Man nehme … noch ein Kochbuch!

Warum? Um zu erfahren, wie „Entspannt kochen“ geht!

Text von Eva Rossmann · Illustration von Eva Vasari

Bald wird es noch ein Kochbuch geben. Die Nachricht ist ungefähr so überraschend wie dass Schweinsbratl bei den Österreichern ­höher in der Gunst steht als Tofu. Oder dass Trump weitverbreiteten Unsinn twittert. Aber dieses Kochbuch wird ganz anders. Weil … weil es nämlich von uns ist. Also von Manfred Buchinger, meinem Küchenlehrmeister, und mir. Okay, es soll auch Kochbücher von Schlagersängern, Moderatorinnen, Holzfällern und Astronautinnen geben. Autorinnen ­schreiben immer wieder welche, weil sie offenbar sowieso am Schreiben sind. Und die von Köchen sind ohnehin fast nicht mehr zu zählen. Es gibt ausführliche und komplizierte, prunkvoll-eitle und praktische, nordische, italienische und welche aus Bhutan.

Unseres ist österreichisch. Nun gut, auch gerade kein Alleinstellungsmerkmal. Warum also ein Kochbuch? Noch ein Kochbuch? Das habe ich mich in den letzten Monaten häufiger gefragt. Zum Beispiel, als ich, wie jedes Jahr, auf der Frankfurter Buchmesse war. Keine Chance, sich auch nur einen Überblick zu verschaffen. Lächelnde Südkoreanerinnen locken einen zum Stand mit bunten Büchern, die Deutschsprachigen den fernöstlichen Geschmack näherbringen sollen. Ein Autorenkollege, der ohnehin zur Melancholie neigt, flüstert mir bei einem Glas Wein im Österreich-Kaffee zu, dass es angesichts der Masse an Veröffentlichungen doch ­lächerlich sei, zu schreiben. Vielleicht noch am ehesten ein Kochbuch, aber Lyrik? Oder einen Roman? Ich gestehe ihm, tatsächlich an einem Kochbuch dran zu sein. Er sieht mich an, als hätte ich mich soeben in eine ­Kröte verwandelt. „Ein Kochbuch, wirklich?“ Hätte ich gestanden, mit Gabalier ein Duett zu singen, seine Abscheu hätte nicht größer sein können. Literaten tun so etwas nicht, aber ich schreibe ja ohnehin in erster Linie ­Krimis. Und bin in zweiter Linie Köchin. Das leuchtet ihm dann ein, und er setzt dazu: „Es ist wegen des Geldes, oder?“

Man kann darauf hoffen, aber ob das hilft? Am besten wir halten uns an das Motto unseres zukünftigen Werks: „Entspannt kochen“. Wir ­haben unsere österreichischen Lieblingsrezepte zusammengesucht, und ich war wild entschlossen, auch das Kochbuchschreiben wirklich entspannt anzugehen. Egal, was Literaten sagen. Egal, dass es bereits, man kann es nicht leugnen, richtig gute Kochbücher gibt. Auch über die Facetten österreichischer Küche. Der Verlag glaubt an uns. Und Anfang des Jahres ist die Alte Schule sowieso in großer Pause.
Also haben wir mit den beiden Elisabeths, dankenswerterweise eher Verlags-Musen als -Dompteusen, und Thomas, dem besten der guten Food-Fotografen, vereinbart, im März die Rezepte zu fotografieren. Nur dass es etwas kalt war. Weil es üblicherweise nicht notwendig ist, die ­Alte Schule in ihrer Pause zu heizen. Und das Öl aus war. Und dann zwar das Öl gekommen ist, aber irgendein Wasserhahn im System offenblieb, woraufhin die Ölheizung total ihren Geist aufgegeben hat.

„Wenn’s kalt ist, arbeiten wir wenigstens schneller“, hat Manfred, unser Optimist, gemeint. Und „ganztägig warme Küche“ gibt’s bei uns dann, wenn der Herd in Betrieb ist. Also ist, wer immer in der Früh der oder die Erste war, über eine Unzahl an wunderbaren Requi­siten von Miriam, vorbei an Aufbauten für Fotos und geheimnisvollen Schirmen, die Licht oder auch kein Licht schaffen sollen, in die Küche gestolpert, um die Herdplatten aufzudrehen. Zum Glück kochen wir noch immer mit Gas, da geht etwas weiter.

Es gab auch einen Plan, der allerdings durch Manfred geradezu genial vereinfacht wurde: Wir kochen einfach, bis wir alle Rezepte gekocht haben. Nur dass Spargel im März nicht nur nahe am Fake, sondern auch schwer zu kriegen war. Also aufs Wetter und Inci hoffen, die hat dank genialer Doppel-Folientunnel immer den allerersten Spargel, und die Spargelfotos bis ganz zum Schluss verschieben.

Eine unserer Elisabeths, kompetent, umsichtig, geduldig, hatte im Arbeitsblatt mit den Rezepten angemerkt: „Zu viele Spargelgerichte?“ Aber wir mögen Spargel. Und wir glauben daran, dass er rechtzeitig kommt. Wurstkrapferl zuzubereiten ist kein Problem. Und trotzdem brachten sie uns an den Rand der ersten Krise. Ich Idiotin hatte angemerkt, dass es neben den klassischen Wurstkrapferln mit Knacker oder Extrawurst auch sehr spannende Varianten mit Gemüse gäbe. Zum Beispiel mit Zucchini. Die sind immer verfügbar, und ­Puristinnen, die nach dem Buch hoffentlich zu Hauf ­kochen werden, können ja auf die Saison warten. Nur dass ich nach einem längeren Telefonat auf einen interessanten Teller geblickt habe: Wurstkrapferl in mindestens fünf Gemüse-Varianten. „Das war nicht ausgemacht“, habe ich, vielleicht etwas ungehaltener als es dem Motto unseres Buches entsprechen würde, gesagt.

„DU wolltest doch welche mit Gemüse, jetzt sind dir die auch nicht recht?“ war die auch nicht eben entspannte Antwort. „Die sind super“, versuchte Thomas zu schlichten. Aber es dauerte noch eine geraume Weile, bis ich die neue Version unseres Gerichts in den Laptop gehackt hatte. Wobei: Genaue Rezepte zu schreiben ging sich zwischen Kochen, Fotografieren und dem Vorbereiten für das nächste Gericht ohnehin nicht aus. Aber zumindest Notizen wollte ich mir zu allem machen. Auch was die Mengenverhältnisse angeht. Weil wer von uns wiegt und misst, wenn er Mayonnaise oder Eiernockerl zubereitet? Aber so ein Kochbuch ist kein literarisches Werk, nicht Fiktion, sondern Fakten sollen die Menschen erfreuen, wenn sie es lesen. Rezept kommt schließlich vom lateinischen recipe und bedeutet „nimm“. Im Mittelalter stand es am Beginn von Anweisungen für die Zusammenstellung von Arzneimitteln. Und bis heute gilt: Was man nehmen soll, muss stimmen. Gschichtln wie dieses sollen quasi eine Beilage im Buch sein, selbstverständlich sind sie trotzdem ebenso wahr. „Zur Erbauung“ hätte das früher geheißen.

Um die Jahrhundertwende bis tief in die Sechzigerjahre hinein hatten die meisten der Alltagskochbücher ja neben den Rezepten auch eine moralische Botschaft. Vor allem Vorworte wiesen häufig darauf hin, wie wichtig und löblich es sei, dass sich die Frau ausschließlich dem Haushalt und der Familie widme. Und dass sie mit ­guter Küche und sauberem Haus ihren treusorgenden Gatten verwöhnen und ihren Kindern weiblichen Geschlechts ein gutes Vorbild sein könne.

Wir waren uns mit dem Verlag einig: Unser Kochbuch soll ohne Klischeesauskommen, auch ohne Heimattümelei, ­niemand braucht im Dirndl durch einen Kräutergarten zu hopsen, unsere Botschaft ist modern, offen, eben … entspannt.

Wobei das mit dem „entspannt“ in der Produktion eben nicht immer ganz einfach war. Zum Beispiel, wenn Manfred eine geniale Eingabe hatte und plötzlich unbedingt ein Carpaccio kreieren musste. Und mein Einwand, dass ein Carpaccio weder österreichisch sei noch im Plan stehe, natürlich abprallte. Denn erstens war ja Venedig einmal bei Österreich, zweitens hat er gerade das richtige Fleisch dafür, und man muss herzeigen, dass Carpaccio nichts mit den durchsichtigen vorgefrorenen, nach nichts schmeckenden Fleischscheibchen zu tun hat, sondern mit dem berühmten Renaissance-Maler Vittore Carpaccio, der gerade in Venedig eine große Ausstellung hatte, als Giuseppe ­Cipriani verzweifelt ein Gericht für eine Stammkundin ­gesucht hat und dann von dessen Rindfleisch-Farben, Rot, Rotbraun und Weiß, inspiriert wurde.

Außerdem kann man in der Zwischenzeit ja Thomas zuhören. ­Seine Geschichten aus den Tiefen des Waldviertels, dicht neben dem Heizstrahler, der einzigen Wärmequelle, erzählt, waren beinahe so abenteuerlich wie welche am Lagerfeuer.

Und was für ein Gefühl, als wir „durch“ waren: alles fotografiert, von früh – das heißt bei uns so ab elf, da waren wir uns mit Thomas einig, es war sozusagen wegen des Lichts – bis spät. Und wie schön, die ersten Fotos zu sehen: Hab das wirklich ich gekocht, das da schlicht und edel, nahezu elegant, in Szene gesetzt ist?

Natürlich gab es noch viel zu tun. Die Rezepte waren genau niederzuschreiben. Zwischentexte zu formulieren. Und ohne gute Grafik kann man auch das großartigste Kochbuch vergessen, gar nicht zu reden von intelligenter Systematik und natürlich der Werbung, die längst anlaufen muss, bevor das Ganze fertig ist. Weil Verlagsvorschauen eben gut ein halbes Jahr VOR den Büchern kommen. Damit die Buchhändlerinnen entscheiden können, was sie einkaufen. Daher: Wir brauchen rechtzeitig ein Cover. Einsichtig, eben ganz Profi, hatte ich den Superprofis im Verlag erklärt, mich an ihre Auswahl zu halten. Sie seien die Expertinnen und hätten auch den nötigen Abstand. Die Köche, die bei so etwas dreinreden, überschätzten sich.

Und dann: ein Titelfoto, auf dem ich mir vorkam wie die Hexe, die durch den Vorhang aus dem Häuschen guckt. Statt irgendwelcher Lebkuchen ein Schweinsbratl in der Hand. Und neben mir Manfred, der Hexerich. Der Schreck aller Vegetarierinnen, das zumindest. Der Rest unserer Verlagswelt fand das Bild super. Wir bitten die österreichische Küche vor den Vorhang, es hat Dynamik und es ist … anders. Dann habe ich mich daran gewöhnt und mir fest vorgenommen, dass ich demnächst aber wirklich zum Zahnarzt gehe. Inzwischen finde ich es ganz witzig, man kann ja auch damit ­angeben, dass man nicht eitel ist. Und es geht ohnehin um etwas anderes.

Zum Beispiel darum, was genau in den Rezepten steht. Die dicken Enden des Strudelteigs abschneiden. „Schreib dazu, dass daraus eine Suppeneinlage gemacht wird, in Ungarn kommt sie in die Gulaschsuppe“, rät Manfred. Wohin soll ich das schreiben? Zum Apfelstrudel? Zur Gulaschsuppe, die wir nicht im Buch haben? Zum Gulasch, als Apropos? „Egal, aber schreib es rein, das ist interessant.“ Und weg war Manfred wieder. Inzwischen hat die Alte Schule ja wieder geöffnet. Und es ist warm. Das sind die guten Nachrichten. Die schlechte: Es ist Abgabeschluss, und die Zeit rennt. Nur nicht streiten, auch das kostet Zeit, immer entspannt bleiben. Nicht nur beim Kochen.

„Zur Sachertorte muss Schlagobers, schreib das“, kommt es vom Küchenmeister. „Ich hasse Schlagobers zur Sachertorte.“ – „Aber eine Sachertorte ohne Schlagobers gibt’s nicht, frag den ehemaligen Küchenchef im Sacher.“ – „Deine Sachertorte ist ,unoriginal‘ und viel saftiger, die braucht kein Schlagobers.“ – „Geht irgendwas, ohne dass du mir widersprichst???“ Ich glaube, ich kenne den einzigen Menschen, mit dem man sich (auch) über Schlagobers streiten kann.

Aber an Krisen reift man bekanntlich. Wobei gereiftes Schlagobers einfach sauer, gereifter Käse allerdings erst richtig gut wird. Jedenfalls haben wir fix vor, den Rest tatsächlich total entspannt zu sehen. Ach ja, und falls Sie es noch nicht wissen sollten: Auf UNSER Kochbuch haben Sie schon lange gewartet.

Eva Rossmann war Journalistin, ehe sie mit den Mira-Valensky-Krimis zur Bestseller­autorin wurde. Daneben arbeitet sie als Köchin in Manfred Buchingers Gasthaus Zur Alten Schule.