Gut Essen braucht Weile

Bei Sven und Felix Strasser laufen die Kochkurse etwas anders ab: Auf ihr Strassergut im Weinviertel muss man Zeit mitbringen. Auf der Agenda steht Slow Food wie Germteig, Gulasch und Consommé. Und es empfiehlt sich, gleich am Anfang die Ärmel aufzukrempeln.


Text von Anna Burghardt · Fotos von Julia Stix
Eine ruhige Kugel schiebt man bei uns nicht.“ Sven Strasser macht mit deutlichen Worten klar, dass die Kochkurse auf dem Strassergut anders funktionieren. „Bei uns ist es nicht so, dass man permanent ein Glas Champagner in der Hand hält, dann vielleicht einmal eine halbe Zwiebel schneidet, aber gleich wieder sagt, au, meine Augen brennen und meine Nerzwimpern fallen ab.“ Ein bisschen Übertreibung hat noch nie geschadet, um ein Konzept zu positionieren. Sven und Felix Strasser bieten Kochkurse mit der geringstmöglichen Teilnehmeranzahl an: für eine Person. Allerhöchstens zwei. „Sonst lernt man ja nichts.“ Ein oder zwei Tage dauern die Kochsessions, teilweise sieht das Konzept vor, dass Freunde zum Essen kommen dürfen. Die Agenda listet Gerichte auf, die vor allem eines brauchen: Zeit. Auf dem Strassergut in Zistersdorf im Weinviertel lernt man, wie man Germteig richtig knetet und wann er ausreichend gegangen ist, man setzt die Zutaten für eine Consommé auf, erfährt, wie man einem Gulasch am nächsten Tag den Feinschliff verpasst. Suppe und Gulasch werden über Nacht kühlgestellt, der Kochkursteilnehmer bettet sich indes im Gästezimmer zur Ruh.
Seit letztem Sommer lebt das Paar in Zistersdorf, hat ein gelbes Haus in Barockoptik gekauft. Ein paar tausend Quadratmeter Garten gehören dazu, hier sollen bald Hühner neben Himbeersträuchern picken, die Hochbeete für diverses Gemüse sind ebenfalls schon vorbereitet. Schwarze Nüsse und Essiggurkerl suhlen sich in großen Gefäßen in ihren Einlegegewässern, sie bekommen hier die Zeit, die sie brauchen. Mehr Zeit wollten auch Felix und Sven Strasser durch den Entschluss, ihr Restaurant Ein Wiener Salon in der Wiener Stubenbastei zu schließen. Die Quereinsteiger führten es gemeinsam – Sven als One-Man-Show in der Küche, Felix im Service – zu diversen Auszeichnungen. Im Dezember hörten sie dort auf, einerseits war der Ehrgeiz belastend geworden, Küchenchef Sven Strasser fragte sich immer, ginge es nicht noch besser, andererseits wollte man selbst das, was man seinen Kochkursschützlingen nicht zugesteht: eine etwas ruhigere Kugel schieben.
Wer einen Kochkurs auf dem Strassergut bucht, hat am besten keine Hundeallergie – Spaniel-Grande-Dame Laura gehört schon ewig zur Familie –, keine Abneigung gegen Sternanis (eine kleine Dosis kommt bei Sven Strasser fast überall hinein) und krempelt am besten gleich am Anfang die Ärmel auf. Hier wird man nämlich gefordert. Je nachdem, was gerade auf dem Lehrplan steht, wird man von Felix oder von Sven Strasser angeleitet. Felix war nämlich schon im Wiener Salon für alles zuständig, was mit Teig zu tun hat – Küchenchef Sven kultiviert gegen Waagen eine herzliche Abneigung.
Für die Consommé werden zu Beginn Markknochen, Schulterscherzel, Ochsenschlepp, Knoblauch und sehr viele Zwiebel angesetzt. Sven Strassers Tipp fürs Teilnehmer-Notizbuch, das man tunlichst ständig parat hat: „Zwiebel sind das bessere Glutamat.“ Ebenso wie Selleriesaat. Wadschinken wird fürs Strasser’sche Gulasch scharf angebraten, im gleichen Fett röste man hernach Zwiebel, Polpa und Tomatenmark und schmort alles samt einem „ordentlichen Stück Speck“ für zunächst zwei Stunden. Die selbst gemörserte Gewürzmischung umfasst Schwarzkümmel, Fenchel, einiges anderes und – natürlich – Sternanis. „Ich verwende Tonnen“, sagt Sven Strasser, „ein Lieferant hat mich einmal gefragt, ob ich den pur esse.“ Das nunmehr gewürzte Gulasch köchelt für weitere fünf Stunden vor sich hin, während es im Kochkurs „Presspasta mit Felix“ heißt. Was nicht sonderlich appetitlich klingt, entpuppt sich nach getaner Arbeit als wirklich herrliche Nudeln. Felix Strasser gibt nämlich Salz in den Teig. „Auch wenn man das angeblich nicht macht.“ Hartweizengrieß wird mit Öl, Wasser, Salz und weißem Pfeffer zu einem festen Nudelteig verarbeitet.
Die rote Kitchen Aid hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel und tanzt bei Betrieb ausgelassen auf dem Tisch herum, „gut, dass ich den so stabil gebaut hab“. Der Teig rastet und ist dann fertig, „wenn er sich wie Kaugummi anfühlt. Die Kitchen Aid bekommt einen Pastaaufsatz verpasst, wohlgeformte Nudeln winden sich langsam auf ein Holzbrett herunter. Sven Strasser hat inzwischen das einzige gemacht, was hier schnell geht: seine tiefrote Express-Pastasauce. Und dann endet die Nudelsession durch Einverleiben. Fixe Essenszeiten gibt es an den Kochkurstagen keine, man verspeist – im neuen Salon –, was gerade fertig wird. Sven Strasser erzählt bei Tisch den neuesten Tratsch aus dem Gewürzhandel (etwa was Red Bull mit Vanillepreisen zu tun hat) oder sinniert über ein Kapuzineräffchen als Haushaltshilfe.
Je nach gebuchtem Kochkurstyp und Absprache stehen als nächstes sauer marinierter Fisch auf dem Programm, Gnocchi, Mohnöl-Eierlikör-Gugelhupf („ein Gugelhupf hat immer was von heiler Welt“) oder Wurzelgemüse, das zu Aperitifsticks eingelegt wird, die man schon aus dem „Wiener Salon“ kennt. Achtung, Sven’scher Tipp, Notizbuch zücken: Trester vom Karottensaftpressen trocknen, würzen, Gemüsesticks darin vor Genuss eintauchen. Gulasch und Consommé in progress sind indes auf minimaler Hitze auf dem Herd, werden immer wieder kontrolliert und kommentiert. Über Nacht wird die gekühlte Suppe eine Schicht Rinderfett absetzen, das auf dem Strassergut für die angeblich weltbesten Braterdäpfel verwendet wird. Rohes Schulterscherzel wird am zweiten Tag mit Wurzelgemüse faschiert und mit Eiweiß verknetet. Damit wird die Suppe geklärt. Spanieldame Laura wird das gebrauchte Klärfleisch bekommen, sie ist in weiser Voraussicht schon ausgelassen, während die Suppe noch köchelt. Die Kläreiweiß-Eiertrennung bedeutet einsamen Dotter, der in ebenfalls weiser Voraussicht schon am ersten Kochkurstag mit Walnussöl zu einer Mayonnaise für Linsen mit Gemüse verarbeitet wird.
Ein zentraler Programmpunkt ist „Germteig mit Felix“. Hier wird besonders deutlich, wie sinnvoll ein solcher Einzelkochkurs ist. Die Theorie des Germteigs kannte man nämlich bisher eh. Nur die schwierige Praxis nicht. Backanekdoten und angewandte Baguettepsychologie („die müssen sich im Rohr vor lauter Hitze schrecken!“) sind auf dem Strassergut übrigens im Preis inbegriffen.

STRASSERgut
2225 Zistersdorf

z.B. Kochkurs Sven: Dauer 12.00 bis 13.00 Uhr
am nächsten Tag:
Consommé mit Grießnockerln, Brot backen, Gnocchi mit Sugo, sauer eingelegtes Gemüse, STRASSERgut Ei, Fisch filetieren, Zubereitung mit Beilage, Hülsenfrüchte, Fleisch oder Geflügel filetieren, Zubereitung mit Gemüse und Beilage, Eiscreme, Eierlikörkuchen zum Mitnehmen.
1 Person 375,– Euro,
2 Personen 615,– Euro
(inkl. Abendessen, Übernachtung, Frühstück, Lunch)
www.strassergut.com

Gut essen braucht Weile

Text von Anna Burghardt · Fotos von Julia Stix

Eine ruhige Kugel schiebt man bei uns nicht.“ Sven Strasser macht mit deutlichen Worten klar, dass die Kochkurse auf dem Strassergut anders funktionieren. „Bei uns ist es nicht so, dass man permanent ein Glas Champagner in der Hand hält, dann vielleicht einmal eine halbe Zwiebel schneidet, aber gleich wieder sagt, au, meine Augen brennen und meine Nerzwimpern fallen ab.“ Ein bisschen Übertreibung hat noch nie geschadet, um ein Konzept zu positionieren. Sven und Felix Strasser bieten Kochkurse mit der geringstmöglichen Teilnehmeranzahl an: für eine Person. Allerhöchstens zwei. „Sonst lernt man ja nichts.“ Ein oder zwei Tage dauern die Kochsessions, teilweise sieht das Konzept vor, dass Freunde zum Essen kommen dürfen. Die Agenda listet Gerichte auf, die vor allem eines brauchen: Zeit. Auf dem Strassergut in Zistersdorf im Weinviertel lernt man, wie man Germteig richtig knetet und wann er ausreichend gegangen ist, man setzt die Zutaten für eine Consommé auf, erfährt, wie man einem Gulasch am nächsten Tag den Feinschliff verpasst. Suppe und Gulasch werden über Nacht kühlgestellt, der Kochkursteilnehmer bettet sich indes im Gästezimmer zur Ruh.

Seit letztem Sommer lebt das Paar in Zistersdorf, hat ein gelbes Haus in Barockoptik gekauft. Ein paar tausend Quadratmeter Garten gehören dazu, hier sollen bald Hühner neben Himbeersträuchern picken, die Hochbeete für diverses Gemüse sind ebenfalls schon vorbereitet. Schwarze Nüsse und Essiggurkerl suhlen sich in großen Gefäßen in ihren Einlegegewässern, sie bekommen hier die Zeit, die sie brauchen. Mehr Zeit wollten auch Felix und Sven Strasser durch den Entschluss, ihr Restaurant Ein Wiener Salon in der Wiener Stubenbastei zu schließen. Die Quereinsteiger führten es gemeinsam – Sven als One-Man-Show in der Küche, Felix im Service – zu diversen Auszeichnungen. Im Dezember hörten sie dort auf, einerseits war der Ehrgeiz belastend geworden, Küchenchef Sven Strasser fragte sich immer, ginge es nicht noch besser, andererseits wollte man selbst das, was man seinen Kochkursschützlingen nicht zugesteht: eine etwas ruhigere Kugel schieben.

Wer einen Kochkurs auf dem Strassergut bucht, hat am besten keine Hundeallergie – Spaniel-Grande-Dame Laura gehört schon ewig zur Familie –, keine Abneigung gegen Sternanis (eine kleine Dosis kommt bei Sven Strasser fast überall hinein) und krempelt am besten gleich am Anfang die Ärmel auf. Hier wird man nämlich gefordert. Je nachdem, was gerade auf dem Lehrplan steht, wird man von Felix oder von Sven Strasser angeleitet. Felix war nämlich schon im Wiener Salon für alles zuständig, was mit Teig zu tun hat – Küchenchef Sven kultiviert gegen Waagen eine herzliche Abneigung.

Für die Consommé werden zu Beginn Markknochen, Schulterscherzel, Ochsenschlepp, Knoblauch und sehr viele Zwiebel angesetzt. Sven Strassers Tipp fürs Teilnehmer-Notizbuch, das man tunlichst ständig parat hat: „Zwiebel sind das bessere Glutamat.“ Ebenso wie Selleriesaat. Wadschinken wird fürs Strasser’sche Gulasch scharf angebraten, im gleichen Fett röste man hernach Zwiebel, Polpa und Tomatenmark und schmort alles samt einem „ordentlichen Stück Speck“ für zunächst zwei Stunden. Die selbst gemörserte Gewürzmischung umfasst Schwarzkümmel, Fenchel, einiges anderes und – natürlich – Sternanis. „Ich verwende Tonnen“, sagt Sven Strasser, „ein Lieferant hat mich einmal gefragt, ob ich den pur esse.“ Das nunmehr gewürzte Gulasch köchelt für weitere fünf Stunden vor sich hin, während es im Kochkurs „Presspasta mit Felix“ heißt. Was nicht sonderlich appetitlich klingt, entpuppt sich nach getaner Arbeit als wirklich herrliche Nudeln. Felix Strasser gibt nämlich Salz in den Teig. „Auch wenn man das angeblich nicht macht.“ Hartweizengrieß wird mit Öl, Wasser, Salz und weißem Pfeffer zu einem festen Nudelteig verarbeitet.

Die rote Kitchen Aid hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel und tanzt bei Betrieb ausgelassen auf dem Tisch herum, „gut, dass ich den so stabil gebaut hab“. Der Teig rastet und ist dann fertig, „wenn er sich wie Kaugummi anfühlt. Die Kitchen Aid bekommt einen Pastaaufsatz verpasst, wohlgeformte Nudeln winden sich langsam auf ein Holzbrett herunter. Sven Strasser hat inzwischen das einzige gemacht, was hier schnell geht: seine tiefrote Express-Pastasauce. Und dann endet die Nudelsession durch Einverleiben. Fixe Essenszeiten gibt es an den Kochkurstagen keine, man verspeist – im neuen Salon –, was gerade fertig wird. Sven Strasser erzählt bei Tisch den neuesten Tratsch aus dem Gewürzhandel (etwa was Red Bull mit Vanillepreisen zu tun hat) oder sinniert über ein Kapuzineräffchen als Haushaltshilfe.

Je nach gebuchtem Kochkurstyp und Absprache stehen als nächstes sauer marinierter Fisch auf dem Programm, Gnocchi, Mohnöl-Eierlikör-Gugelhupf („ein Gugelhupf hat immer was von heiler Welt“) oder Wurzelgemüse, das zu Aperitifsticks eingelegt wird, die man schon aus dem „Wiener Salon“ kennt. Achtung, Sven’scher Tipp, Notizbuch zücken: Trester vom Karottensaftpressen trocknen, würzen, Gemüsesticks darin vor Genuss eintauchen. Gulasch und Consommé in progress sind indes auf minimaler Hitze auf dem Herd, werden immer wieder kontrolliert und kommentiert. Über Nacht wird die gekühlte Suppe eine Schicht Rinderfett absetzen, das auf dem Strassergut für die angeblich weltbesten Braterdäpfel verwendet wird. Rohes Schulterscherzel wird am zweiten Tag mit Wurzelgemüse faschiert und mit Eiweiß verknetet. Damit wird die Suppe geklärt. Spanieldame Laura wird das gebrauchte Klärfleisch bekommen, sie ist in weiser Voraussicht schon ausgelassen, während die Suppe noch köchelt. Die Kläreiweiß-Eiertrennung bedeutet einsamen Dotter, der in ebenfalls weiser Voraussicht schon am ersten Kochkurstag mit Walnussöl zu einer Mayonnaise für Linsen mit Gemüse verarbeitet wird.

Ein zentraler Programmpunkt ist „Germteig mit Felix“. Hier wird besonders deutlich, wie sinnvoll ein solcher Einzelkochkurs ist. Die Theorie des Germteigs kannte man nämlich bisher eh. Nur die schwierige Praxis nicht. Backanekdoten und angewandte Baguettepsychologie („die müssen sich im Rohr vor lauter Hitze schrecken!“) sind auf dem Strassergut übrigens im Preis inbegriffen.