Sauer macht lustig

Okay, Kuchen und Kompott mit Rhabarber, das kennen wir alle. Aber haben Sie schon einmal Rhabarber in der Kombination mit Fleisch versucht?

Foto von Peter Jani
Text von Andrea Karrer

Es ist noch gar nicht so lange her, dass der aus China stammende Rhabarber in Österreich als teure exotische Delikatesse galt. Im Mittelalter soll ein Pfund Rhabarber in Europa drei Mal so viel gekostet ­haben wie ein Pfund Opium. Es war die Wurzel, die als Arznei hoch­geschätzt wurde und daher zur botanischen Namensgeberin wurde. Als „Rha barbaros“ – Wurzel einer fremdländischen Knolle – bezeichneten die Griechen etwas despektierlich das säuerliche Stängelgemüse mit dem zartherben Geschmack, das sich so perfekt dafür eignet, dem Zucker die Spitze zu rauben.

Da der Exportweg zu Lande notwendigerweise über Russland führte, errichteten die Russen um 1730 am Baikalsee gewaltige Rhabarberkulturen und monopolisierten den Rhabarberhandel. Über Russland gelangte der Rhabarber dann auch nach Ungarn und Österreich, wo er erst im 19. Jahrhundert ebenfalls angebaut wurde. Das Interesse an Rhabarber mündete letztlich in der Ergründung der kulinarischen Möglichkeiten. Im 16. Jahrhundert kostete man zunächst die Blätter, was aufgrund des hohen Oxalsäuregehalts und des damaligen mangelnden Wissens um die richtige Zubereitung keine gute Idee war. Dennoch hielt sich lange und hartnäckig die Empfehlung, die Blätter wie Spinat zu verarbeiten.

Erste Hinweise auf den Genuss der Stängel finden sich in englischen Kochbüchern aus dem frühen 18.Jahrhundert, wo das Gemüse als „Spring fruit“ bezeichnet wird.

Was macht ihn so besonders? Es ist gerade das Spiel mit der pikanten Fruchtigkeit, das den Reiz ausmacht und zum Experimentieren anregt – weit über überzuckerte Landläufigkeiten wie Sirup oder Kompott hinaus.

„Rhabarber ist ein Saisongemüse mit einem ganz charakteristischen Geschmack“, sagt Josef Floh von der Gastwirtschaft Floh. Der innovative Küchenchef hat vor einigen Jahren schon den heutigen Zeitgeist erkannt und ein Programm namens Radius 66 entwickelt. Zu über 90 % wird nur das verkocht, was im Umkreis von 66 km rund um sein Gasthaus in Langenlebarn wächst, gezüchtet oder produziert wird. Genau genommen ist der Rhabarber kein Obst, sondern ein Gemüse“, weiß Josef Floh und erklärt weiter: „Es gibt rote, grüne und rot-grüne Rhabarbersorten. Für Süßes wie Kuchen und Desserts eignen sich vor allem Rhabarberstangen, ­deren Schale und Fleisch rot sind.“ Sorten wie „Holsteiner Blut“ werden auch als Himbeer- oder Erdbeerrhabarber bezeichnet: Ihr Geschmack ist besonders fein und süß und erinnert an den von Beeren. Rote Schale und grünes Fleisch hat zum Beispiel die Sorte „Frambozen Rood“, die etwas mehr Säure enthält. Besonders sauer, aber auch sehr ertragreich sind grüne Sorten wie „Gigant“. Sie sollten auf jeden Fall geschält werden. Und für alle gilt: Je älter die Rhabarberstangen, desto holziger werden sie und desto mehr Oxalsäure enthalten sie. „Zum Verzehren eignen sich daher vor allem junge, resche Stiele. Grünstielige Rhabarbersorten mit grünem Fleisch schmecken relativ sauer, Sorten mit rotem Stiel und grünem Fleisch munden schon milder und rotstielige und rotfleischige Sorten entfalten ein Aroma, das an Beeren erinnert.“

„Rhabarber harmoniert nicht nur mit warmen Gewürzen wie Vanille, Zimt, Sternanis, Gewürznelke, Safran, Anis oder Kokos – reizvoll sind auch Ingwer, Earl Grey, Thymian, Rosmarin oder grüner Pfeffer. Trotz der eigenen Säure kann man dem Rhabarber ­zusätzlich Zitronensaft oder Weißwein beifügen, das nimmt ihm die Spitze der Säure. Auch Zitronenschalen oder das exotische Zitronengras sind beliebte Würznoten. In historischen Rezepten findet man auch Mädesüß und Engelwurz.“ Es passen aber auch Gemüsesorten wie Spargel, Fenchel, Chinakohl, Rucola und Zwiebel zum fruchtig-herben Rhabarber.

„Natürlich ist Rhabarber eine erfrischende Zutat in Kuchen, Strudeln, ­Marmeladen, Cocktails, Chutneys sowie Bowlen. Doch geradezu klassisch finde ich die Kombination mit fettem Fisch, mit Gans und Ente oder auch Schweinebauch oder wie im Rezept mit Schweinskopf. Es ist die feine Rhabarbersäure, die die Üppigkeit ausbalanciert.“

Traditionell endet die Saison mit dem Johannistag, am 24. Juni. Danach nimmt die Oxalsäure in den Stielen zu. Oxalsäure ist ein Kalziumräuber. Besonders in den Blättern des Rhabarbers ist Oxalsäure in hohen Mengen enthalten, in der Küche werden deshalb ausschließlich seine fleischigen Stiele verwendet. Außerdem sollte Rhabarber keineswegs roh gegessen werden. Man blanchiert oder dämpft ihn, um den Oxalsäure­gehalt zu verringern. Das Kochwasser des Rhabarbers sollte immer weggeschüttet werden. Isst man Rhabarber in großen Mengen, sollte man kalziumhaltige Nahrungsmittel, wie Milchprodukte, Eier oder Nüsse, dazu kombinieren.

Noch ein Haushaltstipp: Angelaufene Aluminiumtöpfe bringt man übrigens mit den ansonsten unverwertbaren, gif­tigen Rhabarberblättern wieder zum Glänzen. Ja, sauer macht nicht nur lustig, sondern auch sauber.

Gastwirtschaft Floh
Tullner Straße 1, 3425 Langenlebarn
Tel.: 02272/628 09
www.derfloh.at

Rhabarber, Schweinskopf & Quinoa
Rezept von Josef Floh, Gastwirtschaft Floh

Zutaten für 4 Portionen
½ Schweinskopf vom Bio-Schwein
240 g Rhabarber
160 g Quinoa (Demeter-Quinoa von Fritz Salomon, Gut Oberstockstall am Wagram)
Wurzelgemüse
Zwiebel
Knoblauch
Gewürze (Pfefferkörner, Wacholder)
Bergkernsalz
Charapita-Chili
Aceto Pecoraro
Leindotteröl
Liebstöckel
Wildkräuter (Giersch, Vogelmiere, Schafgarbe)

Zubereitung
Den Schweinskopf mit Gewürzen und reichlich Wurzelgemüse sowie Zwiebel und Knoblauch in ca. 280–340 Minuten weich ­kochen, abseihen. Den Fond für die weitere Verarbeitung beiseite geben. Fleisch vom Knochen lösen und in ca. 2 x 2 cm große Stücke schneiden.
Quinoa in Salzwasser etwa 8 Minuten kochen und abseihen.
Mit Bergkernsalz, Aceto Pecoraro und Leindotteröl abschmecken.
Die Rhabarberstangen mit einem kleinen Messer von den „Sehnen“ befreien.
Die Stangen in 4–5 cm lange Stücke schneiden und im Backrohr in reichlich Schweinskopffond ca. 15 Minuten bedeckt schmoren. Mit Charapita und Liebstöckel würzen.
Schweinskopf im Fond erwärmen, in tiefen Tellern anrichten. Geschmorten Rhabarber darauf verteilen, mit dem Quinoa bestreuen und mit Wildkräutern vollenden.