Liquid politics

Wie ja praktisch alles, so hat auch der Wein eine politische Dimension.
Text von Florian Scheuba & Thomas Maurer
Zum Beispiel eine innenpolitische. Wir plündern zur Darstellung dieses Sachverhalts gerne die Gerüchteküchenecke unserer Anekdotenschatzkammer und öffnen dort das Einbaukastel mit der Aufschrift: „Weiß ich verbindlich von wem, der dabei war.“

Dort findet sich die Geschichte, der zufolge ein damals amtierender, dem Wein demonstrativ zugetaner Bundeskanzler (Name der Red. bekannt) seinen Vorgänger daheim besucht haben soll. Dieser der Askese demonstrativ zugetane Vorgänger (Name der Red. bekannt), von dem sogar überliefert ist, er habe bei einem Wahlkampfbesuch am Gut eines sehr bekannten österreichischen Winzers (Name der Red. bekannt) das angebotene Begrüßungsachterl ausge­schlagen und nach einem ehrlichen Schnaps gefragt, soll nun dem Nachfolger auf dessen Anfrage hin die Benutzung seiner Sanitärräumlichkeiten gestattet haben. Und damit auch die Gelegenheit zum Verbreiten einer die fundamentalen weltanschaulichen Gegen­sätze der beiden in einen einzigen Satz gießenden Anekdote: „Der S. lagert den Wein allen Ernstes am Häusl!“

So lässt sich natürlich auf Dauer kein Koalitionsfriede aufrechterhalten.

Allerdings, so entnehmen wir der Schublade „Da waren wir – schwöre! – tatsächlich selber dabei“, hat dieser nicht nur dem Wein, sondern auch dem Fettnapf nicht abgeneigte Exkanzler auch die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, bei der festlichen „Steirischen Weinkost“ am Pogusch gut vernehmlich mit dem Satz „Das Leben ist zu kurz, um steirischen Rotwein zu trinken“ zu glänzen.

Sein Nachfolger wiederum, ein Mann, dessen politisches Credo mit „einerseits ja, andererseits nein, vielleicht aber auch das Gegenteil, da wird man einen Kompromiss erzielen müssen“ umrissen werden kann, lebte zwei Jahre später dieses Prinzip exemplarisch aus, indem er sich am Pogusch zwar ins Verkostungspanel setzte (Signal an die Weinwirtschaft), aber wieder verschwand, noch ehe der dritte Wein gereicht wurde (Anti-Abgehobenheits-Signal an die Kronen Zeitung).

Und darüber, wie sich die Lebensfreude einer ehemaligen, einem klassischen Weinbau-Bundesland entstammenden Innenministerin (Name der Red. bekannt) nach dem berühmten, bei gleicher Gelegenheit konsumierten „Achterl zu viel“ Bahn zu brechen vermochte, breiten wir so gentlemanesk wie gern weiterhin den Mantel des Schweigens.

Aber auch weltpolitisch spielt der Wein eine Rolle.

Dass etwa erst unlängst rund 150 französische Winzer aus dem Département Pyrénées-Orientales mehrere aus Spanien kommende Wein-Tanklaster gestoppt haben, um die Ventile der gekaperten Fahrzeuge zu öffnen und zehntausende Liter Wein am Autobahnasphalt verdunsten zu lassen, könnte man für ein nationalismusbefeuertes französisch-spanisches Problem halten.

Aber die Unser-Wein-für-uns’re-Leut-Aktion der Leute vom „Regionalen Winzer Aktions Comittee“ (CRAV) hat auch eine globalisierungskritische Seite: Die Weine seien „nicht einmal notwendigerweise euro­päisch“, erklärte Denis Pigouche, Präsident eines regionalen Winzer­verbandes. „Ich vermute, sie kommen aus Südamerika und werden dann in Barcelona ‚hispanisiert‘ und dann ‚europäisiert‘ oder sogar in Frankreich ‚franzisiert‘.“

In Italien wieder, wo ebenfalls regelmäßig zigtausend Flaschen aus Billigstwein zusammengefälschter „Barolos“ oder „Chiantis“ beschlagnahmt werden (was realistisch vermuten lässt, dass hunderttausende nicht beschlagnahmt werden), hat man immerhin ein verlässliches Abnahme­zentrum für die eigenen Produkte.

Den weltweit höchsten Pro-Kopf-Weinkonsum findet man nämlich laut einer neuen Erhebung im – Nachbarstaat trifft’s nicht ganz – ins Italienische implantierten Vatikan. Wo ja der Wein in der flächendeckend praktizierten Staatsreligion bekanntlich eine zentrale Rolle spielt.

Und wo die sehr begrenzten Flächenressourcen es bis auf Weiteres unwahrscheinlich machen, dass ein Mob aufgebrachter päpstlicher Nuntien italienische Weintransporte stoppt, um die autochthone Produktion zu schützen.

Und sollte eines Tages im iranischen Shiraz die von dort aus einen Siegeszug um die Welt angetreten habende Rebsorte Shiraz wieder zu Wein verarbeitet werden, hätte sich dort politisch definitiv allerhand getan.