzlösung sollten die Oliven noch etwa eine Woche baden und können dann je nach Geschmack eingelegt werden. Wünscht man die grünen Oliven besonders mild und aromatisch, legt man sie davor etwa zehn Tage in eine Lösung aus Holzasche und Wasser. Dabei wird Holzasche in einer Schüssel mit so viel Wasser vermischt, bis ein dünner Brei entsteht, mit dem die Oliven dann gut vermengt und zugedeckt kühl gestellt werden, dabei mehrmals täglich umrühren. Nach zehn bis zwölf Tagen sollten die Oliven so weich sein, dass sich das Fleisch mit dem Daumennagel leicht bis zum Kern einritzen lässt. Anschließend die Oliven sorgfältig abspülen, mit kaltem Wasser bedecken und etwa zehn Tage zugedeckt stehen lassen, dabei das Wasser täglich wechseln. Eine Salzlösung wie oben beschrieben zubereiten und wie vorher weiterverfahren.
Die reiferen grünlich-schwarzen oder violetten Oliven werden zwischen November und Dezember geerntet. Damit das Wasser eindringen kann, sticht man die Oliven an und wässert sie. „Wir legen unsere Oliven in eine leichte Lake aus Meersalz und Wasser, die bis zur fertigen Entbitterung nach vier bis sechs Wochen einmal wöchentlich gewechselt wird“, erklärt Frau Zöchling von der Firma Mani. „Danach kommen die Oliven wieder in leichte Salzlake, in der sie ohne Konservierungsmittel gut lagerfähig sind. Doch zur längeren Haltbarmachung legen wir sie in kalt extrahiertes Olivenöl, das nicht nur Geschmacksträger und -verstärker ist, sondern auch vor Luft und damit Keimbildung schützt“, fährt die Expertin fort. „Eine Behandlung in Holzaschenlösung würde ihr zartes Fruchtfleisch viel zu weich machen.“
Vollreife schwarze Oliven, die im Februar geerntet werden – wenn sie ihren Bittergeschmack weitgehend verloren haben –, sind am einfachsten einzulegen. Man schichtet sie einfach mit Salz in einen dicht geflochtenen Korb oder in einer Schüssel und lässt sie ziehen. Nach etwa sechs Tagen wäscht man das Salz ab, dann hat es alle restlichen Bitterstoffe herausgezogen. Das zarte Aroma dieser Früchte bewahrt man am besten, indem man sie mit hochwertigem Olivenöl bedeckt.
Gemüse in Essig einlegen ist meist ein einfaches Verfahren in zwei Schritten. „Damit der Säuregehalt nicht durch das im Gemüse enthaltene Wasser zu sehr sinkt, müssen viele Gemüse vor dem Einlegen entwässert werden – durch Einlegen in Salz oder Salzlake (Gurkerln), durch Backen im Backrohr (Rote Rüben) oder durch Kochen oder Blanchieren in Salzwasser (kleine Zwiebeln, Fisolen)“, weiß die Einmachexpertin Angelika Raidl. Anschließend legt man das Gemüse in Gläser – falls das Gemüse eingesalzen war, wäscht man das Salz ab – und bedeckt es nach Belieben mit heißem oder kaltem Essig. Bei dem Verfahren mit heißem Essig bringt man diesen zum Kochen und gießt ihn über das Gemüse im Einmachglas. Heißer Essig durchdringt das Gemüse schneller als kalter und macht es weicher. Ich nehme deshalb auch gerne heißen Essig für großes, festes Gemüse wie z. B. Rote Rüben. Karfiolröschen hingegen, die ihre frische Festigkeit behalten sollen, werden mit kaltem Essigsud eingelegt. „Wie fest ein Gemüse sein soll, ist allerdings Geschmackssache, sodass die beiden Verfahren austauschbar sind“, weiß Angelika Raidl aus Erfahrung. Auf alle Fälle braucht man einen guten Essig, der mindestens 4 bis 6 % Essigsäure enthält, weniger konserviert nicht zuverlässig genug. Obwohl Weinessig das feinste Aroma hat, kann man auch Obstessig wie Apfelessig oder Branntweinessig verwenden. Da Essig wesentlicher Bestandteil aller Pickles (sprich alle in Essig eingelegten Früchte und Gemüse) ist, muss er von ausgezeichneter Qualität sein. Will man einen beliebigen Essig aromatisieren, gibt man noch Zwiebeln, Knoblauch und verschiedene Gewürze mit ins Einmachglas. Man nimmt dazu ganze Gewürze, gemahlene würden die Einmachflüssigkeit trüben. Für einen würzigen, aromatischen Essig ohne störende Samen, Körner, Blätter oder Stiele lässt man diese Zutaten samt Essig einige Minuten kochen, abkühlen und seiht anschließend alles durch ein Sieb. Obwohl Essiggemüse meist in einer Mischung aus Kräutern und Gewürzen eingelegt werden, kann auch eine einzige gut gewählte Zutat reizvoll sein.
„Wenn Eingemachtes sich in Geruch oder Farbe auffällig verändert, wenn sich Blasen bilden oder der Verschluss aufplatzt, sollte man es sofort vernichten“, rät Angelika Raidl. In einer gut geführten Vorratskammer wird so etwas aber sicherlich kaum vorkommen. Lange Haltbarkeit ist heute ohnehin nicht mehr der entscheidende Anreiz zum Einmachen, und die Vorräte bleiben nicht mehr monatelang im Regal stehen. Natürlich kann man Eingemachtes für spätere Gelegenheiten aufsparen, aber wie alle guten Lebensmittel wird es schließlich doch gegessen …
Zutaten (etwa 5 Gläser à 200 ml)
500 g Knoblauchzehen, geschält
Marinade:
250 ml Rotweinessig
250 ml Wasser
150 g Zucker
3–4 EL Salz
1 roter Pfefferoni
1 Lorbeerblatt
1 Rosmarinzweig
2 TL Pfefferkörner
Alle Zutaten der Marinade aufkochen.
Knoblauch in saubere Gläser füllen, mit der heißen Marinade übergießen und fest verschließen.
Nach 2 Wochen sind die Knoblauchzehen gut durchzogen und herrlich würzig.
Als Beilage zu kalten Speisen, Brettljausen oder zum Verfeinern von Saucen.
Angelika Raidl
St. Pöltnerstraße 48, 3203 Rabenstein an der Pielach
www.a-raidl.at
Tel.: 0680/404 49 03
Mani Olivenöl & Oliven
Seidengasse 32, 1070 Wien
Tel.: 01/522 08 24
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