Salad Nicoise

Ob in den Luxusherbergen der Cote d’Azur oder in den kleinen Hafenkneipen zwischen Menton und Cannes: Der Salade niçoise fehlt auf keiner Speisekarte.

Text von Andrea Karrer · Illustration von Peter Jani

Und eigentlich dachte ich, über den Salade niçoise gäbe es gar nicht so viel zu erzählen, doch schon nach kurzer Recherche wurde mir klar, seine Zusammenstellung ist selbst unter Kennern ein äußerst heikles und beliebtes Streitthema.

Viele Nizzaer sehen in dem Salat eine Spezialität ihrer Stadt und haben eine sehr präzise Meinung dazu, was hinein gehört und was nicht. „Welche Verbrechen werden an diesem reinen und frischen Salat begangen, der auf Tomatenbasis zubereitet wird und außer den Eiern ausschließlich rohe Zutaten enthält; der ohne Essig angemacht wird, dessen Tomaten dreimal gesalzen und mit einem Schuss Olivenöl übergossen werden! Ich bitte inständig alle diejenigen, die den Ruf der einheimischen Küche wahren wollen, niemals auch nur die geringste Menge gekochtes Gemüse oder eine Kartoffel in den Nizza-Salat zu geben“, fordert der langjährige Bürgermeisters von Nizza Jacques Médesin („Cuisine niçoise: Recipes from a Mediterranean Kitchen“).Das „Lexikon der Küche“ von Richard Hering, Wien 1927, gibt als Bestandteile von Salade niçoise Kartoffeln, grüne Bohnen, Tomaten, Oliven, Kapern und Sardellenfilets an. Katinka Mostar vermengt in „Salat, das ganze Jahr Salat“, München 1971, für Nizza-Salat einen halben in Stücke gerissenen Kopf- oder Endiviensalat mit reichlich französischer Salatsauce, geviertelten Artischockenböden oder eingelegten Artischockenherzen, Tomaten, schwarzen Oliven und Sardellenfilets mit Kapern.Dass ein und dasselbe Gericht unterschiedlich interpretiert wird, belegt eine gewisse Freiheit bei der Herstellung. Tatsächlich fehlt ein verbindliches Standardrezept für diesen Salatklassiker.Eines der ältesten bekannten Rezepte stammt von Auguste Escoffier. In seinem 1903 erschienenen „Kochkunstführer“ beschreibt er einen Salade niçoise im Telegrammstil so: „Zu gleichen Teilen grüne Bohnen und Kartoffeln in Würfel geschnitten und kleine geviertelte Tomaten. Zum Garnieren Kapern, Oliven und Sardellenfilets. Mit Essig und Öl anmachen.“ Eine „garniture à la niçoise“, die Sardellen und Tomaten beinhaltet, ist in der klassischen französischen Küche jedenfalls laut Wikipedia schon seit 1884 bekannt.

Nizza-Salat ohne Thunfisch? Klingt merkwürdig, ist aber durchaus logisch. Im Gegensatz zur Küste vor Marseille war das Meer bei Nizza relativ fischarm, nur Sardellen und Sardinen gab es reichlich.Etlichen modernen Rezepten wird Thunfisch beigemischt, in Olivenöl eingelegt aus dem Glas oder der Dose, was von Puristen als Sakrileg empfunden wird. Wenn schon Thun, sagen sie, dann bitte als Filet frisch auf jeder Seite kurz angebraten (eine Minute reicht), danach in Tranchen geschnitten und quer über den angerichteten Salat gelegt. Alternativ wird der Thunfisch für etwa eine Stunde im Kühlschrank in einer Vinaigrette eingelegt und noch roh „à la Sashimi“ dem Salat beigesellt.Ob jetzt mit oder ohne gekochtem Gemüse, ob mit Tunfisch oder Sardellen, ob mit oder ohne Kapern: Ist es auch denkbar, dass der Salat gar nicht in Nizza, sondern von irgendeinem Koch – womöglich sogar in Paris – erfunden wurde..?Monsieur Maudet, Küchenchef des Bistro Beaulieu im Wiener Palais Ferstel: Für einen traditionellen Salade niçoise einen Zutatenmix aus Tomaten, blanchierten grünen Bohnen, hart gekochten Eiern sowie kleinen schwarzen und grünen Oliven (mit Kern) 
entnehmen, angemacht mit gutem (eher grasigem) Olivenöl und Balsamico, garniert mit Sardellenfilets , gewürzt mit Dijonsenf, Salz und Pfeffer sowie einem Hauch von Knoblauch. Der Salat kann mit Salatherzen (saisonal Löwenzahn, Wiesenkräuter…), Gurken, Kartoffeln, Paprikaschoten, Artischockenherzen und roten Zwiebeln angereichert werden. Der Thunfisch wird à part zum Salat gereicht – eine gute Idee!

www.beaulieu-wien.at


Salade niçoise nach Escoffier
Zutaten für 2 Portionen

4 kleine Kartoffeln
Olivenöl zum Braten
2 Handvoll grüne Bohnen, geputzt und gewaschen
4 eingesalzene Sardellenfilets
4 Tomaten
Salz

Vinaigrette
1 EL Weißweinessig
4 EL Olivenöl
halbierte Knoblauchzehe
Kapern,
schwarze Oliven
Salz, Pfeffer

Zubereitung
Die Kartoffeln in der Schale kurz vorkochen, anschließend in einer Pfanne in erhitztem Olivenöl unter mehrmaligem Wenden braten, bis sie weich sind. Die Bohnen in kochendem Salzwasser etwa 10 Minuten kochen, abseihen, kalt abschrecken, gut abtropfen lassen, evtl. halbieren. Die Sardellenfilets gut abspülen und in Stücke schneiden. Die Tomaten waschen und vierteln.

Vinaigrette
Essig mit Olivenöl verrühren, salzen und pfeffern. Salatschüssel mit Knoblauch ausreiben, Kartoffeln, Bohnen und Tomaten hineingeben, mit der 
Vinaigrette begießen und behutsam vermengen (es ist ein gemischter Salat). Obenauf kommen ein paar Kapern, Oliven und die Sardellen.

Und ich stimme auch zu, dass ohne einen Schuss Essig dem Salat – zumindest für Gaumen nördlich des Alpenhauptkammes – doch etwas Wesentliches fehlen würde.