Pfirsich Melba – Der König und die Primadonna

Einen Pfirsich statt roter Rosen schenkte Auguste Escoffier, der unbestrittene „König der Kochkunst“ und Begründer der Grande Cuisine der australischen Primadonna Nellie Melba, die ihn mit ihrer hellen, „goldenen“ Sopranstimme zutiefst bewegt hatte.

Pfirsich Melba – Der König und die Primadonna

Text von Andrea Karrer Illustration: Peter Jani

Natürlich war der Pfirsich nicht irgendein Pfirsich, sondern eine Kreation, die noch heute den Namen der Sängerin trägt: Pfirsich Melba. Die Diva war sehr stolz, Escoffier dazu inspiriert zu haben.

Der Hintergrund: Im 19. Jahrhundert zählte es zu den erstrebenswertesten Dingen unter den Adeligen und Reichen, wenn eine Beilage, eine Zubereitungsform oder gar ein ganzes Gericht ihren Namen trug. Auguste Escoffier, der geniale Koch und Gastronom, bediente diese Eitel-keiten bis zum Exzess. Kein Stammgast, dem nicht eine Rezeptur gewidmet wurde und dessen Name womöglich noch heute auf diese Weise bekannt ist. – Kreatives Marketing, wie es auch dieser Tage funktionieren würde.

Escoffier komponierte für viele prominente Damen seiner Zeit Desserts, zum Beispiel Fraises Sarah Bernhardt (Erdbeeren mit Eis und Ananaspüree), Poires Mary Garden (pochierte Birnen mit Himbeerpüree und Sahne) oder Coup Emma Calvé (pochierte Kirschen auf Eis mit Himbeerpüree). Aber keine dieser Kreationen hat es zu solch internationalem Ruhm gebracht wie Pfirsich Melba.

Vielleicht auch deshalb, weil keine der Geehrten um ihren Nachtisch einen ähnlichen „Bohei“ gemacht hat wie die gute Melba?

Aber wie kam nun die Melba zu ihrem Pfirsich? Oft wird kolportiert, Escoffier habe das Dessert 1892 erfunden, als Nellie im Covent Garden die Elsa in Wagners Lohengrin sang und dieses Dessert bei einer Dinnerparty zu ihren Ehren präsentiert. Aber – das stimmt so nicht. „Der König der Köche und Koch der Könige“ kreierte tatsächlich zu diesem Anlass einen Nachtisch für sie, nämlich pochierte Pfirsiche auf Vanilleeis, bedeckt mit einem Schleier aus gesponnenem Zucker, serviert in einem Silberbecher, der zwischen den Flügeln eines aus Eis geschnitzten Schwans stand. Dieses Dessert war aber noch nicht Pfirsich Melba, er nannte es auch nicht so.

Der Meisterkoch erzählt die Geschichte ganz anders: Bei der Eröffnung des Hotels Ritz in Paris habe Madame Melba ihn um das Rezept für ihr Lieblingsdessert Pêche Cardinal gebeten: pochierte Pfirsiche mit Himbeerpüree, ein Klassiker der französischen Küche. Er habe es für sie aufgeschrieben und dabei sei ihm die Idee zu Pfirsich Melba gekommen – also Pêche Cardinal mit Vanilleeis. Das war 1898. Serviert habe er es dann zum ersten Mal ein Jahr später zur Eröffnung des Hotels Carlton in London. Das war im Juli, und da gab es auch sicher reife Pfirsiche.

Die Sängerin Nellie Melba ist fast vergessen, das Dessert aber, dem sie ihren Namen gab, ist bis heute ein Genuss.

Escoffiers Rezept für Pfirsich Melba in seinem Guide Culinaire edition (1922) ist sehr kurz und schlicht gehalten: Man schält die Pfirsiche und pochiert sie in Vanillesirup. Dann in eine Silberschale auf ein Bett aus Vanilleeis legen und mit Himbeerpüree nappieren (überziehen).

Bei Eugen Pauli (A. Escoffier, Handgeschriebenes Rezept) findet sich ein Faksimileabdruck eines von Auguste Escoffier handgeschriebenen Rezeptes mit folgender Übersetzung:

„Reife, weiche Pfirsiche mit weißem Fleisch einige Sekunden in kochendes Wasser geben; sofort in eisgekühltes Wasser legen und schälen. Die Pfirsiche auf eine mit Zucker bestäubte Platte setzen und kühl halten. Sollten die Pfirsiche noch nicht genügend reif sein, so gebe man sie in eine flache Kasserole oder eine Kupferpfanne, bedecke sie mit einem leichten Sirup, pochiere sie während einiger Minuten und lasse sie im Sirup erkalten. Die Pfirsiche auf einer Lage besten Vanilleeises anrichten und mit einem gezuckerten Himbeerpüree überziehen. Nach Belieben (facultativement) einige frische, geschnittene Mandeln beifügen, jedoch niemals getrocknete verwenden. Die Pfirsich Melba weist absolut keine Dekoration auf, vor allem keine Schlagsahne. Eine einfache Süßspeise, jedoch vorzüglich und leicht zu servieren.“

Mein Rezept ist eine etwas modernisierte Version:

Pfirsich Melba

Zutaten für 4 Portionen

4 reife weiße Pfirsiche

Läuterzucker 
300 g
Himbeeren (evtl. TK)

1–2 EL Staubzucker

2 cl Kirschwasser

Vanilleeis

Frische, grob gehackte Mandeln, nach Belieben


Die Pfirsiche kurz in heißem Wasser blanchieren, behutsam die Haut mit Hilfe eines kleinen spitzen Messers abziehen. Pfirsiche in Läuterzucker legen und zugedeckt darin etwa 5 Minuten pochieren. Von der Hitze nehmen und im Läuterzucker vollständig auskühlen lassen. Himbeeren eventuell auftauen lassen. Inzwischen Himbeeren mit Staubzucker sowie Kirschwasser pürieren. Püree durch ein Sieb streichen. Vanilleeis auf vier Dessertgläser (oder Silber-Dessertschalen) verteilen. Die Pfirsiche behutsam mit einem Lochschöpfer aus dem Sirup heben, gut abtropfen lassen, vorsichtig entkernen*. Die ganzen Pfirsiche auf das Eis geben und mit Himbeersauce überziehen. Eventuell mit frischen, grob gehackten Mandeln garnieren. 



Vanilleeis

Zutaten für 8 Portionen

¾ l Milch

1 Vanilleschote

300 g Zucker

8 Dotter


Milch mit längs aufgeschnittener Vanilleschote etwa 5 Minuten bei geringer Hitze ziehen lassen. Anschließend Vanilleschote entfernen. Inzwischen Zucker mit Dotter dickcremig hell rühren. Milch unter ständigem Rühren langsam in diesen Eischaum gießen, wieder in denTopf gießen und bei geringer Hitze ­– unter ständigem Rühren (!) – nach und nach erhitzen. Nicht kochen, sondern dickcremig werden lassen („zur Rose abziehen“). Von der Hitze nehmen und eventuell durch ein Sieb passieren. Unter Rühren (eventuell über Eiswasser) abkühlen. Anschließend Masse 30 Minuten in der Eismaschine cremig gefrieren lassen.

Läuterzucker

Wasser und Zucker im Verhältnis 1:1 aufkochen und kalt stellen. Hinweis: Läuterzucker ist gut verschlossen im Kühlschrank einige Wochen haltbar.

* Erfordert etwas handwerkliches Geschick – einfacher ist es, die geschälten Pfirsiche schon vor dem Pochieren in Läuterzucker zu halbieren und zu entkernen.