Je besser, je böser? (2013/1A

Gutes besser zu finden als weniger Gutes war eine private Schrulle. Bis jetzt.

Geschätzte A-la-Carte-Leserschaft, Sie sollten sich schämen. Sowohl für’s A-la-Carte-Lesen als auch allgemein.

Zumindest wenn die jüngste Trend-Sau, die gerade durchs mediale Dorf getrieben wird, nicht ­bereits wieder out sein und schon ihrer Retro-Wiederbelebung in so ein, zwei Jahrzehnten harren sollte. Die Rede ist vom Food-Backlash.

Die Presse widmete jüngst eine ganze Sonntagsseite einem gewissen Steven Poole, dessen Buch „You aren’t what you eat“ offenbar gerade die Lifestyle-Redaktionen der britischen Insel in seinen Bann geschlagen hat.

Die schockierend kontroverse (hier aus Platzgründen leicht geraffte) These: „Geh bitte, scheißt’s euch net an wegen dem Essen und dem Trinken, ich mein, hey, das is voll überschätzt irgendwie und eh nur für Angeber, die halt mit irgendwas angeben wollen. Hauptsache satt, oder?“

Es scheint immerhin tatsächlich ein Bedürfnis zu geben, derlei zu lesen. Um den Jahreswechsel geisterte auch ein – wir wollen einmal hoffen: fiktiver – offener Brief des deutschen Journalisten Hilmar Klute durch die sozialen Netzwerke, in dem er einen hoffentlich ebenfalls fiktiven Freund vorab rüde dahingehend zurechtweist, er, der Freund, möge ihm, dem Klute, doch bitte beim Silvesteressen keinesfalls aufwendig gekochte Speisen aus penibel ausgesuchten Produkten auftischen bzw. wenn schon, dann doch um Gottes Willen die Schnauze halten und nicht über das Essen sprechen. Oder gar über den Wein!

Dass Klute es schon als beklemmend empfindet, wenn die Gastge­berin „Wir bewegen uns weintechnisch langsam von Frankreich nach Italien rüber“ sagt, darf allerdings auch als Indiz dafür gewertet werden, dass er noch nie bei echten Genussmittelfreaks eingeladen war; wohl zu beider Bestem.

Wo aber Klute nur seinen Ennui von der Leine lässt (und es mag ja sein, dass so ein neudeutsch-mittelständischer Wir-kochen-heute-ganz-toll-lecker-für-unsere-Gäste-Abend seine Loriot-haften Züge haben kann), da schwingt eingangs erwähnter Steven Poole gleich den großen, feuilletontauglichen Theoriehammer: Da es immer Effekt macht, Leuten, die man blöd aussehen lassen will, irgendeinen „Ismus“ umzuhängen, werden flugs alle, denen nicht wurscht ist, was sie wie und aus welchen Herkunftsquellen zu sich nehmen, zu „Foodisten“. Und wem ähnelt nun so ein Foodist? Wir zitieren Herrn Poole: „Foodists, Rassisten und Sexisten haben eine Gemeinsamkeit: Sie sehen die ganze Welt durch die Brille ihrer Obsession, in diesem Fall eben das Essen.“

Da bleibt natürlich die totalitäre Bedrohung durch Modelleisenbahnisten, Onkologisten und Kindergartenpädagogisten unberücksichtigt, aber auch der Foodismus ist, nimmt man ihn ernst, kein Honigschlecken. Ist nicht, bedenkt man’s nur genau, der Verzicht auf umweltschädliche Spezialitäten wie Fabrikschwein oder Fließbandhuhn haargenau das gleiche wie der Kellnerin auf den Oasch zu hauen und ihr das Trinkgeld ins Dekolleté zu stopfen? Steckt nicht im Versuch, seinen Lieben ein ordentliches Abendessen ohne Fertigprodukte zuzubereiten, die gleiche dumpfe, verschwitzte Spießigkeit, wie sie sonst nur ein zünftiger Judenwitz in gleichgesinnter Runde zu erzeugen vermag?

Ist nicht Jamie Oliver der Pol Pot der Gegenwart?

Und soll man sich über so einen Quargel überhaupt aufregen?

Eben.

Der Volksmund rät ja in so einem Fall: Net amal ignorieren.

Allerdings: Auch Menschen die – sei’s aus zwangsoriginellem Trotz oder aus naturbelassener Traditonsbestialität – der These anhängen, die gesunde Watschen habe noch niemandem geschadet, verlocken einen ja dazu, mit „Das könnt’ in Ihrem Fall stimmen, wenn S’ mögen, leg ich Ihnen gern eine auf“ zu antworten.

Vielleicht sollte man also Leuten, die ernsthaft bejammern, dass doch diese lästige Aufmerksamkeit und Anteilnahme für das blöde Essen völlig unverhältnismäßig sei, einfach den Gefallen tun, das Essen ohne Umweg über ihren Verdauungsapparat ins Klo zu kippen. Und dann einen Würfel Margarine auf den Tisch stellen. Gegen den Hunger.