Jedem Tierchen sein Papierchen

Special-Interest ist der neue Trend am Magazinmarkt. Wir meinen: mehr special als interest.

Der aus kollektivem Medienkonsum erwachsende gesellschaftliche Kitt ist, so wird immer wieder geklagt, endgültig am Erodieren.

Können Erwachsene von heute beim Kennenlernen Gleichaltriger noch das Eis brechen, indem sie zwanglos die Titelmelodie einer in ihrer Kindheit unvermeidlichen Zeichentrickserie summen, so werden die Erwachsenen der Zukunft bereits vorsichtig erkunden müssen, ob ihr Gegenüber eher auf Yugi-Oh, Sailor Moon, Bayblades oder Spongebob abgefahren ist.

Da kann man sich genauso gut gleich richtig miteinander unterhalten.

Und es wird wohl noch schlimmer kommen. Wenn das Ausmaß an Special-Interest-Magazinen a la Downhill-Mountain-Bike-Aficionado oder Illustriertes Trucker-Kabinen-Inneneinrichtungs-Journal ein Gradmesser für gesellschaftliche Fragmentierung ist, dann hat dieser Prozess mit dem Auftauchen von Heften wie Falstaff Junior einen Zwischenhöhepunkt erreicht. Zehnjährige, die mit Make-up und/oder umgehängtem Karl-Heinz-Grasser-Pulli für die Kamera posieren oder Auskunft über ihre Küchen-Must-haves („Sushimatte und Gugelhupfform“) bzw. Lieblingsrestaurants („Haas Haus Do & Co in Wien, in Monaco das Pulcinella“) geben, werden sich schwer tun, in ein, zwei Jahrzehnten beim Kennenlern-Smalltalk mit Gleichaltrigen eine gemeinsame kindliche Lieblingsbeschäftigung auszugraben.

Vor allem, wenn der Gesprächspartner in der eigenen Jugend ausschließlich Magazine wie VW-Golf-Tuning for Kids oder Rapid-Hooligan Junior gelesen haben sollte.

Und das ist nicht unwahrscheinlich, scheint doch die nähere Zukunft des Magazinjournalismus in zunehmend radikaler Spezialisierung zu liegen.

In unserer Jugend gab es zum Beispiel den Playboy, der trotz darin enthaltener anspruchsvoller und als vorgeschütztes Kaufargument geeigneter Essays von Norman Mailer oder Werner Schneyder („Ah so, Fotos sind da auch drin?“) immer wieder verächtlich als „Fleischbeschau“ bezeichnet wurde.

Das gibt es heute wieder, aber irgendwie anders.

Das mit geilen Fleischfotos gespickte Magazin Beef samt seinem naturgemäß engen Themenspektrum (Teures Fleisch ist super. Teures Dry-aged-Fleisch noch superer. Weiters sehr super sind scharfe Messer, schwere Weine und von muskulösen Grobschmieden handgefertigte Gartengrills) feiert ungeahnte Erfolge, die bereits groß genug sind, um schon mit Meet (Wortspiel!) das erste Magazinplagiat auf den Markt zu schwemmen.

Wenig riskant ist es daher, vor­auszusagen, dass da am Fleischmarkt auch noch ein Junior-Spin-off daherkommen wird (Bernerwürstl weekly), ebenso wie ein auf Senioren spezialisiertes Spartenmagazin (Meatgrinder – Das Fachblatt für faschiertes und generell leicht zu beißendes Fleisch).

Die Chancen expliziter Beilagenmagazine wie Roots – der wöchentliche Wurzelgemüse-Almanach oder Die Salatwachtel – Junior Edition werden von Experten derzeit noch unterschiedlich eingeschätzt.

Als einigermaßen sichere Bank hingegen gelten die folgenden, von uns konzipierten und – bei entsprechendem Engagement eines generösen Finanziers – jederzeit zum tatsächlichen Marktauftritt tauglichen Konzepte:

Freeze – das Magazin für den Tiefkühl-Gourmet. Mit Bofrost-Starschnitt und einem Mega-Centerfold der kompletten Kühlkette.
Horny – der Genussratgeber für den anspruchsvollen Nägelbeißer.

Bischof – das Fanzine für den besten Teil vom Huhn.

Holy food mit der Coverstory „Der Leib Christi ist kein Leberkas“, dem ultimativ kontroversiellen Hand- vs. Mundkommunion-Vergleichstest und dem Messwein-für-und-wider-Check von zu schlecht (verhöhnt Gott) bis allzu gut (lenkt den Pfarrer ab).
Wir sind wir, die weltexklusiv einzige Special-Interest-Fachzeitschrift, die ausschließlich über die kulinarischen Vorlieben von Thomas Maurer und Florian Scheuba berichtet.

Inseratenpreise auf Anfrage.