Better than Paradiese
Vor seinem Haus fängt er den Hummer, in seinem Garten pflückt er Zitronen, Tomaten und Artischocken. Ein Land hat seinen Meister gefunden: Hätte der Filmemacher Robert Dornhelm in Kalifornien nicht sein Regiehandwerk auf Hochglanz poliert, dann lebte er dort heute als Koch, Bauer oder Ernährungsminister.
Better than Paradiese
Text von Michaela Ernst Fotos: Helene Waldner
Spricht der US-Regisseur mit den rumänisch-österreichischen Wurzeln von den Annehmlichkeiten seines Hauptwohnsitzes – den er erstaunlicherweise nicht mehr als "einen Monat im Jahr" frequentiert –, bekommt man nichts von einem Supermarkt gleich ums Eck, einer Putzerei nach dem nächsten Häuserblock oder einer nur drei Kilometer entfernten Waschstraße zu hören. Sondern vom "vermutlich zwölf Jahre alten Hummer", den er neulich von einem Bad im Meer mitgenommen hat. Oder vom Weißfisch, den er zuletzt heimgebracht hatte, als er in seinem Kajak herumschipperte. Oder von den Tomaten, Zitronen, Paprika und Artischocken, die in seinem Garten gedeihen, als gelte es, jeden Tag ein Gelage von Vegetariern satt zu bekommen. "Ich könnte ganz Wien mit Kräutern versorgen", erzählt er, "den Rosmarin schneide ich mit der Maschinensäge, denn er wächst bei mir wie Unkraut." Auf seinem Anwesen gackern glückliche Hühner, meckern zwei zufriedene Ziegen, legen Olivenbäume 40 bis 50 Kilo Früchte ab. Auch einen Weingarten kultivierte er, der allerdings bei einer Feuersbrunst im Sommer vor zwölf Jahren vernichtet wurde.
Robert Dornhelm sagt: "Ich bin ein Gentleman-Farmer." – Aber er meint: "Ich koche gern." Robert Dornhelm lässt anklingen: "Ich könnte mich autark ernähren." – Aber er hält fest: "Ginge ich jeden Tag in den Supermarkt einkaufen, käme mich das billiger." Denn der Farmer im Haus ist natürlich ein anderer Gentleman, der gegen anständige Bezahlung dafür sorgt, dass sich die Natur auch weiterhin üppig entfalten kann.
Wo Dornhelm keine fremde Hilfe braucht und gar keine will, ist in der Küche. Nicht nur einmal betont er: "Ich besitze eine Profi-Küche", nicht nur einmal mahnt er: "Ich bin der Regisseur – auch hinterm Herd. Mit den Farben schafft man eine Präsentation, mit den Gerüchen eine Erzählung."
Die Profi-Küche ist übrigens in der 1995 gedrehten Gangster-Komödie "Get Shorty", mit Gene Hackman, Danny DeVito, Rene Russo und John Travolta in den Hauptrollen, zu bewundern – die neueste Arbeit des Regisseurs, die zweiteilige Historienverfilmung "Kronprinz Rudolf", war Ende April auf ORF 2 zu sehen. Regisseur hinterm Herd – das spricht zumindest für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein als Koch. "Wenn ich koche, ist das eine Liebeserklärung an meine Freunde", sagt Dornhelm, "deshalb bin ich sehr ernst unterwegs." Da wird nicht nebenher geplaudert und schon gar nicht gescherzt, sondern emsig geschält und geschnipselt. "Ich genieße es, selbst die niedrigen Dienste eigenhändig zu erledigen." Wirkt ein Großer wie sein Freund Reinhard Gerer einmal an so einer Küchen-Szene mit (wie neulich, als der Filmemacher seine US-Einbürgerung mit einem großen Essen feierte), versteht es sich von selbst, dass man auf einer Augenhöhe agiert. "Gerer muss wissen", schmunzelt Dornhelm – "in seinem Restaurant ist er der Chef, aber bei mir daheim bin ich der Koch." Sie servierten Trüffelpolenta mit sechs verschiedenen Pilzen und Lamm im Ofen, ordentlich mit Kräutern abgedeckt, Hummer und frisch Geerntetes aus dem Garten. Gerer begutachtete die Ware, schälte Gurken, schupfte Pfannen und bestätigt: "Das meiste hat Dornhelm wirklich selbst gemacht."
Einige Wochen davor hatte der Regisseur den Meisterkoch in dessen Wiener "Korso"-Küche besucht, und da konnte man sich von der Ebenmäßigkeit des Verhältnisses überzeugen: Wie beim Damenkränzchen (nur etwas wortknapper und technischer) tauschten die zwei Rezepte aus. Dornhelm schwärmte von seiner neuen Zubereitungsweise der "Ceviche". Das Weißfischgericht, das der Filmemacher bislang mit Limetten zubereitete, serviert er neuerdings gern mit frischen Mangos und fein dosiertem Chili. Gerer rührte indessen an einem Fiakergulasch, ließ die dampfende Pfanne unter Dornhelms Nase kreisen. Schnell hat er sich den anerkennenden Blick geholt, zufrieden stellte er den Topf zurück auf den Herd.
Dann schritten die beiden zu einem Tablett, auf dem sich die Meeresfrüchte türmten – ein üppiges Reich aus frischen Krabben, Austern, Hummern, Krebsen, Scampi. Der Raum war von Ruhe, beinahe Erhabenheit erfüllt, als ob die Herren die Pracht eigenhändig erlegt hätten. Gelassen entfernte Dornhelm von den Hummerzangen die Gummibänder, taxierte das Tier mit fachmännischem Blick, zeigte es Gerer, der nickte zurück. Männersprache ist eben auch Zeichensprache.
Genuss scheint für Dornhelm eine starke archaische Komponente zu besitzen. Stolz erzählt er, dass er alle Bäume und Sträucher in seinem Garten vor zwölf Jahren selbst gepflanzt habe. Ehrfürchtig berichtet er von seiner Messersammlung, "denn es würde mir nie einfallen, mit einer Kitchen-Aid zu arbeiten". Das Liebstöckl- Kraut hat er aus Österreich mitgenommen, nicht nur, weil "die Suppe dann besser schmeckt", sondern "vor allem um den Hügel hinter meinem Haus zu festigen". Und eine Schafherde möchte er sich auch noch einmal zulegen, "weil mich meine erste Freundin wegen eines Schafhirten verlassen hat". Er findet, dass jedes Kind ein paar Monate auf einem Bauernhof leben sollte. Dann merke es, dass das Essen, das es gewohnt ist zu konsumieren, "Konzentrationslagerfleisch ist und mit dem Grundprodukt nichts mehr zu tun hat".
Er erzählt: Ernsthaft mit Nahrung auseinander gesetzt habe er sich seit der Geburt seiner (heute 37-jährigen) Tochter. "Ich wurde sehr jung Vater und habe mir gedacht, wenn man ein Kind hat, muss man es auch ordentlich ernähren können." Seine Schilderungen verraten: Das ganze Drumherum um Teller und Tisch war für ihn schon viel früher eine ernste Sache.
Als er noch als Bub in Rumänien lebte und ihm ein abenteuerreiches Leben als Fotograf vorschwebte, richtete sich Robert Dornhelm unterm Küchentisch eine Dunkelkammer ein. Zwischen den Beinen waren schwarze Vorhänge gespannt, die Chemikalien zweigte eine befreundete Ärztin aus einem Röntgenlabor ab. Dort träumte er auch von einem reichen Leben im Westen, in dem es Schokolade, Bananen, Orangen und Kokosnüsse vom Himmel regnete. Mit dreizehn Jahren zog Dornhelm mit seinen Eltern nach Österreich. Also in den Westen. "Hier erlebte ich eine grausame Enttäuschung – denn die Leute waren arm."
Man könnte nicht behaupten, dass Dornhelm auf der Suche nach seinem Glück nicht ausreichend herumgekommen wäre: "Ich war in jeder Schule in Wien und habe eine leidenschaftlicher gehasst als die andere." Seinen Vorstellungen rückte er erst später näher, als er noch viel weiter westwärts zog. Was ihm dort, neben all der geschilderten Erfüllung, kulinarischer Traum geblieben ist? "Die eingelegten Salzgurken, die es bei uns in Rumänien gab. Nicht einmal der Gurken-Leo am Wiener Naschmarkt kriegt die so hin, wie ich sie als Kind liebte." Den Duft trägt er in der Nase, die Suche geht weiter. "Dieses Herumziehen macht mir Riesenspaß", sagt Dornhelm. Der Geruch der Sehnsucht ist eben der verführerischste.