Nicht die Bohne

Hülsenfrüchte ernähren die Welt. Es ist schon recht seltsam, dass sie in den „reichen Ländern“ ziemlich ignoriert werden.

Foto von / Illustration von Kerstin Luttenfeldner
Text von Andrea Karrer

Weltweit werden jährlich über 150 Millionen Hülsenfrüchte angebaut, ein Großteil davon in Hausgärten und bäuerlichen Kleinbetrieben. Neben als Ölfrucht industriell genutzten Sojabohnen und Erdnüssen spielen Bohnen weltweit die Hauptrolle. Bezeichnenderweise ist diese Hülsenfrucht in den drei Kontinenten Afrika,Asien und Südamerika der wichtigste Eiweißlieferant für die arme Landbevölkerung. Und für rund 600 Millionen mehr oder weniger ­vegetarisch lebende Inder sind Dal, so die Bezeichnung für Hülsenfrüchte auf Hindi, als Grundnahrungsmittel absolut unentbehrlich.

Neben Erbsen sind es hauptsächlich die vielen Linsen- und Bohnensorten, die den Menschen dieses Riesenlandes das dringend benötigte Protein liefern, weil sie aus religiösen Gründen oft weder Fleisch, Fisch, Eier noch Milchprodukte zu sich nehmen. Zusammen mit Reis oder Weizenbrotfladen gegessen, bieten die meist scharf gewürzten Bohnencurrys eine aus ernährungswissenschaftlicher Sicht absolut ideale Nährstoffkombination aus hochwertigem Protein, vielen Kohlenhydraten in Form von Stärke und einem hohen Gehalt an Ballaststoffen. Die indische, aber auch südamerikanische Zubereitung mit ­einer Vielzahl von Gewürzen ist nicht nur kulinarisch vorbildlich, sondern hilft auch dem Körper, mit der sonst als schwer verdaulich bekannten ­Nebenwirkung fertigzuwerden. In Frankreich werden die Begleitgeräusche des Bohnengenusses elegant mit Piano des pauvres, Klavier der Armen, umschrieben. Gewürze locken nämlich zusätzliche Verdauungssäfte und mildern auf diese Weise die unangenehmen Folgen wie Blähungen und Unpässlichkeiten, falls man – wie in Indien, Südamerika und Teilen Afrikas üblich – große Mengen an Bohnen oder Linsen isst.

Die indische Küche kennt ebenso wie die europäische eine zweite Methode, die unerwünschten Nebenwirkungen zu mildern: Man verwendet sie geschält. Nach dem Entfernen der harten, ballaststoffreichen Schale zerfallen die stärkereichen Bohnen beim Kochen sehr schnell und haben meist auch ein weniger ausgeprägtes Aroma, weil die Geschmacksstoffe hauptsächlich in der Schale sitzen; doch sind sie dann erheblich leichter verdaulich.

Von ihrem kulinarischen Potenzial zeugen internationale Klassiker wie der französische Eintopf Cassoulet, mexikanisches Chili con carne oder die italienische Suppe Ribollita. In Österreich fristete die Bohne in den letzten Jahrzehnten dagegen eher ein Nischendasein. Sie galt als Armeleuteessen, preisgünstig, schnell ­sättigend und schwer verdaulich. Jetzt wird die Hülsenfrucht als ideale Ergänzung zu einer fleischarmen Kost wiederentdeckt.

„Begonnen hat alles mit einer Handvoll Bohnen, deren Musterung und Form begeistert haben, und einem Aufruf im Dorf. Denn schnell war die Idee geboren, die alten Bohnensorten im Dorf zu sammeln, um sie vor dem Vergessen zu bewahren“, erzählt Roland Pöttschacher. So startete die Initiative Ponzichter in Loipersbach.

Die Ponzichter (von Bohnenzüchter) waren die deutschsprachigen Bauern im königlich-­ungarischen Ödenburg (dem heutigen Sopron). Sie pflanzten ihre Bohnen nicht nur in den Haus- und Bauerngärten zur Selbstversorgung, sondern auch zwischen den Rebzeilen. War das Weinjahr ein schlechtes, hatten sie zumindest noch die genüg­samen Bohnen, die zudem den Boden mit Stickstoff anreichern, was wieder dem Wein guttut. Die Büsche wurden zwischen den Weinstöcken angebaut und bereits kurz nach der Sommersonnenwende abgeerntet. Die ganze Pflanze wurde abgeschnitten und verkehrt herum zum Trocknen an die Weinstöcke gehängt. Einmal getrocknet, wurden die Schoten gepflückt, in Leinensäcke gepackt und die Bohnen gedroschen. In Säcken oder auch Tüchern und zum Schutz vor Mäusen aufgehängt, hielten sie sich so leicht mehrere Jahre.

Heute werden im Burgenland vor allem Käferbohnen angebaut, einst war die Vielfalt aber viel größer. Die Ponzichter-Initiative nimmt sich dem alten Saatgut und seiner Geschichte wieder an. Weltweit sind über 700 Bohnensorten bekannt, die in allen farblichen Schattierungen zwischen Weiß und Tiefschwarz, von Rosa über Violett und Braun bis gesprenkelt und gemustert erscheinen.

An die hundert Sorten, darunter ein gutes Dutzend, das speziell in der Region angebaut wird, hat Roland Pöttschacher bereits gesammelt. Darunter auch alte, fast verschwundene Varianten wie die Rindsuppenbohne (soll Suppen eine schöne Farbe und kräftigen Geschmack verliehen haben, der an Rindsuppe erinnert) oder die Heanzbohne. Sein Ziel ist, aus seinem Sortengarten einen Lehrgarten zu machen, in dem die Vielfalt der Bohne weitergegeben wird.

Wo Roland Pöttschacher die Grundlagen legt, arbeitet Harald Strassner aus Pöttsching weiter. Er sucht nach Sorten, die sich auch für die Bearbeitung mit Maschinen eignen, denn er sieht ebenfalls ein Zukunftspotenzial in der Bohne. Dabei experimentiert er gerne mit Sorten und bevorzugt regionaltypische, die an unser Klima gut angepasst sind. Sein Ziel ist, Mengen zu produzieren, mit ­denen man Handel und Gastronomie beliefern kann. Um im größeren Stil anbauen und ernten zu können, hat er nun eine eigene Erntemaschine für die Buschbohnen gekauft.

Mit der Garten- und Kräuterexpertin Uschi Zezelitsch haben Strasser und Pöttschacher den Verein Bohna Vista – local hub gegründet. „Der Verein will die Bohne wieder vor den Vorhang holen, als innovatives Lebensmittel präsentieren und Menschen aller Generationen und über die Landesgrenzen ­hinaus ob der bescheidenen Hülsenfrucht und deren universellem Einsatz zum Staunen bringen. Apropos Einsatz: Wer auf die Verpackung von getrockneten Linsen, Erbsen, Kichererbsen oder Bohnen schaut, findet darauf meist die Empfehlung: „Salz erst nach Ende der Garzeit zufügen, da sich sonst die Kochzeit erheblich verlängern kann.“ „Es handelt sich bei der vermeintlichen Küchenweisheit um einen Mythos. Denn gesalzenes Kochwasser verlangsamt nicht die Garzeit, sondern beschleunigt sie sogar. Salz hilft beim Kochvorgang, die Zellstrukturen aufzulockern, das Wasser kann besser eindringen, und die Bohnen werden so schneller weich“, weiß Sternekoch Konstantin Fi­lippou.

Laut Max-Planck-Institut für Polymerforschung in München hilft das Salz im Kochwasser dabei, die aus Pektinketten bestehenden Schalen der Hülsenfrüchte zu knacken. So werden sie durchlässiger für Wasser und schmecken aromatischer, wenn schon beim Kochen ein wenig Salz eindringen kann. „Säurehaltige Lebensmittel wie Essig, Zitrone oder Tomaten beispielsweise sollten Sie hingegen wirklich nicht von Anfang an mit in den Topf geben, da sie die Schalen verhärten“, erklärt Filippou weiter und fährt fort: „Was die Garzeit der Hülsenfrüchte jedoch tatsächlich erheblich verlangsamt, ist hartes Wasser. Denn kalkhaltiges Wasser verlängert die Kochzeit von Bohnen wirklich. Doch auch hier gibt es Tipps vom Sternekoch: Geben Sie eine Prise Natron ins Kochwasser. Das verhindert das Einlagern von Calcium, und die Hülsenfrüchte werden trotz kalk­haltigem Wasser weich. Man kann auch calciumarmes Mineralwasser zum Kochen der Bohnen verwenden oder das ­Leitungswasser filtern.“

Mama Konstantina heißt nicht nur das neue Herzensprojekt des Sternekochs, wo er sich auf die einfache ­griechische Küche zurückbesinnt. Mama Konstantina heißt auch jene Frau, die diese Gerichte inspiriert hat. Die Olivenbäuerin lebt in Filiatra am Peloponnes, Konstantin Filippous Vater stammt aus dem Nachbarort. Die Familien verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. Mama Konstantinas Art zu kochen und damit den Liebsten ihre Zuneigung zu zeigen, spiegelt sich in Filippous bodenständigen Gerichten wieder, wie der Fasolada, der typisch griechischen Bohnensuppe. —


Mama Konstantina
Döblinger Hauptstraße 17
1190 Wien
T 01/438 00 95
mamakonstantina.com

Bohna Vista – local hub
lupold.at/bohna-vista-local-hub

Fasolada
Rezept von Konstantin Filippou

Zutaten für 4–6 Portionen
300 g weiße Riesenbohnen
150 g Zwiebeln
25 g Knoblauch
50 g Olivenöl nativ extra
125 g Tomatenmark
2,5 l Wasser
25 g Salz
1 Prise Pfeffer
2 Lorbeerblätter
100 g Karotten
100 g gelbe Rüben
100 g Sellerie
2 g Oregano, fein gehackt
1 g Bohnenkraut, fein gehackt
80 g Lauch, gewaschen,
geputzt und kleinwürfelig
geschnitten
Saft von ½ Zitrone

Zubereitung
Weiße Bohnen in ausreichend kaltem Wasser für 24 Stunden einweichen lassen. Zwiebeln schälen und in feine Würfel schneiden. In einem Topf Olivenöl erhitzen und die Zwiebeln darin goldbraun rösten. Knoblauch schälen, fein hacken und kurz mitrösten. Tomatenmark hinzufügen und kurz mitrösten, danach mit Wasser aufgießen und aufkochen lassen. Salz, Pfeffer und Lorbeerblätter beifügen. Anschließend die eingeweichten Bohnen hinzufügen und bei geringer Hitze etwa 60 Minuten köcheln lassen.

In der Zwischenzeit das Wurzelgemüse schälen und in 1 cm große Würfel schneiden. Nach der Kochzeit das würfelig geschnittene Gemüse sowie Oregano und Bohnenkraut hinzu-fügen und bei geringer Hitze weitere 15 Minuten kochen lassen. Abschmecken mit Salz und Zitronensaft.