Hot Stuff

Wenn einem der kalte Wind um die Ohren pfeift, die Hände ganz tief in den Manteltaschen stecken, und ganz unten in der Tasche: ein Stanitzel mit heißen Maroni – ein gutes Gefühl!

Text von Andrea Karrer/Illustration von Sarah Eiersholt

Um ehrlich zu sein – der Maroni-Geschmack allein ist ja nicht so sensationell. Ein bisschen nussig, mehlig, manchmal angebrannt oder nicht ganz durch. Aber die Wärme, das Herauskletzeln aus den spröden Schalen – das gehört einfach zu Herbst und Winter wie der G’spritzte zum Sommer.

Kastanien waren schon den alten Römern bekannt und wurden von ihnen auch zu uns gebracht. Karl der Große empfahl 800 n. Chr. in seiner Reichsgüterverordnung den Anbau von Kastanien. Allerdings nicht, um frühmittelalterliche Maronibrater damit zu beschicken, tatsächlich hoffte man, mit dem daraus hergestellten Mehl in Notzeiten ein Surrogat für Getreide zu schaffen.

In Italien wird die Edelkastanie daher heute noch häufig Baum des Brotes – Albero del pane – genannt, denn bis ins 17. Jahrhundert sicherten die Kastanien bei Getreidemissernten das Überleben der Armen. Im Mittelalter und in der Renaissance galten die Maroni dann sowohl als Brot der Armen und Bettlernahrung als auch als „Lustobjekt“. Immerhin zählte die Kästenbräterin – eine Vorläuferin unseres Maronimannes – zu den sogenannten Venuskindern. Darunter verstand man jene Mädchen, die nicht unmittelbar der Prostitution nachgingen, sondern in Wirtshäusern und verrufenen Badstuben ihre Waren feilboten. Kurz gesagt: Maroni wurden an Orten angeboten, wo Genuss und Vergnügen im Vordergrund standen.

Erst im 18. Jahrhundert wurden die Kastanien von den Erdäpfeln verdrängt. Seit 1990 stieg die Nachfrage nach den Maroni wieder, und heute werden sie verstärkt in mediterranen, wärmeren Ländern kultiviert. China, Bolivien und die Türkei haben die größten Anbaugebiete, knapp gefolgt von Italien, dem Hauptlieferanten für Österreich. Auch bei uns werden Edelkastanien angebaut und sind vor allem im südlichen Burgenland sowie in Teilen der Steiermark zu finden.

Rosskastanien sind nicht mit den Edelkastanien verwandt. Und Maroni sind etwas anderes als Edelkastanien. Die Rosskastanien gehören sogar einer ganz anderen Pflanzenfamilie an. Maroni und Edelkastanien hingegen sind verwandt und gehören der gleichen Familie wie Buchen an. Die gewöhnlichen Edelkastanien sind etwas größer und rundlicher als Maroni, nicht so lange haltbar und verschieden im Geschmack. Maroni sind oval oder herzförmig mit flacher Unterseite. Geröstet schmecken sie am besten. Meist fallen sie im September oder Oktober vom Baum, es gibt aber auch spät reifende Sorten, die man im November sammeln muss. Bleiben Maroni vor der Ernte länger am Baum, werden sie als Dauermaronen bezeichnet. Sie sind am längsten haltbar und werden im November per Hand gepflückt.

Da Maroni oft in Weinbaugebieten gedeihen, vereint man die beiden herbstlichen Genüsse gerne: In Südtirol ist das „Törggelen“ (Jausnen) mit Maroni genauso wie das „Keschtenessen“ in der Steiermark ein besonderes Erlebnis.

„Maroni und Edelkastanien können nicht roh verzehrt werden, sie müssen gekocht, gedünstet oder gebraten werden. Nur so wird ihre Stärke aufgeschlossen, sodass die Früchte auch verdaulich werden“, weiß Gerhard Fuchs. Das süße Aroma kommt erst durchs Erhitzen zustande, da die Stärke dabei in Zucker umgewandelt wird. Üblicherweise kommen die essbaren Kastanien bei 180 Grad etwa 30 Minuten lang ins Backrohr. „Weicht man die Früchte vor dem Rösten 20 Minuten in heißem Wasser ein, kann man sie leichter einritzen, und sie bleiben saftiger. Die Schale wird am besten am Bauch waagrecht eingeschnitten, damit sie sich später besser lösen lässt und die Esskastanien im Backrohr nicht „explodieren“. Beim Schälen sollte man die ­innere braune Schale entfernen, da diese bitter schmeckt“, erklärt Fuchs. Seine Kompositionen sind klar und strukturiert aufgebaut, geschmacklich extrem präzise und gleichzeitig komplex. Klassisch, aber nie langweilig.

Das Arme-Leute-Image haben die Maroni inzwischen abgestreift wie ihre rotbraune Schale. Längst sind sie zum Global Player auf dem kulinarischen Sektor aufgestiegen. Sie werden als Creme, Flocken oder Mehl verarbeitet zu Gnocchi, Pasta, Brot, Polenta und Gebäck. Wir Österreicher schätzen die Maroni in Püreeform oder als süßen Kastanienreis, die Schweizer wie auch die Korsen brauen sogar Bier daraus.

Wobei „flüssige“ Maroni in Form einer Schaumsuppe mit weißer Trüffel aromatisiert sogar Einzug in Eckart Witzigmanns Küchenrepertoire gefunden haben. Gekocht oder geröstet sind sie wunderbare Begleiter zu Huhn, Truthahn, Schwein, Wild und Wildgeflügel – als Füllung oder Beilage wie etwa eingelegte beziehungsweise eingekochte Kastanien mit Walnüssen, kleinen Perlzwiebeln und ein wenig Geflügeljus.

Natürlich sind Maroni eine gute Basis für Desserts, ihr Fruchtfleisch ist ja leicht süßlich. Ganz gleich ob als Mousse, Soufflé, Marmelade, Kompott, Vermicelles oder Marron glacés. Weitere süße Highlights sind der Bûche aux marrons – ein Kuchen, der am ersten Weihnachtsfeiertag in Frankreich nicht fehlen darf – und die Mailänder Spezialität Monte bianco mit Schokolade und Schlagobers, eine kalorienreiche Hommage an den ewig weißen Gipfel des Mont Blanc. „Nicht zu vergessen: der Honig aus den Blüten, der in flüssiger wie auch cremiger Form angeboten wird. Er ist der mit Abstand aromatischste Honig. Sein Geschmack ist kräftig-herb mit leicht bittersüßer Note und erinnert an den Geruch der blühenden Edelkastanienbäume. Er eignet sich eher zum Würzen denn zum Süßen und passt hervorragend zu kräftigem Vollkornbrot, Käse, Früchten und Nüssen“, schwärmt Gerhard Fuchs.

Kastaniengnocchi mit Kürbis und Gansleber
Rezept von Gerhard Fuchs, Die Weinbank, Ehrenhausen

Für die Kastaniengnocchi
250 g mehlige Erdäpfel (gekocht, geschält)
250 g Kastanienpüree
20 g flüssige Butter
25 g griffiges Mehl
25 g Kastanienmehl
50 g Stärkemehl
Salz, Muskat
1 Ei
1 Dotter
Mehl zum Ausarbeiten

Zubereitung
Sämtliche Zutaten rasch zu einem glatten Teig verarbeiten. Auf bemehlter Arbeitsfläche zu Rollen formen und mit einer Teigkarte Gnocchi abstechen. In Salzwasser kochen und abschrecken. Probe nicht vergessen! In etwas Butter schwenken und abschmecken.

Für den Kürbis
1 mittelgroßer Hokkaidokürbis
2 Knoblauchzehen
etwas Ingwer
Salz, Muskat, Olivenöl
2 EL Butter
1 EL Semmelbrösel

Zubereitung
Den Kürbis vierteln und entkernen. Einige schöne Spalten schneiden. In einer Pfanne die Butter aufschäumen lassen und die Kürbisspalten zusammen mit den leicht angedrückten Knoblauchzehen weich schmoren. Vor dem Anrichten mit Bröseln bestreuen und abschmecken. Den restlichen Kürbis zusammen mit etwas Ingwer im Dampfkorb oder Dampfgarer weich dämpfen. Zusammen mit etwas Olivenöl zu einem sämigen Püree mixen und gut abschmecken.

Für die Gansleber
4 frische ungestopfte Ganslebern (zugeputzt)
etwas Butter
Salz, Pfeffer

Die Lebern in der Butter schön glasig braten, erst vor dem Servieren würzen.

Anrichten
Jeweils 2 Nockerl Kürbispüree und 2 Stück Kürbis gefällig auf einem Teller anrichten, die Gnocchi locker darum anrichten, zum Schluss die Ganslebern in nicht zu feine Scheiben schneiden, schön drapieren und mit etwas Bratenbutter beträufeln.

Die Weinbank
Hauptstraße 44, 8461 Ehrenhausen an der Weinstraße
www.dieweinbank.at

Der wohl bekannteste und traditionsreichsteHersteller von Marrons glaçés ist Clément Faugier in der Ardèche. Die Maison Faugier stellt seit Ende des 19. Jahrhunderts glasierte Maroni her und beliefert weltweit Delikatessengeschäfte.
www.clementfaugier.fr

Lesbar
Marone / Esskastanie
mandelbaums kleine gourmandise Nr. 3
ISBN 978385476-477-9
Michael Baiculescu