Geschmacks-trägerin

Butter kann durch nichts ersetzt werden – und schon gar nicht in der Beurre blanc, der definitiven Königin der Saucen.

Text von Andrea Karrer, Illustration von Kerstin Luttenfeldner

Das Bedürfnis nach einer Schluckhilfe ist so alt wie der Appetit. Irgendwann einmal war den. Menschen der Braten zu trocken und der Getreidefladen zu staubig, und so wurde die erste Sauce erfunden, die den festen Bissen besser rutschen ließ. Im Laufe der Jahrtausende sprach sich natürlich auch herum, dass schieres Fleisch im Vergleich zu allem anderen Essbaren ziemlich schwach schmeckt. Der Gaumenschmeichler Sauce reicherte fade Speisen mit neuem Geschmack an, denn wie ein Gericht schmeckt, hängt von seiner Würzung ab, also meist von der Sauce, in der die Gewürze kombiniert sind.

Die Qualität der Sauce ist ein Maßstab für die Fähigkeit eines Kochs oder einer Köchin. Als Kaiser Domitian einen besonders prächtigen Steinbutt geschenkt bekam, rief er mitten in der Nacht den römischen Senat zusammen. Thema der Beratung: mit welcher Sauce der Fisch zu essen sei. In Nantes in der Bretagne wird heute selbstverständlich zum Fischfilet die Beurre blanc serviert, alles andere wäre undenkbar: eine weiße Buttersauce, die dort im 19. Jahrhundert von Clémence Lefeuvre zufällig erfunden wurde, als er bei der Zubereitung einer Hollandaise die Eier vergessen hat. Fünf bis sechs geschälte und feinst gehackte Schalotten, 250  ml Weißweinessig, 350 ml Fond sowie gemahlenen weißen Pfeffer benötigt es laut der Enzyklopädie Larousse Gastronomique für den Ansatz, der um zwei Drittel eingekocht wird. Dann werden 250 g kalte Butterstücke mit dem Schneebesen eingerührt und aufgeschlagen, bis die Sauce bindet, aber auf keinen Fall schäumt oder kocht.

Die Beurre blanc ist eine der ursprünglichsten Saucen, die die französische Küche zu bieten hat, und ­bekannt für ihre samtige Textur. Wörtlich übersetzt heißt Beurre blanc „weiße Butter“, gebräuchlicher ist (weiße) Buttersauce. Das französische Original ist insofern treffender, als Beurre blanc aus wenig mehr als Butter besteht – ihr Anteil ist derart hoch, dass man es im Grunde mit aromatisierter Butter in einem speziellen Aggregatzustand zu tun hat. Die Emulsion, also die Verbindung von Wasser und Fett, ist das Geheimnis einer gelungenen Beurre blanc. Doch diese zwei verbinden sich nur ungern. Um eine Emulsion zu ermöglichen, verwendet man oft auch Emulgatoren wie Lecithin, Dotter oder Senf, die eine Verbindung von Wasser und Fett vereinfachen, denn sie sind in beiden löslich und verhindern, dass sich die Zutaten wieder in die einzelnen Bestandteile trennen. Hier ist auch weniger Vorsicht notwendig als bei der ursprünglichen Methode ohne Emulgatoren. In der gehobenen Küche wie auch der Molekularküche ist ein häufig verwen­deter Emulgator Lecithin, das meist aus Soja hergestellt wird.

Viele Rezepte empfehlen, Crème fraîche oder Schlagobers einzusetzen, um die Butterbindung zu unterstützen. Dagegen ist nichts einzuwenden, es funktioniert aber auch ohne diese Emulgatoren, solange man mit Bedacht vorgeht. „Während der Zubereitung von Beurre blanc ist wichtig, die Temperatur im Auge zu behalten. Die Butter sollte kalt sein, besser sogar eiskalt, damit sie langsam schmilzt und die Sauce eine cremige Textur erhält. Der Ansatz sollte langsam reduziert werden, um die Aromen zu konzentrieren, aber nicht zu schnell, um die Sauce nicht zu überhitzen“, erklärt Konstantin Filippou. „Um die Butter zu aromatisieren, kochen wir Mischungen aus Fonds und weiteren würzenden Flüssigkeiten bzw. Zutaten zusammen mit Schalotten oder anderen Aromenträgern stark ein und montieren dann mit eiskalter Butter auf.“ Dabei entsteht eine sämige Konsistenz, die umso fester wird, je mehr Butter eingerührt und gleichzeitig gut aufgeschlagen wird.

Thomas Dorfer vom Landhaus Bacher beispielsweise mixt Safran und Masala in seine Beurre blanc, die er zum indisch aromatisierten Kaiser­granat serviert. Juan Amadors geeiste Beurre blanc ist ein Klassiker, welchen er über die Zeit immer wieder variiert, vor ein paar Jahren zum Beispiel mit Rotkraut oder mittlerweile als Amador-Signatur-Dish mit leicht pochierter Gillardeau-Auster, Haselnussschaum und Osietra-Kaviar. „Die Beurre blanc halte ich sowieso für die Königin unter den Saucen, und als cremiges kühles Eis kommen die feine Süße der Schalotten und die gut dosierte Säure von Essig und Weißwein hervorragend zur Geltung“, erklärt Juan Amador. „Auch ein Schuss Champagner zum Schluss gibt der Sauce eine frische Säure.“

Konstantin Filippou serviert oft eine Variante mit Kalbsfond zur Kalbszunge oder würzt die Beurre blanc explosiv mit Kimchi zu Fisch. Beurre blanc bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Variation des Geschmacks. Man kann Kräuter wie Estragon oder Dille hinzu­fügen, um der Sauce zusätzliche Aromen zu verleihen. Auch der Saft von z. B. Limette oder Orange kann der Sauce neue Geschmacksnuancen geben. „Ich achte immer darauf, dass die Sauce nie zu viel Schwere ins Gericht bringt.“ Die Kunst beim Einsatz der Sauce bestehe darin, sie gut zu dosieren. „Mehr als drei bis vier Esslöffel verträgt es nicht in einem Gericht“, meint Filippou.

Einer ihrer faszinierenden Aspekte ist, dass die Beurre blanc oft verwendet wird, um einem Gericht eine gewisse Leichtigkeit zu verleihen, während gleichzeitig der Anteil von meist mehr als 50 Prozent Butter wie eine Hebebühne für den Geschmack des Grundprodukts wirkt. Die Beurre blanc passt hervorragend zu Fisch, hellem Fleisch, Meeresfrüchten und Geflügel, wie auch zu Gemüse, etwa Spargel oder Spinat, jedoch in weiteren Abwandlungen auch zu kräftigem Rind. Was früher in mühevoller Handarbeit geschlagen wurde, das übernehmen heutzutage Stabmixer, Thermomix und Co. Um jedoch das Gefühl für eine Beurre blanc zu bekommen, sollte man sie mindestens ein Mal per Hand aufschlagen. —

© Stockfood

Beurre blanc mit Mangalitza-Zunge
Rezept von Konstantin Filippou

Zutaten für 4–6 Portionen
Je 100 g Karotten, Sellerie, Lauch, Fenchel, geputzt und gewaschen
4 Zwiebeln
500 g Mangalitza-Zunge
1.000 g Mangalitza-Knochen
10 g Lorbeerblätter
5 g Wacholderbeeren
5 g Sternanis
220 g eiskalte Butter
50 g Schnittlauch
Zitronensaft

Zubereitung
Gemüse in 2 cm große Würfel schneiden. Die ungeschälten ­Zwiebeln halbieren und auf der Schnittseite goldbraun rösten.

Die Mangalitza-Knochen waschen, in 2 ½ l kaltem Wasser zustellen, aufkochen, die Mangalitza-Zunge beifügen und bei geringer Hitze ca. 1 Stunde leicht kochen lassen.

Gemüse, Zwiebeln sowie Sternanis und Lorbeerblätter beifügen und eine weitere Stunde kochen lassen; von der Hitze nehmen und zugedeckt 30 Minuten ruhen lassen.

Die noch warme Zunge aus der Suppe nehmen, kalt abschrecken, vorsichtig schälen und kalt stellen. Die Suppe abseihen und auf die halbe Menge einkochen. Anschließend durch ein feines Sieb seihen und die kalte Butter mit dem Schneebesen einmontieren; beiseite stellen.

Die ausgekühlte Mangalitza-Zunge in kleine Würfel (3 x 3 mm) und den Schnittlauch ebenfalls sehr fein schneiden. Alles kalt stellen. Dann die Mangalitza-Sauce erhitzen und die Zungenwürfel darin erwärmen. Mit Schnittlauch bestreuen und mit Zitronensaft abschmecken.

Adresse
Konstantin Filippou
Dominikanerbastei 17
1010 Wien
T 01/512 22 29
konstantinfilippou.com